Prozess um Körperschaftsaustritt doch vom Erzbistum Freiburg verloren

19. August 2013 in Kommentar


Medienpannen begleiteten das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Ein Gastkommentar von Kirchenrechtler Hartmut Zapp


Freiburg (kath.net) Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. September 2012 (6 C 7.12) ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg in Kraft, vor dem das Erzbistum Freiburg mit seiner Klage gescheitert war. Dieses Gericht hatte in seinem Urteil vom 15.7.2009 (2 K 1746/08) festgestellt:

„Die auf die formularmäßige Frage nach der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgemeinschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft erfolgte Angabe ‚römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechtes‘ enthält keinen Zusatz und keine Bedingung im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 2 KiStG“ (VG-Urteil, Leitsatz). „Die Klage wird abgewiesen“ (VG-Urteil, Tenor).

Die Erklärung des Austritts aus der „römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ benannten Religionsgemeinschaft war rechtswirksam erfolgt:

„Auf die Revision des Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. Mai 2010 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 15. Juli 2009 wird zurückgewiesen“ (BVerwG-Urteil S. 2; zur Vorgeschichte vgl. Urteil Nr. 1-8).

„Die Revision des Beigeladenen ist begründet<…>Wird entsprechend der bundesrechtlichen Vorgaben nur der protokollierte Wortlaut der Erklärung berücksichtigt, ist die Erklärung des Beigeladenen über den Austritt aus seiner Religionsgemeinschaft nicht mit einem Zusatz im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 des Gesetzes<…>versehen und die hierüber erteilte Bescheinigung rechtmäßig. Der Verwaltungsgerichtshof hätte sie nicht aufheben dürfen, sondern die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückweisen müssen“ (Urteil Nr.12).

Zu Kläger und Klage teilt das Bundesverwaltungsgericht mit:

„Der Kläger, das Erzbistum Freiburg, wendet sich gegen eine Bescheinigung, die das Standesamt der beklagten Stadt Staufen dem Beigeladenen über den Austritt aus der Kirche erteilt hat“ (Urteil Nr.1).

Die kurz nach Ende der Verhandlung vor dem Sitzungssaal Interessierten zugänglich gemachte Pressemitteilung „Nr.91/2012 BVerwG 6 C 7.12, 26.09.2012“ wiederholte inhaltlich das vorstehend genannte Zitat des Gerichts aus dem BVerwG-Urteil S. 2:

„Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Beigeladenen das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts wiederhergestellt“ (Pressemitteilung, Abs. 2, letzter Satz).

Noch am 26. September 2012 war eine auffallende Medien-Panne zu beobachten, durch die schon bald nach Verkünden des Urteils auf Grund unkorrekter Berichte der Eindruck vermittelt wurde, der Beigeladene sei „gescheitert“. Einer der Gründe kann darin gesehen werden, dass der Wortlaut des Urteils erst später (im Internet) bekannt gegeben werden konnte. Allerdings hätten durch die kurz nach Ende der Verhandlung veröffentlichte Pressemitteilung des Gerichts Fehlinformationen vermieden werden können. Vermutlich waren komplexer Hintergrund und Vorgeschichte der Verhandlung mit ihren Implikationen nicht genügend bekannt, sodass Nachrichtendienste vor Ort nicht adäquat über das Urteil berichten konnten. Das erklärte Ziel von Presse-Agenturen und Medien, „unabhängig, zuverlässig und aktuell“ zu sein, wurde bezüglich der Zuverlässigkeit weithin nicht erreicht. Umso größere Anerkennung ist jenen Journalistinnen und Journalisten auszusprechen, welche die Pressemitteilung des Gerichts aufmerksam lasen, daher über das Urteil korrekt zu informieren vermochten.

Ebenfalls am Tag der Urteilsverkündung, an dem Nachrichtendienste und in deren Gefolge Medien falsche Informationen verbreiteten, wurden Fehlmeldungen entdeckt und widerlegt:

„26.9.12. Ein schönes Beispiel für mediale Falschberichterstattung:
‚Man konnte heute u.a bei SPON und der Süddeutschen lesen, dass der Kirchensteuerrebell Hartmut Zapp mit einer Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert sei. Wenn man dann die Pressemitteilung des BVerwG liest, staunt man nicht schlecht, denn das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Beigeladenen, also des besagten Hartmut Zapp, das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts wiederhergestellt. Das heißt, die Revision des Kirchensteuerrebells Zapp war erfolgreich, das Bistum hat den Prozess verloren: In gänzlichem Widerspruch zur tatsächlichen Entscheidung des BVerwG schreibt die SZ: ‚Der Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp scheiterte mit seiner Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht‘ und Spiegel-Online titelt ‚Kirchensteuer-Rebell scheitert mit Klage‘.

Das Bundesverwaltungsgericht hat also exakt das Gegenteil dessen entschieden, was SZ und SPON behaupten<….>Ein interessantes Beispiel einer Falschberichterstattung durch anerkannte Qualitätsmedien“.

„Update vom 27.09.2012
Die SZ hat ihren Text zwischenzeitlich korrigiert und umformuliert. Bei SPON steht immer noch, dass der Kirchensteuerrebell mit seiner Klage gescheitert sei, obwohl er nicht einmal eine Klage erhoben hatte, sondern nur Beigeladener des Verfahrens war“
(Thomas Stadler, INTERNET-LAW, ONLINERECHT UND BÜRGERRECHTE 2.0, Haydstr. 2, 85354 Freising - TS @CPlUS.DE); vgl. kath.net vom 28.9.2013: „Jurist: Erzbistum Freiburg hat Prozess verloren!“. Vgl. auch: www.internet-law.de

In der Stuttgarter Zeitung Nr. 228, S. 32 vom 1. Oktober 2012 schrieb Dr. Michael Trauthig unter der Überschrift „Der Gewinner steht als Verlierer da“:

„Kirchensteuer. Ein Professor hat vor Gericht gewonnen. Das merkt fast keiner:

‚Verwaltungsgericht weist Klage zurück‘ schreibt die ‚Frankfurter Rundschau‘, ‚Freiburger Rebell scheitert mit Klage‘, heißt es in der ‚Welt‘. Und wer sich am Mittwoch nur via Funk über den Fall des Kirchensteuerkritikers Hartmut Zapp informierte, bekam ohnehin den Eindruck, der Mann habe vor dem Bundesverwaltungsgericht eine krachende Niederlage erlitten. Doch der Anschein trügt. Das zeigt nicht nur die Reaktion von Hartmut Zapp: ‚Über die Entscheidung freue ich mich.‘ Auch für Kirchenrechtler Georg Bier [steht fest]: ‚Im Blick auf die zu beantwortende Frage hat Zapp seinen Prozess gewonnen‘, stellte der Professor am Donnerstag im Radio klar<…>Für den Staat sei die Frage, ob die Mitgliedschaft innerkirchlich fortbesteht, ‚uninteressant‘, sagte [der Vorsitzende Richter] Werner Neumann. Es bleibe jedem Gläubigen unbenommen, sich weiterhin der Religionsgemeinschaft verbunden zu fühlen. Der Staat trenne nicht zwischen der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts - für die er die Steuern erhebt - und der geistlichen Gemeinschaft. Der Staat könne der Kirche die Auseinandersetzung, ob beides zusammengehöre, nicht ersparen.

Genau diese Auseinandersetzung möchte der Freiburger Zapp vorantreiben, und dagegen hat sich mit rechtlichen Mitteln das Erzbistum Freiburg gewehrt, das nun in Leipzig unterlegen ist<…>Für die Berücksichtigung solcher Umstände bekamen die Mannheimer aus Leipzig nun einen Rüffel. Für den Staat habe nur die formalisierte Erklärung auf dem Standesamt Bedeutung. Alles andere bleibe außen vor. Die Richter wiesen auch die Auffassung der Kirche zurück, dass der Vermerk ‚Körperschaft des öffentlichen Rechts‘ ein unzulässiger Zusatz sei. Vielmehr sei dies nur ein Teil der Bezeichnung für die Religionsgemeinschaft“.

Obwohl entscheidende Passagen des Urteils zum Teil wörtlich der Pressemitteilung zu entnehmen sind, dürften Fehlmeldungen und Missverständnisse auf die Pressemitteilung (Nr. 91/2012 BVerwG 6 C 7.12 26.09.2012) selbst zurückzuführen sein, zumal wenn die Mitteilung in ihrem ersten Absatz nur den Leitsatz (Urteil nach S.20) enthält, entnommen dem ersten Teil von Nr. 12 des Urteils, zu dessen korrektem Verständnis auch die Wiedergabe des zweiten Teiles erforderlich ist:

„Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar zu Recht<…> hergeleitet, wer aufgrund staatlicher Vorschriften aus einer Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten wolle, dürfe [Leitsatz: will, darf] seine Erklärung nicht auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts unter Verbleib in der Religionsgemeinschaft als Glaubensgemeinschaft beschränken“ (Urteil Nr. 12, erster Teil).

Nicht berücksichtigt in der Pressemitteilung sind die sich unmittelbar anschließenden Ausführungen des Gerichts:

„Er [der Verwaltungsgerichtshof] hat aber unter Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 GG angenommen, ob der Austrittserklärung ein hierauf gerichteter Zusatz beigefügt sei, sei über den Wortlaut der Erklärung hinaus auch anhand der sie begleitenden Umstände zu ermitteln. Wird entsprechend der bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben nur der protokollierte Wortlaut der Erklärung berücksichtigt, ist die Erklärung des Beigeladenen über den Austritt aus seiner Religionsgemeinschaft nicht mit einem Zusatz im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (Kirchensteuergesetz - KiStG) in der Fassung vom 15. Juni 1978 (GBl S. 370) versehen und die hierüber erteilte Bescheinigung rechtmäßig. Der Verwaltungsgerichtshof hätte sie nicht aufheben dürfen, sondern die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückweisen müssen“! (Urteil Nr. 12, zweiter Teil).

Diese Zurückweisung übernahm das Bundesverwaltungsgericht selbst am 26. September 2012 mit der Wiederherstellung des die Klage des Erzbistums Freiburg abweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts (vgl. die obigen Zitate aus dem BVerwG-Urteil S. 2 und der Pressemitteilung, zweiter Absatz, letzter Satz).

Nicht verschont von der Medien-Panne blieb auch das „Konradsblatt“, die Wochenzeitung für das Erzbistum Freiburg. In der Ausgabe des Jg. 96 (2012) Nr. 52-53 S. 8 behauptete Michael Winter: „Erzbistum gewann Rechtsstreit gegen Hartmut Zapp“. Es ist anerkennend hervorzuheben, dass die Hauptredaktion nach einem Hinweis auf § 11 des Landespressegesetzes Baden-Württemberg („Gegendarstellungsanspruch“) in der Fassung vom 4. Februar 2003 (GBl. S.108) zur Korrektur der Falschinformationen bereit war:

„Gegendarstellung

In der Ausgabe Nr. 52-53 (2012) veröffentlichte das Konradsblatt einen Jahresrückblick über Ereignisse des vergangenen Jahres (Überschrift: ‚Mannheim, Wehrle, Dialog‘, Autor: Michael Winter). Zu diesem Artikel erreichte die Redaktion eine Gegendarstellung des emeritierten Freiburger Kirchenrechtlers Hartmut Zapp. Die Redaktion ist gehalten, diesen Text unter bestimmten Bedingungen zu veröffentlichen:

‚In dem genannten Artikel wird behauptet, das Erzbistum Freiburg habe den Rechtsstreit gegen Hartmut Zapp gewonnen, an anderer Stelle: Hartmut Zapp habe sich ‚am Ende<…>nicht durchsetzen‘ können. Beides ist falsch. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Wirksamkeit des von Hartmut Zapp erklärten formalisierten Austritts aus der römisch-katholischen Kirche, Körperschaft des öffentlichen Rechts, vollumfänglich bestätigt‘.“ (Konradsblatt Jg 97 (2013) Nr.16 S. 6).

Weder theologisch noch kirchenrechtlich gibt es auf Grund der Lehre vom „Prägemal“ (can. 845 § 1 des Codex des kanonischen Rechtes von 1983) bzw. vom „untilgbare(n) Prägemal“ (can. 849) einen „Austritt aus der Kirche“. Zur Verdeutlichung dieses Sachverhalts empfiehlt sich daher „Körperschaftsaustritt“ als korrekte Bezeichnung, aus der die ausschließliche Zuordnung zum staatlichen Rechtsbereich unübersehbar wird.

Der vom Staat verliehene religionsrechtliche Status der Körperschaft des öffentlichen Rechtes eigener Art (sui iuris) ist keine selbständige Religionsgemeinschaft, aus der ein „Austritt“ möglich wäre, sondern haftet als eine Art Privilegsbezeichnung an den auf diese Weise hervorgehobenen Gemeinschaften. Den Körperschafts-Status gibt es nur in Verbindung mit einer konkreten Religionsgesellschaft, auf die - gleichsam als Trägerin - dieser Status angewiesen ist.

Entsprechend gibt es kein Verlassen der Körperschaft des öffentlichen Rechtes ohne die vorherige Aufgabe der Zugehörigkeit zur jeweiligen Religionsgemeinschaft. Die rechtswirksame Austrittserklärung vor einer staatlichen Behörde hebt die Mitgliedschaft in der jeweiligen Religionsgesellschaft auf. Mit deren Beendigung kommt zugleich die Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechtes zum Erliegen.

Um das Erlöschen seiner Mitgliedschaft in der grundgesetzkonform benannten deutschbischöflich-katholischen Körperschaftskirche ging es dem Beigeladenen. Er hat sein Ziel erreicht.

Die Überschrift zur Pressemitteilung betont mit ihrem ersten Begriff, „staatskirchenrechtlich“, den Körperschaftsaustritt als Bestandteil des für das Verhältnis von staatlichem und religionsrechtlichem Bereich in Deutschland charakteristischen Duals:

„Staatskirchenrechtlich kein isolierter Austritt aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts“.

Der Aussagespitze „staatskirchenrechtlich“ der Pressemitteilung stehen im Urteil die Begriffe „religionsgemeinschaftlich“ und vor allem „innergemeinschaftlich“ (achtzehnmal) gegenüber; je nach innergemeinschaftlicher Rechtsordnung entstehen verschiedene Rechtsfolgen.

Sorgfältig unterscheidet das Bundesverwaltungsgericht zwischen „staatskirchenrechtlichem“ und „innergemeinschaftlichem“ bzw. „religionsgemeinschaftlichem“ Bereich:

„Der auf Grund staatlichen Gesetzes erklärte Kirchenaustritt hat zwar nach dem insoweit allein maßgeblichen staatlichen Recht (hier § 26 Abs. 1 KiStG Baden-Württemberg) lediglich die Folge, mit Wirkung für den Bereich des staatlichen Rechts die staatlich durchsetzbaren Konsequenzen der Mitgliedschaft entfallen zu lassen. Welche Folgerungen aus einer Austrittserklärung vor einer staatlichen Behörde für den innergemeinschaftlichen Bereich zu ziehen sind, regelt indes allein das religionsgemeinschaftliche Recht“ (Urteil Nr. 26).

Unter Hinweis auf eine Entscheidung von 1979 betont das Gericht:
„Die Schwierigkeiten, die für die Religionsgemeinschaft damit möglicherweise verbunden sind, kann der Staat wegen des Verbots der Einmischung in innergemeinschaftliche Angelegenheiten nicht verhindern, indem er einer nach staatlichem Recht eindeutigen Erklärung bereits die Wirkungen für den staatlichen Bereich bestreitet und dadurch der Religionsgemeinschaft die Möglichkeit nimmt und die Notwendigkeit erspart, über die innergemeinschaftlichen Wirkungen selbst in der nach ihren Vorstellungen angemessenen Weise zu befinden oder notfalls neues innergemeinschaftliches Recht zu schaffen (Urteil vom 23. Februar 1979…)“ (Urteil Nr. 34)

Für den staatskirchenrechtlichen Bereich tritt als „bürgerliche Wirkung“ das Ende der Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft ein, das seinerseits die Beendigung der Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechtes zur Folge hat. Dadurch brauchen die Gläubigen keine Kirchensteuer mehr zu entrichten. Sie können vielmehr gemäß dem letzten der fünf „Gebote der Kirche“ selbst entscheiden, wie und wofür sie „im Rahmen der eigenen Möglichkeiten der Kirche in ihren materiellen Erfordernissen beistehen“ (Katechismus der Katholischen Kirche. Kompendium, München 2005, Nr. 432)

Für den innerkirchenrechtlichen Bereich ist nach dem „Selbstverständnis“ der katholischen Weltkirche ein „isolierter Austritt“ aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne weiteres möglich. Der Beigeladene hat den Beweis erbracht.

Innergemeinschaftlichem Recht der katholischen Kirche gemäß zeitigt das Erlöschen der Mitgliedschaft in der Körperschaft keinerlei Folgen für die Gemeinschaft der katholischen Gläubigen mit ihrer Kirche. Der Körperschaftsaustritt separiert und isoliert die Mitgliedschaft in der staatlicherseits verliehenen Körperschaft von der unverlierbaren Gliedschaft in der einen katholischen Weltkirche.

„Ob es eine Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts gibt, die von der Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft als Glaubensgemeinschaft zu trennen ist und die deshalb isoliert aufgegeben werden könnte, beantwortet sich nach dem theologischen Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft und ihrem darauf aufgebauten innergemeinschaftlichen Recht<…>Die Mitgliedschaft in der Glaubens-gemeinschaft, bei den christlichen Kirchen begründet durch die Taufe, vermittelt eine Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Es gibt keine Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft“ (Urteil Nr. 27).

Die sich unmittelbar daran anschließende, für das Urteil entscheidende Folgerung des Gerichts wurde in ihrer Bedeutung weithin nicht realisiert:

„Lediglich umgekehrt kann es eine Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft geben, ohne zugleich Mitglied in der Körperschaft des öffentlichen Rechts sein zu müssen, nämlich wenn nach dem theologischen Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft eine Unterscheidung von Glaubensgemeinschaft und Körperschaft des öffentlichen Rechts möglich ist“ (Urteil Nr. 27)

Genau dies trifft für die katholische Glaubensgemeinschaft zu. Nach ihrem theologischen wie rechtlichen Selbstverständnis ist der Unterschied zwischen der unverlierbaren Gliedschaft in der römisch-katholischen Rituskirche - damit auch in der katholischen Weltkirche - und der Mitgliedschaft in einer historisch zufälligen staatlichen Rechtsfigur eminent.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest:

„Wenn nur der Wortlaut der Erklärung des Beigeladenen berücksichtigt wird, besteht kein Zweifel, dass er [s]einen Austritt aus der römisch-katholischen Kirche erklärt und sich auf diese Erklärung beschränkt hat<…>Nach ihrem formalen Gehalt entspricht die Erklärung danach den Anforderungen, die sich aus Bundesverfassungsrecht für einen wirksamen Austritt aus einer Religionsgemeinschaft ergeben<…>Gemeinsam mit der Überschrift ‚Rechtliche Zugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft‘ bezieht sich die Angabe ‚römisch-katholisch‘ auf die Religionsgemeinschaft der römisch-katholischen Kirche, die in Deutschland nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 1 WRV als (altkorporierte) Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist.

Die Worte ‚Körperschaft des öffentlichen Rechts‘ in der Erklärung des Beigeladenen sind danach ein zwar nicht notwendiger, aber auch nicht schädlicher Teil der Bezeichnung für die Religionsgemeinschaft, aus der der Beigeladene austreten wollte.

Die Erklärung bezieht sich nicht auf eine von der Glaubensgemeinschaft getrennte Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern auf die Glaubensgemeinschaft der römisch-katholischen Kirche in der Form, wie sie im Geltungsbereich des Kirchensteuergesetzes besteht“ (Urteil Nr. 47; nahezu wörtlich daraus wiederholt sind die letzten drei Sätze des letzten Absatzes der Pressemitteilung).

Diese Rechtsauffassung betont denselben Sachverhalt wie die kirchenrechtlich akzentuierte, den Bereich der Deutschen Bischofskonferenz charakterisierende Bezeichnung „deutschbischöflich-katholische Körperschaftskirche“. Der Körperschaftsstatus stellt das Unterscheidungskriterium der Körperschaftskirche gegenüber sowohl der römisch-katholischen Rituskirche als auch der katholischen Weltkirche dar. Keine der beiden verfügt über diesen Status nach dem deutschen Grundgesetz, so dass sich der Begriff der religionsrechtlichen „Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ als zur Identifizierung der Körperschaftskirche unerlässlich erweist.

Der Körperschaftsaustritt, die - im Interesse der Rechtssicherheit in einem „formalisierten Verfahren“ - eindeutig erklärte Willenskundgabe, die Religionsgemeinschaft zu verlassen, hat keinen Einfluss auf die unverlierbare Gliedschaft in der katholischen Weltkirche. Da er das dreifache Band der vollen Kirchengemeinschaft (can. 205 CIC) nicht beeinträchtigt, kann die Deutsche Bischofskonferenz die Spendung von Sakramenten, insbesondere der Eucharistie, nicht verweigern.

In der innerkirchenrechtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Apostolischen Stuhl und der deutschbischöflich-katholischen Körperschaftskirche ist im „Allgemeine(n) Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt“ vom 17. September 2012 nicht mehr von Exkommunikation die Rede; die Bischöfe mussten ihre Androhung der „Tatstrafe der Exkommunikation“ von 2006 nach nicht näher bekannten Verhandlungen zurücknehmen.

Erneut wird in dem „Strafdekret“ jedoch die angesichts der viele Sachverhalte umfassenden Bedeutungsmöglichkeit ungeheuerliche Aussage wiederholt:

„Wer vor der zuständigen zivilen Behörde aus welchen Gründen auch immer seinen Kirchenaustritt erklärt [!], verstößt damit gegen die Pflicht, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren“ (Nr. I, Abs. 2)<…>Die Erklärung des Kirchenaustritts zieht folgende Rechtsfolgen nach sich: Die aus der Kirche ausgetretene Person darf die Sakramente der Buße, Eucharistie, Firmung und Krankensalbung - außer in Todesgefahr - nicht empfangen“ (Nr. II, 1.; vgl. z.B. Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg Nr. 24 vom 20. September 2012, 343. Zu fundierter Kritik vgl. Beiträge in: Der Kirchenaustritt. Rechtliches Problem und pastorale Herausforderung. Hrsg. von Georg Bier, Freiburg 2013, insbesondere Georg Bier, Wer nicht zahlt, der glaubt auch nicht? 157-169; Norbert Lüdecke, Dienst oder Bärendienst? 171-187).

Um den Körperschaftsaustritt als Straftatbestand werten zu können, gelten als Interpretationskriterien nach wie vor, dass er „nicht nur rechtlich-administrativen Charakter hat (das Verlassen der Kirche im meldeamtlichen Sinn mit den entsprechenden zivilrechtlichen Konsequenzen), sondern dass er sich als wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen des Lebens der Kirche darstellt: Er setzt also einen Akt der Apostasie, Häresie oder des Schisma voraus“ (Normen des päpstlichen Rates für Gesetzestexte vom 13. März 2006, Nr. 2.).

Wurde die Strafe der Exkommunikation oder des Interdikts weder verhängt noch festgestellt (can. 915 CIC), kann die Zulassung zur heiligen Kommunion nicht verboten werden. Verhängung oder Feststellung müssten unter Berücksichtigung der Schuldfrage in jedem Einzelfall als Dekret oder Urteils-Spruch ergehen.

Zu fragen bleibt, ob die Seelsorge überhaupt willens, geschweige denn in der Lage ist, die Einhaltung der vielen „Verbote“ sicherzustellen.

Auf besondere Ablehnung dürfte die ärgerniserregende Bestimmung unter Nr. II, 3. des Dekrets stoßen:

„Falls die aus der Kirche ausgetretene Person nicht vor dem Tod irgendein Zeichen der Reue gezeigt hat, kann das kirchliche Begräbnis verweigert werden“ (Abl. 343).

Hochzuschätzenden Widerstand leistet das Bistum Münster - 05. Dezember 2012 -

„Bistum Münster wird auf Wunsch auch Ausgetretene beerdigen.
Wenn die Angehörigen dies wünschen, soll auch ein aus der Kirche Ausgetretener durch eine(n) Seelsorger(in) beigesetzt werden, sofern der Verstorbene dies nicht vorher ausdrücklich abgelehnt hat“.

„Münster (kath.net/pbm) ‚Die Begleitung von Sterbenden, Beisetzung der Verstorbenen und der Beistand für die Angehörigen bleibt ein unaufgebbarer Dienst‘ der Kirche: ‚Er darf nicht verweigert werden und hat sich zuerst an dem Verstorbenen und den Bedürfnissen der Hinterbliebenen zu orientieren‘, heißt es in Empfehlungen für den Begräbnisdienst, den das Bischöfliche Generalvikariat Münster jetzt an alle hauptamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger verschickt hat. Darauf weist die Bischöfliche Pressestelle in Münster hin. Der zweiseitige Text war in der Dechantenkonferenz beraten, vom Bischöflichen Rat beschlossen und dann von Bischof Felix Genn in Kraft gesetzt worden. Er bekräftigt, dass es seit Anfang der Kirche zu den ‚Werken christlicher Barmherzigkeit‘ gehöre, die Toten zu bestatten und Trauernde zu trösten. Die Begräbnisfeier solle sich nach der Situation der Angehörigen und der Trauergemeinde richten und auf deren Wünsche eingehen, sofern sie nicht der Auferstehungshoffnung widersprächen, verdeutlicht die Bistumsleitung< …>“ kath.net hat berichtet (Zugriff 09. August 2013).

Es geht auch ohne Kirchensteuer - 02. Februar 2012 -
Nahezu überall in der katholischen Weltkirche wird die Frage bejaht, ob es auch „ohne Kirchensteuer gehe“. „JA“ sagt ebenfalls eine sehr gewichtige Stimme. Für Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München, ist es „selbstverständlich möglich“:

„Hamburg (kath.net/KNA) „Die katholische Kirche in Deutschland kann nach Ansicht des Münchner Kardinals Reinhard Marx auch ohne die Kirchensteuer existieren. Dies sei 'selbstverständlich' möglich - 'aber anders', sagte Marx der Hamburger Wochenzeitung 'Die Zeit' (Donnerstag). 'Man müsste dann diskutieren, welche Aufgaben für das Gemeinwesen die Kirche künftig nicht mehr schultern soll', betonte der Erzbischof von München und Freising. 'Aber es wäre ja wirklich abenteuerlich, zu meinen, die katholische Kirche würde ohne Kirchensteuer untergehen.' Marx weiter: 'Dann müsste die Weltkirche ja längst untergegangen sein!‘“ kath.net hat berichtet (Zugriff 09. August 2013)


Der Autor dieses Memorandums, Professor Hartmut Zapp, ist ein emeritierter Kirchenrechtler der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, vgl. kathpedia: Hartmut Zapp


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