Limburg: Lohmann hinterfragt die Rolle der Medien

15. Oktober 2013 in Interview


Nicht nur der Bischof Tebartz-van Elst, sondern auch die Limburger Kurie und die Medienvorgänge rund um die Limburg-Berichterstattung werfen grundsätzliche Fragen auf. Darüber sprach kath.net im Interview mit Martin Lohmann


Köln-Linz (kath.net) Der katholische Journalist und Buchautor Martin Lohmann (Foto) fordert journalistische Fairness und scheuklappenfreie Aufklärungsarbeit im Fall Limburger Bischofshaus. In seine eigene Zunft hinein ruft er nach der „Wiederentdeckung des Qualitätsjournalismus“, der einer „zum Teil billigen Krawallmentalität“ leichtfertig geopfert wurde. KATH.NET sprach mit dem Chefredakteur des katholischen Privatfernsehsenders K-TV über Limburg, den Bischof, die Hintermänner und die Medien.

kath.net: Herr Lohmann, Sie haben sich am vergangenen Sonntagmittag im Ersten Deutschen Fernsehen als Gast im Presseclub der ARD sehr differenziert und informiert zum Limburger Fall geäußert. Und Sie kritisieren auch einige Medien. Ist das Ganze zu sehr aufgeblasen worden?

Martin Lohmann: Zunächst: Es scheint unzweifelhaft zu sein, dass der Bischof viele und schwere Fehler gemacht hat. Dazu gehört auch das Vertrauen auf die falschen Leute und wohl eine – wie man hört – hartnäckige Beratungsresistenz.

Ich kann die Enttäuschung vieler Gläubiger sehr gut verstehen, zumal diese riesigen Millionenbeträge ja für einen normalen Arbeiter und Bürger kein Pappenstiel sind. Während der Normalkatholik jeden Cent dreimal umdrehen muss, steigen hier Kosten für einen Hirten in Millionenhöhe.

Das ist schwer bis gar nicht mehr vermittelbar. Da sind auch katastrophale Kommunikationsfehler gemacht worden.

Aber Designerbadewannen gehören nicht unbedingt zum bischöflichen Auftrag, die Menschen im Glauben zu stärken.

Und dennoch wird in der Öffentlichkeit ein Bild von einem Mann gezeichnet, das diesem nicht wirklich gerecht wird.

kath.net: Was meinen Sie konkret?

Lohmann: Ich denke, es ist an der Zeit, über das Verschwinden von Qualitätsjournalismus zu reden und eine zum Teil billige Krawallmentalität zu benennen.

Denn so richtig es ist, dass der Bischof viel zu spät und viel zu falsch reagiert hat und dass er sich an einigen Stellen selbst aus dem Ruder gelaufen ist, so richtig ist auch, dass er geradezu unmenschlich und menschenunwürdig zum Prügelknaben gemacht wurde, an dem man nun jedes noch so plumpe Klischee gegen die Kirche drantackern kann.

Es ist höchst unanständig und primitiv, ihn nur noch als Protz- und Prassbischof zu beschimpfen. Denn er ist auch ein kluger Professor, ein frommer Geistlicher und eine im persönlichen Gespräch gewinnende Persönlichkeit.

Neben seinem Versagen und Scheitern am Domberg gehört eben auch dies zu Franz-Peter Tebartz-van Elst.

kath.net: Sie sagen, die Medien haben da versagt?

Lohmann: Nein, nicht alle und nicht überall. Sie haben zum Teil einen sehr notwendigen Dienst geleistet. Denn wir brauchen dringend auch in solchen Vorgängen Aufklärung, nicht aber Verschleierung.

Doch gleichzeitig war und ist da vieles würdelos, doch auch Medien müssen mit Würde zu tun haben.

Obendrein haben sich manche Medien in eine Rolle reinmanövriert, die ihnen nicht zusteht.

Es ist gefährlich für eine Demokratie und deren Gesellschaft, wenn Medien alle Regeln des Anstands und der Fairness – und auch der Gewaltenteilung – faktisch missachten und erkennbar Rechercheergebnisse und persönliche Aversionen miteinander mischen. Das ist nicht gut!

Das macht mir Sorge. Eine journalistische Nebenjustiz, in der Ankläger, Staatsanwalt und Richter identisch sind, ist nicht vorgesehen.

Wir brauchen dringend eine Debatte über Journalismus und dessen Auftrag. Wir brauchen die Wiederentdeckung des unabhängigen Qualitätsjournalismus. Auch und gerade wegen unserer Freiheit.

kath.net: Sie deuteten im ARD-Presseclub an, dass es nicht nur um Geld geht beim Fall Limburg. Worum geht es denn noch?

Lohmann: Wenn es nur um Geld geht, dann würde man fragen müssen, warum die noch teureren Umbaumaßnahmen im Bistum Rottenburg-Stuttgart oder der Kauf einer römischen Gästevilla für das Erzbistum München für rund 11 Millionen Euro, wo wohl jetzt noch einmal ein hoher Millionenbetrag für die Renovierung fällig zu sein scheint, kein Thema sind.

In Limburg stellt sich schon die Frage, ob nicht auch die an Rom orientierte konservative Haltung des noch relativ jungen Bischofs einer der Triebfedern für die Kritiker war, zur passenden Zeit gegen ihn Stimmung zu machen.

Da lag wohl eine sprungbereite Attackeverliebtheit bereit, seitdem man erkannt hatte, dass dieser Bischof ein anderes Kirchenbild hat als etwa sein verklärter Vorgänger.

Spätestens, seitdem van Elst bereits im Jahr 2008 einen Pfarrer rügte und versetzte, nachdem dieser einem homosexuellen Paar gleichsam offiziell den Segen gegeben hatte, schien man auf eine Gelegenheit zur Demontage zu warten.

Übrigens: Papst Franziskus, der ja so gerne als Vorbild genommen wird in vielen Fragen, hat in einem vergleichbaren Fall den Priester sofort in den Laienstand zurückversetzt, was bekanntlich die härteste Strafe für priesterliches Fehlverhalten ist.

kath.net: Wer steckt denn hinter den ganzen Aktionen gegen den Bischof? Und: Meinen Sie, er sei noch zu halten?

Lohmann: Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Bischof van Elst nach diesem eklatanten Vertrauensverlust und der – teilweise auch durch ihn selbst – schwer beschädigten Glaubwürdigkeit weiter Bischof in Limburg sein kann.

Man weiß auch nicht, ob man ihm das wünschen sollte.

Es ist doch so: Wir erleben auf der Limburger Bühne das von den Medien live übertragene Drama „Totaldemontage eines ehemaligen Hoffnungsträgers“ mit dem Untertitel „Flurschaden für die Kirche“.

Und das besonders Dramatische ist ja, dass die Hauptfigur eine tragische Rolle geradezu perfekt spielte und spielt. Er scheint sich den Regieanweisungen naiv und treulich ergeben zu haben, und er hat viel zu spät gemerkt, wer da wirklich Regie führt. Insofern und weil er viele Dummheiten gemacht hat, kann man seine eigene Schuld nicht kleinreden.

Jedoch: Unabhängige Journalisten würden übrigens mal neugierig fragen, wer denn ein so großes Interesse in der nächsten Umgebung daran hatte und hat, dass alle Scheinwerfer ausschließlich auf den missliebigen Bischof gerichtet sind.

Wer hat ein so großes Interesse, selbst dabei im Dunklen zu bleiben? Und warum drehen wir die Scheinwerfer nicht mal rum und leuchten in den Regieraum?

kath.net: Wen könnte man da denn entdecken?

Lohmann: Na ja, vielleicht jene, die dem Bischof geraten haben, dies und das so einzurichten.

Vielleicht sein Alter Ego, den Generalvikar, der dem Bischof auf dem umstrittenen Indienflug mal locker eben so 200.000 Bonusmeilen – von wohl insgesamt zwei Millionen vorhandenen – schenken konnte.

Vielleicht jenen Vertrauten, der dem Bischof geraten hat, hierzu eine eidesstattliche Erklärung abzugeben, die ihm nun zum Verhängnis wird.

Vielleicht jenen, der dem Bischof geraten hatte, alle Journalistenanfragen diesbezüglich durch einen Anwalt beantworten zu lassen, was nicht unbedingt die Kommunikation erleichterte.

Vielleicht aber auch jenen, der sich als Ex-Polizeipräsident in den Vermögenswaltungsrat berufen und sich noch vor kurzem voller Stolz und Freude von dem Bischof den Päpstlichen Gregoriusorden umhängen ließ, den er jetzt als möglicherweise krank und betrügerisch bezeichnet.

Meint eigentlich jemand wirklich, dass die hochgeschnellten Baukosten ganz alleine dem Bischof bekannt waren?

Wieso merken Mitglieder des Vermögenverwaltungsrates von diesen Baukosten erst etwas, nachdem der Bischof schon am Boden liegt und alle auf ihn treten? Nur er, der als Bischof kein Bauexperte sein muss, hat ganz alleine alles gemacht und gewusst?

Für wie naiv hält man uns eigentlich?

kath.net: Was befürchten Sie denn jetzt im Blick auf den Schaden für die Kirche in Deutschland?

Lohmann: Noch einmal: Den Bischof kann man nicht einfach so exkulpieren. Er hat große Fehler gemacht oder zugelassen. Das geht nicht. Er hat hier die Hauptverantwortung.

Aber: Er ist es beileibe nicht alleine. Er scheint auch in einem Limburger Sumpf untergangen zu sein, der dringend trockengelegt werden sollte.

Nicht zuletzt im Sinne der Gläubigen und der Kirche insgesamt. Limburg braucht wohl genau so sehr eine Kurienreform wie der Vatikan.

Ein Koadjutor, den der Papst von außen holen könnte, mit dem Recht der Nachfolge wäre nicht schlecht. Jemand, der keine bistumsinternen Verklebungen hat.

Was wir brauchen, ist viel mehr Transparenz in der Kirche und ihren Geldströmen. Auch das gehört zur Glaubwürdigkeit, die für die eigentliche Aufgabe der Kirche unentbehrlich ist. Wir brauchen Glaubwürdigkeit, damit der Glaube würdig verbreitet und gestärkt werden kann.

kath.net: Aber der Schaden für die Kirche durch den Limburger Skandal ist groß?

Lohmann: Ja. Verursacht durch den Bischof und viele Leute aus den eigenen Reihen.

Da werden zum Teil niedere Instinkte bedient und die Gelegenheit geboten, alle möglichen Klischees im Zusammenhang mit der Kirche zu kultivieren. Leider. Das ist letztlich unverantwortlich, auch von so manchem Medienverantwortlichen.

Und für viele stellt sich jetzt noch rascher die Frage: Was ist für die Kirche in Deutschland wichtiger, Geld oder Glaube? Ich fürchte, dass das Thema Kirchensteuer nunmehr mit erhöhter Geschwindigkeit auf die Kirche zukommt.

kath.net: Die Kirchensteuer - das ist aber ein heikles Thema, was viele Verantwortliche in den Bistümern scheuen wie der Teufel das Weihwasser.

Lohmann: Ja, mag sein. Aber früher oder später kommt das Thema und lässt sich nicht mehr wegdrücken.

Und da brauchen wir dann viel Differenzierungskompetenz. Da wird es nicht helfen, einfach nur reflexartig zu erklären, was alles durch diese selbstverständlichen Finanzströme Gutes getan wurde.

Ebenso wenig wird man der Sache gerecht, wenn man plump die ersatzlose Abschaffung fordern würde.

Aber sicher ist wohl, dass jetzt mehr Bewegung in diese Fragen kommen wird. Aber das muss nicht unbedingt nur ein Schaden sein.

Entscheidend wird sein, wie ehrlich und glaubwürdig und nicht zuletzt transparent mit all dem umgegangen wird. Die Menschen, auch die in der Kirche, lassen sich nicht abspeisen mit Hinweisen auf geheime Geldtöpfe und Schatullen, die sie nichts angingen. Nicht nur für Limburg gilt: Wir brauchen viel Aufklärung und Transparenz.

kath.net: In Limburg, so heißt es, treten verhältnismäßig viele Katholiken aus der Kirche aus, wegen des Skandals um den Bischof. Macht Ihnen das Sorgen?

Lohmann: Kein Bischof auf der Welt ist und kann so wichtig sein, dass man wegen ihm aus der Kirche Jesu Christi austritt und sich von der Heilsgemeinschaft abschneiden sollte.

Es macht mir Sorge, dass offenbar einige wegen Tebartz van Elst austreten, was eine absurde Überbewertung des Bischofs an sich verrät und ein mangelndes Selbstbewusstsein einiger Laien. Jeder Bischof ist katholisch gesehen wichtig.

Aber in der Kirche ist man wegen des Gottessohnes Jesus Christus, und der hat mich jedenfalls noch nie enttäuscht. Dieser Christus ist immer glaubwürdig und immer Grund genug, bei ihm in der Kirche zu bleiben.

Martin Lohmann diskutierte im Presseclub mit - ´Wasser für den Papst, Schampus für den Bischof´ - Presseclub vom 13.10.2013


Foto (c) Martin Lohmann


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