Von Limburg nach Köln und zurück

6. Dezember 2013 in Kommentar


Die Veteranen sind etwas unvorsichtig geworden: Von langer und etwas zittriger Hand werden „spontane“ Aktionen geplant - Ein kath.net-Kommentar von Professor Wolfgang Ockenfels OP


Trier (kath.net) Noch ist der verdienstvolle Joachim Kardinal Meisner von seinem Amt als Erzbischof von Köln nicht feierlich verabschiedet worden, da machen sich schon die einschlägigen Kirchenreformer über seine Nachfolge her. Sie wissen zwar noch nicht, wer es werden soll, aber wer es nicht werden soll, ist ihnen schon klar. Entsprechende „Listen“ – in des Wortes doppelter Bedeutung - sind in Vorbereitung und werden raffiniert angewandt.

Der alte Klüngel der „Kölner Kircheninitiative“ ist aufgewacht und wittert nach dem Erfolg der einstweiligen Ausschaltung des Limburger Bischofs Morgenluft. Die Veteranen sind aber auch etwas unvorsichtig geworden. Von langer und etwas zittriger Hand werden „spontane“ Aktionen geplant, hinter denen eine Strategie im Zusammenspiel von Gremienkatholiken und Medien sichtbar wird. Natürlich sollen jetzt noch keine Maximalforderungen erhoben werden. Man will es sich schließlich nicht mit dem neuen Papst verderben, auf den man als Verbündeten hofft. Man will ja nur etwas mitbestimmen und beruft sich dabei im frommen Tonfall auf den Heiligen Geist. Der wird gerne „charismatisch“ in Anspruch genommen, wenn es gegen das kirchliche Amt, gegen Kirchenrecht und Konkordate geht.

Die basisdemokratischen Verfechter einer von Rom und dem Domkapitel weit-hin unabhängigen Bischofswahl geben sich freilich schon seit längerem als das eigentliche „Kirchenvolk“ aus, das sich „seine“ Repräsentanten selber wählt oder abwählt. Der Anspruch „Wir sind Kirche“ ist immer schon eine dreiste und zugleich unbiblische Anmaßung gewesen. Jetzt reklamieren sie für sich die von Papst Franziskus gewünschte „Dezentralisierung“ der Kirche. Allerdings hängt die Stärkung der Ortskirchen und der Bischofskonferenzen von deren Fähigkeit und Bereitschaft ab, die eigenen Probleme im Einklang mit dem Papst und der Weltkirche zu lösen. Und nicht im Einverständnis mit kirchenfremden Medien, die als „Vierte Gewalt“ einen gewaltigen öffentlich-politischen Druck ausüben. Nach dem Motto: Der Kölner Dom entferne sich von Rom.

Die katholische Kirche folgt weltweit und seit je ihren eigenen Regeln, mit denen gerade ihre Politisierung vermieden werden soll. Demokratie ist eine politische Herrschaftsform, in der die Volkssouveränität zum Ausdruck kommt, und zwar vor allem durch Mehrheitswillen und Medienmacht. In der Kirche ist aber Christus der Souverän, dem Priester und Laien zu dienen haben. Wenn die Schafe ihre Hirten selber wählen oder abwählen wollen, werden sie vorher die Wölfe fragen müssen. Dieser Logik kann Rom nicht folgen, wenn es um Freiheit und Selbstbestimmung der Kirche geht. Das große Medienspektakel „Köln sucht seinen Superbischof“ wird uns zwar kaum erspart bleiben. Aber wer auch immer aus diesem Rummel als Bischof hervorgehen sollte, müsste schon das Zeug zum Märtyrer mitbringen.

Zurück nach Limburg: Das große mediale Schauspiel „Deutschland sucht den Superschurken“ mußte einstweilen unterbrochen werden. Denn der Gejagte hat sich in ein Kloster zurückgezogen, zu dem nicht einmal die Medien Zutritt haben. Die journalistischen Jagdgenossen und ihre klerikalen Treiber sind ermattet und haben eine Pause verdient, die sie mit dem Aushecken neuer Verdachtsmomente füllen können. Während die kirchenamtliche Untersuchungskommission der Deutschen Bischofskonferenz den Fakten zur Causa Limburg nachzugehen versucht, um sie von wuchernden Fiktionen abzulösen, findet auch das aufregungsbedürftige Publikum Gelegenheit zum cool down.

Eine gewisse Ermüdung hatte sich sogar bei den stets „sprungbereiten“ Kirchenkritikern gezeigt. Schon bevor Papst Franziskus, auf den die progressiven Verächter des Katholischen all ihre Hoffnung auf einen kurzen Prozeß setzten, die Ruhepause verordnete, war der ohnehin dünne Informationsfluß über den Bischof von Limburg versiegt. Sich immer Neues aus den Fingern zu saugen, überfordert gleichermaßen phantasiebegabte Journalisten, die ihren Beruf als Polizisten, Richter und Henker verfehlt haben, und intrigante Berufskatholiken, die sich als erwählte Kirchenhirten gebärden.

Der Appetit kommt bekanntlich beim Essen, und das hängt davon ab, was serviert wird. In der Sättigungsphase erscheinen freilich auch neu aufgetischte Gerichte und Gerüchte nicht mehr konsumierbar. Immerhin konnten kirchenkritische Kreise und Leitmedien inzwischen schon als Erfolgsmeldung eine steigende Kirchenaustrittsquote durchgeben, an der freilich auch die evangelischen Landeskirchen partizipieren. Was natürlich nicht beabsichtigt war. Denn der Limburger Käse sollte eigentlich nur zum katholischen Himmel stinken.

Die ökumenische Eintracht („getrennt marschieren, vereint geschlagen werden“) scheint sich zu bewähren, was natürlich einigen schuldbewußten katholischen Bischöfen, die sich von ihrem Limburger Kollegen distanzierten, nicht paßt. Sie wollen schließlich nicht – wie der hl. Sebastian – die Pfeile der öffentlichen Kritik auf sich ziehen, obwohl sie genau die Kriterien erfüllen, welche die Kirchenkritiker, nicht das Kirchenrecht, definiert haben. Am Beispiel der Isolationsfurcht (vulgo Feigheit) mancher Bischöfe läßt sich die Theorie der „Schweigespirale“ (Elisabeth Noelle-Neumann) gut demonstrieren.

Die periodisch auftretenden Kirchenaustritts- und Spendenverweigerungswellen bilden einen interessanter Fall für die Medienwirkungsforschung, die beim Limburger Ereignis auch mal der Frage nachgehen sollte, wie viele Leser der vormaligen Qualitätspresse, vor allem der FAZ, ihr Abonnement im Zeitraum der Kampagne aufgekündigt haben. Es sind, wie man inzwischen erfährt, wesentlich mehr als jene, die nur einen Anlaß gesucht haben, aus ihrer angestammten, nicht mehr geglaubten Glaubensgemeinschaft auszutreten.

Ganz zu schweigen von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, aus denen man in Deutschland leider nicht so leicht austreten kann wie aus einer Kirche. Wären die jüdischen und islamischen Gemeinden derart ins mediale Kreuzfeuer geraten, hätten wir schon längst eine aufgeregt politische Debatte über die Grenzen der öffentlich-rechtlichen Zwangskörperschaften, deren Finanzgebaren übrigens sehr zweifelhaft ist. Nirgendwo wird mehr Geld für Blödsinn verschwendet als bei den Rundfunkanstalten. Dagegen waren die Limburger Bauten keine überflüssigen Ausgaben, sondern lohnende Investitionen, an denen noch spätere Generationen ihre Freude haben werden.

Wie beim Sport wird nach der Erholungsphase des cool down die Parole ausgegeben: warm up. Alles wieder aufwärmen! - wird es in romkritischen Kreisen auch dann heißen, wenn von den Vorwürfen gegen den Bischof von Limburg nicht mehr viel übrig geblieben ist. „Egal, der Bischof wird verbannt“ – werden kirchenkritische Fanatiker - frei nach Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise - als Parole ausgeben, auch wenn inzwischen bereits die dicksten Lügen und Halbwahrheiten der Medienkampagne aufgeklärt worden sind:

1. Das Diözesane Zentrum (mit Tagungs- und Verwaltungsräumen, Bibliothek und Kapelle) ist nicht als persönliche Residenz des Bischofs auszugeben.

2. Die Badewanne des Bischofs hat bei weitem keine 15.000 Euro gekostet.

3. Der Bischof hat wohl kaum gegen kirchenrechtliche Bestimmungen verstoßen, wenn er sich vorher in Rom abgesichert hat.

4. Der „Beauftragte für den Bischofsbau“, Generalvikar Franz Josef Kaspar, und der von ihm eingesetzte Vermögensverwaltungsrat haben schon früh von der Kostensteigerung Kenntnis gehabt.

5. Der Bischof leidet nicht an dem ihm unterstellten „Asperger-Syndrom“.

6. Der Bischof ist kein Lügner. Er ist einem falschen juristischen Ratschlag gefolgt, indem er eine „eidesstattliche Erklärung“ abgegeben hat. Er ist vom „Spiegel“ durch eine geheime Kameraaufnahme hereingelegt worden, alles weitere ist Wortklauberei: Ob man business class geflogen sei, d.h. gebucht habe, aber wegen eines Bonus-Meilen-upgrades first class geflogen sei, aber nicht gebucht habe, ist ziemlich belanglos.

7. Der Bischof ist nicht vom Papst „suspendiert“, d.h. amtsenthoben worden. Er wurde lediglich beurlaubt – und wird von seinem Generalvikar vertreten.

Genug davon, diese und weitere Punkte werden sich doch wohl im Lauf der Zeit klären lassen? Aber egal, der Bischof wird verbannt. Kein Interesse an gerechter Aufklärung haben zunächst jene Bischofskollegen, denen man zu Recht Verschwendung vorwerfen könnte, etwa im Fall des „Weltbild“-Verlages, der nur noch mit dem Arbeitsplatzargument subventioniert werden kann. Prunk & Protz weithin, vor allem in Stuttgart und München, am wenigsten in Limburg. Vor allem haben jene Rechthaber der öffentlichen Meinung an einer juristisch-präzisen Aufklärung kein Interesse, die von Insinuation, Spekulation und Sensation leben. Die Qualitätspresse, einstmals vom Ethos des „fit for print“ der New York Times erfüllt, verkommt immer mehr zur Hure einer Gesinnungsschnüffelei, der die Unterscheidung zwischen überprüfter Information und sachgemäßer Interpretation völlig gleichgültig ist.

In den Redaktionen haben sich viele verkrachte Theologen, abgefallene Priester und entsprungene Mönche festgesetzt, die ihre Ressentiments abarbeiten wollen. Sie haben – wie Daniel Deckers in der FAZ – von der Inquisition nur die Folter, nicht die rechtsgeschichtlichen Fortschritte eines gerechten und transparenten Verfahrens gelernt. Und sie beleben den alten Investiturstreit. Sie können Bischöfe vielleicht zur Strecke bringen. Aber ob sie auch neue inthronisieren, ist noch fraglich. Wenn Rom Tebartz-van Elst als Sündenbock in die Wüste schickt oder wegbefördert (was auf dasselbe hinausläuft), ist der nächste Bischof fällig: Dann heißt es: „Der Nächste bitte!“ In Köln werden schon die Messer gewetzt zur rechtzeitigen Erledigung von Kandidaten, die der neuen Inquisition nicht genehm sind.

Der Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels ist ordentlicher Professor für Christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät Trier.

Prof. Ockenfels beim Kongress FREUDE AM GLAUBEN in Aschaffenburg


Foto: © www.theo.uni-trier.de


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