Vatikan löscht das Scalfari-Interview von seiner Internetseite

15. November 2013 in Aktuelles


Wenn der Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre Leuten begegnet, denen man trauen kann und die für den Papst und die Kirche arbeiten. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Der Vatikan hat das viel diskutierte und umstrittene Interview des ehemaligen Direktors und Gründers der römischen Zeitung „La Repubblica“, Eugenio Scalfari (89), mit Papst Franziskus von seiner Internetseite gelöscht. „La Repubblica“ hatte den als Interview ausgegebenen Text am 1. Oktober 2013 veröffentlicht. Am 2. Oktober wurde dieser auch in der italienischen Tagesausgabe der vatikanischen Zeitung „L’Osservatore Romano“ unter dem Titel „Das Licht in unserer Seele“ gedruckt und dann in alle Sprachen übersetzt.

Unmittelbar nach der Veröffentlichung kamen aufgrund gewisser angeblicher Äußerungen des Papstes, die Scalfari als direkte Rede in Anführung gesetzt hatte, kritische, verwirrte und auch entsetzte Stimmen auf. So habe Franziskus angeblich gesagt, dass jeder seine eigene Vorstellung vom Guten und Bösen habe und sich entscheiden müsse, dem Guten zu folgen und das Böse zu bekämpfen, so wie er es selber fasse. Dies genüge, um die Welt zu verbessern. Der Papst sollte auch gesagt haben, dass die Oberhirten der Kirche oft Narzissten gewesen seien, denen von ihren Höflingen geschmeichelt worden sei und die diese schlecht angespornt hätten. Den Päpstlichen Hof und die Kurie hätte Franziskus als „Lepra des Papsttums“ bezeichnet.

Worte dieser Art und vieles andere mehr führten zum einen zu einer Welle der Empörung, zum anderen entstand sofort der Zweifel, ob Franziskus dies wirklich gesagt habe oder ob es sich nicht vielmehr um bewusste Verfälschungen handelt. Der Autor Scalfari erklärte dann einige Tage später gegenüber der Zeitung „Le Monde“, er habe das Gespräch mit dem Papst nicht aufgenommen und keine Notizen gemacht. Somit handelt es sich bei dem „Interview“ um ein „Gedächtnisprotokoll“, bei dem das Wort des Papstes von den Auslassungen des ausarbeitenden Journalisten nicht unterscheidbar war. Der Papst selbst habe es laut mehreren Aussagen bedauert, dass der Text auch im „L’Osservatore Romano“ veröffentlicht worden ist.

Bleibt das Internet: viele Beobachter hatten verwundert festgestellt, dass das Interview auf der Internetseite des Vatikans unter „Ansprachen des Papstes“ eingestellt worden war, dies trotz der offensichtlichen Missbilligung des Heiligen Vaters und der äußersten Problematik des Textes, eines Textes, der nicht unmittelbar auf die „ipsa vox“ des Papstes zurückgeführt werden konnte.

Dieser Sachverhalt wurde am Samstag, den 9. November, gegenüber dem Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, zur Sprache gebracht. An jenem Wochenende fand in Rom zum vierten Mal ein vom „VATICAN magazin“ organisiertes Journalistentreffen statt, zu dem neben dem Präfekten des Päpstlichen Hauses, Erzbischof Georg Gänswein, der diese vertraulichen Gesprächsrunden seit ihrem Bestehen unterstützt, auch Erzbischof Müller eingeladen worden war. Dass dieses Interview eine Verfälschung darstellt, stand für Müller außer Zweifel. Auf die Tatsache angesprochen, warum es dann immer noch auf der Internetseite des Vatikans an einer wichtigen Stelle stehe, antwortete er: „Das wusste ich nicht. Ich werde mich darum kümmern“. Was nun sichtbar ist: der Text ist gelöscht. Gut organisierte Treffen haben Sinn und zeitigen Wirkungen.


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