EKD-Ratsvorsitzender: Familienpapier kein Kniefall vor dem Zeitgeist

26. August 2013 in Deutschland


Schneider: Wir wollen uns auf der Höhe der Zeit dem Heiligen Geist öffnen - Ehe für Homosexuelle: „Da wäre ich zurückhaltend“. Die Ehe und die eingetragene Lebenspartnerschaft seien „traditionell unterschiedliche Dinge“.


Berlin (kath.net/idea) Der EKD-Ratsvorsitzende, Nikolaus Schneider (Foto), hat den Vorwurf zurückgewiesen, dass das umstrittene EKD-Familienpapier ein Kniefall vor dem Zeitgeist sei. Die „Orientierungshilfe“ rückt von der traditionellen Ehe als alleiniger Norm ab und vertritt ein erweitertes Familienbild, das etwa auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und sogenannte „Flickenteppich-Familien“ einschließt. Laut Schneider versucht die evangelische Kirche, sich „auf der Höhe unserer Zeit dem Wirken des Heiligen Geistes zu öffnen, denn er ist der ‚rechte Zeitgeist‘,“ wie es der Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) formuliere, sagte Schneider in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“. Das Familienpapier ist auf breite Kritik gestoßen, etwa bei zahlreichen Theologieprofessoren, mehreren Landesbischöfen und vor allem theologisch konservativen Vereinigungen. Auch hochrangige Vertreter der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche lehnen die „Orientierungshilfe“ ab. Dazu sagte Schneider: „Es war klar, dass das Papier zu Diskussionen führen würde. Aber dass sie zum Teil so heftig und unsachlich geführt werden, habe ich nicht erwartet.“

Das Leitbild Ehe soll bleiben

Der Rat der EKD sei sich „völlig einig“ gewesen, dass man die neuen Lebensformen „in unsere Theologie und Seelsorge mit einzubeziehen“ müsse. Das Leitbild Ehe solle aber bleiben: „Die Institution soll ja nicht abgewertet werden und das Zusammenleben in der ‚Normalfamilie‘ ebenso wenig.“ Dieses Bemühen sei offenbar nicht genug erkannt oder geringgeschätzt worden. Die substanziellen Werte der Institution Ehe würden „sogar“ auf andere Formen des Zusammenlebens angewandt.

Schneider räumt zugleich ein: „Möglicherweise aber hätten wir Ansatz und die Zielrichtung des Papiers ausführlicher erläutern sollen.“ Nach seiner Einschätzung gefährdet das Dokument die Zusammenarbeit der Konfessionen nicht: „Die Ökumene ist stark genug, das Papier und manch andere Differenz in Fragen der Sozialethik auszuhalten.“ Kritik sei willkommen, wenn sie „im Geist einer geschwisterlichen Ökumene“ formuliert sei.

Ehe für Homosexuelle: „Da wäre ich zurückhaltend“

Zur Frage, ob die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare der Trauung von Mann und Frau gleichgesetzt werden soll – wie es jetzt die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau praktiziert – sagte Schneider: „Ich wäre da zurückhaltend.“ Die Ehe und die eingetragene Lebenspartnerschaft seien „traditionell unterschiedliche Dinge“. Traditionen solle man nicht vorschnell über Bord werfen.

Schneider plädiert zwar dafür, alle Diskriminierungen zu beseitigen: „Aber ich sehe keinen Sinn darin, alle unterschiedlichen und unterscheidenden Begrifflichkeiten einzuebnen“. Außerdem habe die Weitergabe des Lebens in einer Ehe „doch ein anderes Gewicht als in eingetragenen Lebenspartnerschaften“. Der Ratsvorsitzende bejahte die Frage, ob Homosexuelle zum Schöpfungsplan gehören. Er sehe die Homosexualität „als Ausdruck der Liebe zwischen zwei Partnern“. Denn Sexualität diene nicht nur der Zeugung von Kindern, sondern auch dazu, Liebe auszudrücken und sich gegenseitig Lust zu schenken. Die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Liebe – auch in dem Familienpapier – geschehe unter der Voraussetzung, „dass es Menschen gibt, die sexuell nur vom eigenen Geschlecht angezogen werden und mit ihrem Partner eine vertrauensvolle und verlässliche Beziehung leben“. Homosexualität sei keine Krankheit: „Um es fromm zu sagen: Der liebe Gott hat wenige Menschen so gemacht.“

Foto Nikolaus Schneider (c) Evangelische Kirche in Deutschland


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