Franziskus und die Katecheten: was der Papst wirklich gesagt hat

28. September 2013 in Aktuelles


Sich von Christus anblicken lassen, um ihn nachahmen zu können und in die Randgebiete zu gehen. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net) Am Freitag, den 27. September, empfing Papst Franziskus im Rahmen der Veranstaltungen des Jahres des Glaubens rund 1.500 Katecheten in Audienz. Dabei hielt der Papst, wie dies dem Stil „eines alten Jesuiten“ entspricht, eine in drei Punkte gegliederte Katechese: 1. von Christus neu ausgehen heißt vor allem, Vertrautheit mit ihm zu haben; 2. neu von Christus ausgehen heißt, ihn nachzuahmen und aus sich selbst herauszugehen und dem Anderen entgegenzugehen; 3. neu von Christus ausgehen heißt, keine Angst zu haben, mit ihm in die Randgebiete zu gehen.

Leider ist es zur Gewohnheit geworden, in den Medien die Worte des Papstes zu verzerren oder auf bequeme Schlagworte zu reduzieren. kath.net dokumentiert daher die Hauptteile der Katechese von Papst Franziskus im Wortlaut:

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Ich werde über drei Dinge sprechen: eins, zwei, drei, wie das die alten Jesuiten taten... eins, zwei, drei!

1. Von Christus neu ausgehen heißt vor allem, Vertrautheit mit ihm zu haben, diese Vertrautheit mit Jesus zu haben: Jesus empfiehlt dies eindringlich seinen Jüngern Beim letzten Abendmahl, als er sich aufmacht, das höchste Geschenk der Liebe zu leben, das Kreuzesopfer. Jesus benutzt das Bild vom Weinstock und den Reben und sagt: bleibt in meiner Liebe, bleibt fest an mir, wie die Rebe an den Weinstock geheftet ist. Wenn wir mit ihm vereint sind, können wir Frucht tragen, und das ist die Vertrautheit mit Christus. In Jesus bleiben! Das ist in an ihn, in ihm, mit ihm Gebundensein, im Gespräch mit ihm: in Jesus bleiben.

Das Erste ist für einen Jünger, mit dem Meister zu sein, ihm zuzuhören, von ihm zu lernen. Und das gilt immer, es ist ein Weg, der ein Leben lang dauert. Ich erinnere mich, dass ich viele Male, in der anderen Diözese, die ich vorher hatte, am Ende der Kurse im Katechetenseminar die Katecheten herauskommen sah und hörte, wie sie sagten: „Ich habe den Titel des Katecheten!“ Das nützt nichts, du hast nichts, du hast nur einen sehr kleinen Weg zurückgelegt! Wer wird dir helfen? Das gilt immer! Es geht nicht um einenTitel, es geht um eine Haltung: bei ihm sein; und das dauert ein ganzes Leben! Es ist ein Sein in Gegenwart des Herrn, sich von ihm anblicken lassen. Ich frage euch: Wie seid ihr in Gegenwart des Herrn? Wenn ihr zum Herrn geht, auf den Tabernakel schaut, was macht ihr da? Ohne Worte... Aber ich sage, ich sage, denke, meditiere, höre.... Sehr gut! Aber lässt du dich vom Herrn anblicken? Sich vom Herrn anblicken lassen. Er blickt uns an und das ist die Weise des Gebets. Du, lässt du dich vom Herrn anblicken?

Aber wie macht man das? Schau auf den Tabernakel und lass dich anblicken... das ist einfach! Das ist ein wenig langweilig, ich schlafe ein... Schlaf ruhig ein, schlaf ein! Er wird dich trotzdem anblicken, er wird dich trotzdem anblicken. Sei gewiss, dass er dich anblickt! Und das ist viel wichtiger als der Titel des Katecheten: das ist Teil des Katechetenseins. Das erwärmt das Herz, hält das Feuer der Freundschaft mit dem lebendig, es lässt dich spüren, dass er wirklich auf dich blickt, dass er dir nahe ist und dich gern hat.

Bei einer meiner Ausfahrten hier in Rom hat sich mir bei einer Messe ein relativ junger Mann genähert und sagte zu mir: „Pater, schön, Sie kennenzulernen, aber ich glaube an nichts! Ich habe nicht das Geschenk des Glaubens!“. Er verstand, dass es ein Geschenk war. „Ich habe nicht das Geschenk des Glaubens! Was sagen Sie mir?“ „Werde nicht mutlos. Er hat dich gern. Lass dich von ihm anschauen! Nichts mehr“. Und das sage ich euch: lasst euch vom Herrn anblicken!

Ich verstehe, dass das nicht einfach ist: besonders für den, der verheiratet ist und Kinder hat. Es ist schwierig, eine lange und ruhige Zeit zu finden. Aber Gott sei es gedankt, es ist nicht notwendig, dass das alle auf dieselbe Weise tun. In der Kirche gibt es eine Mannigfaltigkeit von Berufungen und eine Mannigfaltigkeit spiritueller Formen. Das Wichtige ist, die geeignete Weise zu finden, um beim Herrn zu sein. Und das geht. Das ist in jedem Lebensstand möglich. In diesem Moment kann sich einer fragen: wie lebe ich dieses „Sein-bei-Jesus“? Das ist eine Frage, die ich euch lasse: „Wie lebe ich dieses Sein-bei-Jesus, dieses In-Jesus-Bleiben?“. Habe ich Momente, in denen ich in seiner Gegenwart verbleibe, in Stille, in denen ich mich von ihm anblicken lasse? Lasse ich es zu, dass sein Feuer mein Herz erwärmt ? Wenn in unserem Herzen die Wärme Gottes, seiner Liebe, seiner Zärtlichkeit nicht da ist, wie können wir arme Sünder das Herz der anderen erwärmen? Denkt an das!

2. Das zweite Element ist dieses. Zweitens: neu von Christus ausgehen heißt, ihn nachzuahmen und aus sich selbst herauszugehen und dem Anderen entgegenzugehen. Das ist eine schöne, ein wenig paradoxe Erfahrung. Warum? Weil der, der Christus in den Mittelpunkt seines Lebens stellt, sich „de-zentriert“! Je mehr du dich mit Jesus vereinst und er der Mittelpunkt deines Lebens wird, desto mehr lässt er dich aus dir herausgehen, er de-zentriert dich und macht dich für die anderen offen. Das ist die wahre Dynamik der Liebe, das ist die Bewegung Gottes selbst! Gott ist der Mittelpunkt, aber er ist immer Selbsthingabe, Beziehung, Leben, das sich mitteilt... So werden auch wir, wenn wir mit Christus vereint bleiben, er lässt uns in diese Dynamik der Liebe eintreten. Wo wahres Leben in Christus ist, da ist Offenheit für den Anderen, da ist das Herausgehen aus sich selbst, um dem Anderen im Namen Christi entgegenzugehen. Und das ist die Arbeit des Katecheten: ständig aus sich herausgehen aus Liebe, um Jesus zu bezeugen und von Jesus zu sprechen, Jesus zu verkündigen. Das ist wichtig, weil das der Herr tut: es ist der Herr, der uns dazu drängt, hinauszugehen.

Das Herz des Katecheten lebt immer dieses Bewegung „Systole – Diastole“: Einheit mit Jesus, Begegnung mit dem anderen. Da sind die beiden Dinge; ich vereine mich mit Jesus und gehe hinaus zur Begegnung mit dem Anderen. Wenn eine dieser beiden Bewegungen nicht mehr schlägt, kann es nicht leben. Es empfängt das Geschenk des Kerygmas und bietet es seinerseits zum Geschenk. Dieses kleine Wort: Geschenk. Der Katechet ist sich bewusst, dass er ein Geschenk empfangen hat, das Geschenk des Glaubens, und er macht es den anderen zum Geschenk. Und das ist schön.

Und er behält sich nicht für sich seine Prozente ein! Alles, was er empfängt, gibt er! Das ist kein Geschäft! Das ist kein Geschäft! Das ist reines Geschenk: empfangenes Geschenk und weitergegebenes Geschenk. Und der Katechet steht dort, an dieser Kreuzung der Geschenke. So ist es im Wesen selbst des Kerygmas: es ist ein Geschenk, das Mission erzeugt, das immer weiter über sich selbst hinausdrängt. Der heilige Paulus sagte: „Die Liebe Christi drängt uns“, aber dieses „sie drängt uns“ kann man auch mit „sie besitzt uns“ übersetzen. So ist es: die Liebe zieht dich an und sendet dich aus, sie erfasst dich und sie schenkt dich den anderen. In dieser Spannung bewegt sich das Herz des Christen, besonders das Herz des Katecheten.

Fragen wir uns alle: ist es so, dass mein Herz als Katechet schlägt: Einheit mit Jesus und Begegnung mit dem Anderen? In dieser Bewegung „Systole – Diastole“? Nährt es sich an der Beziehung mit ihm, doch um ihn den anderen zu bringen, nicht um ihn zurückzuhalten? Ich sage euch etwas: ich begreife nicht, wie ein Katechet still bleiben kann, ohne diese Bewegung. Das begreife ich nicht!

3. Ein drittes Element – drei – befindet sich immer auf dieser Linie: neu von Christus ausgehen heißt, keine Angst zu haben, mit ihm in die Randgebiete zu gehen. Hier kommt mir die Geschichte des Jonas in den Sinn, eine wirklich interessante Gestalt, besonders in unseren Zeiten der Veränderungen und Ungewissheit. Jonas ist ein frommer Mann, mit einem ruhigen und geordneten Leben. Das bringt ihn dazu, seine klar abgezeichneten Schemata zu haben und alles und alle nach diesen Schemata zu beurteilen, auf strenge Weise. Für ihn ist alles klar, die Wahrheit ist so. Er ist streng! Deshalb: als der Herr ihn ruft und ihm aufträgt, nach Ninive, der großen heidnischen Stadt, zu gehen, um dort zu predigen, fühlt sich Jonas nicht imstande. Dorthin gehen! Aber ich habe doch die ganze Wahrheit hier! Er fühlt sich nicht imstande... Ninive befindet sich jenseits seiner Schemata, es ist das Randgebiet seiner Welt. Und so flieht er, er geht nach Spanien, er haut ab, er schifft sich auf einem Schiff ein, dass zu dieser Gegend unterwegs ist. Geht und lest wieder das Buch Jonas! Es ist kurz, doch es ist ein sehr lehrreiches Gleichnis, besonders für uns, die wir in der Kirche sind.

Was lehrt es uns? Es lehrt uns, keine Angst zu haben, aus unseren Schemata herauszugehen, um Gott nachzufolgen, denn Gott geht immer darüber hinaus. Aber wisst ihr was? Gott hat keine Angst. Wusstet ihr das? Er hat keine Angst! Er ist immer jenseits unserer Schemata. Gott hat keine Angst vor den Randgebieten. Doch wenn ihr in die Randgebiete geht, werdet ihr ihn dort finden. Gott ist immer treu, er ist kreativ.

Aber bitte, ein Katechet, der nicht kreativ ist, ist nicht zu verstehen. Und die Kreativität ist wie die Säule des Katechetenseins. Gott ist kreativ, er ist nicht verschlossen, und deshalb ist er nie rigide. Gott ist nicht rigide, nicht streng! Er nimmt uns an, er kommt uns entgegen, er versteht uns. Um Gläubige zu sein, um kreativ zu sein, muss man es verstehen, sich zu ändern. Es verstehen, sich zu ändern! Und Warum muss ich mich ändern? Um mich den Umständen anzupassen, in denen ich das Evangelium verkündigen soll. Um mit Gott zu bleiben, muss man aus sich herausgehen, darf man keine Angst haben, hinauszugehen. Wenn sich ein Katechet von der Angst ergreifen lässt, ist er ein Feigling. Wenn ein Katechet ruhig bleibt, endet er dabei, eine Statue wie im Museum zu sein: und wir haben viele davon! Wir haben viele! Bitte, keine Statuen wie im Museum! Wenn ein Katechet rigide ist, wird er verknöchert und steril!

Ich frage euch: will jemand von euch ein Feigling, eine Statue wie im Museum oder steril sein? Will jemand das? (die Katecheten rufen: „Nein!“) Nein? Sicher? Dann ist es gut.

Was ich jetzt sage, habe ich schon oftmals gesagt, aber es kommt mir aus dem Herzen, es zu sagen. Wenn wir Christen in unserer Gruppe, in unserer Bewegung, in unserer Pfarrei, in unserem Umfeld eingeschlossen bleiben, so bleiben wir verschlossen und es geschieht uns, was all dem geschieht, das eingeschlossen bleibt. Wenn ein Zimmer verschlossen bleibt, dann beginnt der Geruch der Feuchtigkeit. Und wenn eine Person in jenem Zimmer eingeschlossen ist, wird sie krank! Wenn ein Christ in seiner Gruppe verschlossen ist, in seiner Pfarrei, in seiner Bewegung, dann ist er eingeschlossen, er wird krank.

Wenn ein Christ auf die Straßen hinausgeht, in die Randgebiete, kann ihm das geschehen, was jemandem passieren kann, der auf der Straße geht: ein Unfall. Oft haben wir Straßenunfälle gesehen. Doch ich sage euch: ich ziehe tausendmal eine Kirche vor, die einen Unfall hat, als eine Kirche, die krank ist! Eine Kirche, ein Katechet, der den Mut hat, ein Risiko einzugehen, um hinauszugehen, und nicht einen Katecheten, der studiert, alles weiß, aber immer verschlossen ist: dieser ist krank. Und manchmal ist er im Kopf krank...

Doch aufgepasst! Jesus sagt nicht: geht hin, schaut zu, wie ihr zurecht kommt. Nein, das sagt er nicht! Jesus sagt: geht, ich bin bei euch! Das ist unsere Schönheit und unsere Kraft: wenn wir gehen, wenn wir hinausgehen, um das Evangelium mit Liebe zu bringen, mit wahrem apostolischen Geist, mit Überzeugungskraft, dann geht er mit uns, er geht uns voraus – ich sage es auf Spanisch: er „primera“ uns. Der Herr „primera“ uns immer! Mittlerweile habt ihr den Sinn dieses Wortes verstanden, und das sagt uns die Bibel, das sage nicht ich. Die Bibel sagt, der Herr sagt in der Bibel: Ich bin wie eine Mandelblüte. Warum? Weil sie die erste Blüte ist, die im Frühjahr aufgeht. Er ist immer „primero“! Er ist der Erste! Das ist grundlegend für uns: Gott geht uns immer voraus! Wenn wir denken, weit weg zu gehen, in eine extreme Peripherie, und wir vielleicht ein wenig Angst haben, so ist er in Wirklichkeit schon da: Jesus erwartet uns im Herzen jenes Bruders, in seinem verletzten Fleisch, in seinem unterdrückten Leben, in seinem Herzen ohne Glauben.

Wisst ihr, eines der Randgebiete, das mich so schmerzt – das habe ich in der Diözese gesehen, die ich früher hatte. Es ist das Randgebiet der Kinder, die das Kreuzzeichen nicht mehr machen können. In Buenos Aires gibt es viele Kinder, die nicht mehr das Kreuzzeichen machen können. Das ist ein Randgebiet! Da muss man hingehen! Und Jesus ist schon dort, er erwartet dich, um jenem Kind zu helfen, sich bekreuzigen zu können. Er geht uns immer voran.

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Das Video der Begegnung



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