Kirchengeschichte: Wie viel Gutes hat das Christentum hervorgebracht?

26. August 2013 in Chronik


Christliche Wurzeln: Vom Sozialstaat bis zur partnerschaftlichen Ehe


Freiburg/Münster (kath.net/idea) Der christliche Glaube hat viel Gutes hervorgebracht, von dem die westliche Gesellschaft und Kultur bis heute zehren. Dazu zählen unter anderem der Sozialstaat, das Prinzip Verantwortung, die Menschenwürde, die partnerschaftliche Ehe, der Kinderschutz und die Religionsfreiheit. Darauf weist der Kirchenhistoriker Prof. Arnold Angenendt (Münster) in der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“ (Freiburg) hin. Er hat dazu die Werke führender Geschichtswissenschaftler unter die Lupe genommen.

So habe sich in der Antike weder in Griechenland noch in Rom eine allgemeine Armen-Fürsorge herausgebildet, wohl aber in der frühen Christenheit. Die jüdische Pflicht der Almosen gelange in die alte Kirche, die mit Hospitälern, Hospiz- und Armenhäusern die organisierte Wohltätigkeit erfunden habe. Ferner habe nach Ansicht des Soziologen Max Weber (1864-1920) erst das „calvinistisch-protestantische Ethos“ einen Menschentyp hervorgebracht, „der sich strikt dem Gemeinwohl verpflichtet weiß und gefeit ist gegen alle Korruption“. Diese gelte nach der Atombombe heute als größte Gefahr, so Angenendt.

Verantwortung vor der Schöpfung

Für die Zukunft der Menschheit sei auch die persönliche Verantwortung entscheidend. Die ehemals religiöse Bedeutung, Gott im Jüngsten Gericht für das eigene Leben Rede und Antwort zu stehen, habe sich zu einem säkular verstandenen politischen Schlüsselbegriff gewandelt.

Heute verstünden sich die Menschen als verantwortlich etwa vor der Geschichte oder vor der Schöpfung. Für eine solche Treuhänderrolle habe keine frühere Ethik außerhalb der Religion die Menschen vorbereitet, schreibe der Philosoph Hans Jonas (1903-1993) in seinem Werk „Prinzip Verantwortung“.

Gleichberechtigung in der Ehe

Die Menschenwürde basiere auf der biblischen Vorstellung, dass Gott den Menschen „als sein Abbild“ erschaffen habe. Zudem ist laut Angenendt die partnerschaftliche Beziehung von Mann und Frau in der Ehe auf das Christentum zurückzuführen. Beide hätten der Ehe zuzustimmen.

Angenendt: „Wie wenig selbstverständlich dieser Konsens ist, zeigt der Blick auf Japan, China, Indien, die islamische Welt und große Teile Afrikas, wo weiterhin mindestens die Töchter von den Eltern verheiratet werden.“

Kinder nicht schänden und abtreiben

Ähnliches gelte für den Schutz der Kinder. Bereits im ersten nachchristlichen Jahrhundert gebiete die „Zwölf-Apostel-Lehre“: keinen Knaben schänden, ein ungeborenes Kind nicht abtreiben und das geborene nicht töten.

Von diesem Ansatz könne man eine Linie zu den modernen Kinderschutzerklärungen ziehen. Umso beschämender seien die Fälle sexuellen Missbrauchs in christlichen Einrichtungen heute.

Religionsfreiheit basiert auf Gleichnis

Auch die Aufhebung der Sklaverei sei aus dem Christentum hervorgegangen, allerdings nicht aus den Großkirchen, so Angenendt. Er erinnert daran, dass die katholische Kirche in Südamerika selbst Sklaven gehalten habe. Eines der „heißesten Eisen“ für Christen seien die Hinrichtungen von Ketzern und Hexen. Hier habe das Christentum im Laufe seiner Geschichte selber gravierend gegen die neutestamentlichen Vorgaben verstoßen. Thomas von Aquin (1225-1274) und Martin Luther (1483-1546) hätten Ketzer-Hinrichtungen gebilligt.

Maßgeblich für den Umgang mit „Gottesfrevlern“ sei das Gleichnis vom Weizen und vom Unkraut. Darin gebiete Jesus, beides zusammen wachsen zu lassen und das Urteil Gott zu überlassen. Hier sei die Grundlage für Toleranz und Religionsfreiheit gelegt.

Das Verlassen des Glaubens werde nicht – wie in anderen Religionen – mit dem Tode bestraft. Im Wissen um dieses Gleichnis habe die Aufklärung die Religionsfreiheit erkämpft.


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