Ist alles erlaubt, wenn es keinen Gott gibt?

28. November 2013 in Weltkirche


"Vorhof der Völker": Der katholische Sozialphilosoph Hans Joas und der agnostische Philosoph Herbert Schnädelbach streiten über das Leben mit und ohne Gott


Berlin (kath.net/idea) Ist alles erlaubt, wenn es keinen Gott gibt? Über diese Frage diskutierten der Katholik und Sozialphilosoph Prof. Hans Joas (Freiburg im Breisgau) und der Agnostiker und Philosoph Prof. Herbert Schnädelbach (Hamburg) am 26. November im Berliner Rathaus bei der Veranstaltung „Vorhof der Völker“. Sie findet bis zum 28. November statt und wird von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, dem Erzbistum Berlin und dem Päpstlichen Rat für die Kultur veranstaltet. Ziel ist der Dialog zwischen Christen, Agnostikern und Atheisten.

Schnädelbach zufolge ist die vom russischen Dichter Fjodor Dostojewski (1821-1881) stammende Aussage „Wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt“ einer der dümmsten und absurdesten Sprüche, die es gibt. Schnädelbach: „Selbst wenn es Gott nicht geben sollte, darf ich nicht bei Rot über die Ampel gehen, Steuern hinterziehen oder meine Frau schlagen.“ Dostojewskis Aussage sei „intellektuelle Panikmache“. Vom Atheismus gingen weder Sittenlosigkeit noch Anarchie aus. Die praktische Vernunft komme ohne letzte Gründe und damit auch ohne Gott aus. Das rationale Gespräch zwischen Menschen reiche aus, um zu verbindlichen Normen zu gelangen. Schnädelbach erklärte, er habe großen Respekt vor persönlicher Frömmigkeit. Allerdings habe er selbst keine Verbindung zum Gott der Bibel. Manchmal habe er das Gefühl der Dankbarkeit, wenn etwas gut gegangen ist. Aber er wisse nicht, bei wem er sich dann bedanken solle. Schnädelbach: „Da ist niemand.

Katholischer Sozialphilosoph: Auch Atheisten handeln moralisch

Joas erwiderte, in der Frage der Moral trenne ihn von Schnädelbach nicht viel. Die meisten Atheisten hätten starke moralische Motive. Die These, dass ohne Gott alles erlaubt ist, sei ebenso unsinnig wie die Auffassung, dass Religion zum Aussterben verurteilt sei. Joas zufolge trägt das Christentum eine Schuld daran, dass Atheisten sich von der Kirche abgewandt haben. Allerdings sei der Atheismus inzwischen selbst erstarrt und ermüdet. In der DDR sei er sogar zu einer Herrschaftsideologie geworden. Laut Joas bedarf der Mensch „starker Erfahrungen des Guten“. Dies könne die Begegnung mit einem Vorbild sein, aber auch die Begegnung mit Gott. Ein Christ dürfe nicht mit moralischem Zeigefinger auftreten, sondern solle sich aus Glauben und Liebe heraus als freier Mensch zeigen. Um jungen Menschen Religion verständlich zu machen, müsse man auf tradierte religiöse Sprache verzichten, so Joas.


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