Schwefel-Rauchmelder im Vatikan

2. August 2013 in Spirituelles


„Er benimmt sich wie ein Rauchmelder, der den Rauch schon meldet, bevor es brennt.“ - Wiederum konnte eine Post aus der Unterwelt abgefangen werden. Eine KATH.NET-Glosse der besonderen Art von Dr. Helmut Müller


Koblenz (kath.net)
Auch dieses Mal hat es etwas länger gedauert bis die Post aus der Unterwelt in meine Hände gelangte. Die Stimmung in der Hölle wirkt gedrückt. Statt einer Dienstanweisung an den von C. S. Lewis bekannten Unterteufel, scheint es sich eher um ein Dokument wütender, in Depression umgeschlagene Ratlosigkeit und zum Schluss wieder aufkeimender Hoffnung zu handeln.

Lieber Wormwood,

der Neue nervt unaufhörlich. Ständig nennt er uns beim Namen. Die ganze Undercoverarbeit reißt er ans Licht der Öffentlichkeit. In Aparecida hat er uns Drache genannt. Er benimmt sich wie ein Rauchmelder, der den Rauch schon meldet, bevor es brennt. Um es genauer zu sagen, wie ein Schwefelrauchmelder. Und wenn es nur das wäre! Es war schon ärgerlich, ihn jeden Mittwoch auf dem Petersplatz rumfahren zu sehen und erleben zu müssen, wie er jeden, den er greifen konnte, umarmte. Jetzt macht er es doch tatsächlich an einem Ort, wo die Jugend der Welt zusammengekommen ist, in einem Land, in dem die Menschen behaupten, Gott sei einer der ihren, nämlich Brasilianer. Er findet es auch noch witzig hinzuzufügen, der Papst sei Argentinier. Und das alles, wo doch die Kirche dort richtig in die Knie gegangen ist und schon seit Jahren vor sich hin bröselt.

Er geht in die Favelas, wo wir bisher ein Stück Hölle auf Erden schaffen konnten, ja sogar an die Copacabana, wo uns bisher niemand bemerkt hat, wir aber dennoch präsent sind und vielfältig verheerend wirken konnten. Der Gebietsdämon vor Ort hat zwar alle Register gezogen, eine Kaltfront aus dem Süden mit sintflutartigen Regenfällen organisiert und die brasilianischen Verantwortlichen dermaßen desorganisiert, dass der Argentinier fast zu Schaden gekommen ist. Aber irgendwie ist ihm dann der zuständige Regionalengel in den Arm gefallen, so dass die Menschenmassen an der Copacabana leider nicht zerquetscht oder vom Atlantik verschlungen oder wenigstens bis auf die Haut durchnässt worden sind, was wir sehnsüchtig erhofft hatten. Papa cabana nennen sie nun den Strand.

Ich werde einen höllischen Untersuchungsausschuss einberufen und den argentinischen Gebietsdämon zur Verantwortung ziehen, und untersuchen lassen, weshalb diese halbe Lunge seiner Aufmerksamkeit entgangen ist, da doch beste Chancen bestanden, das gar nicht zu werden, was er jetzt ist. Hat der Verantwortliche sich vielleicht ein Schwefelbad genommen oder sich den Pferdefuß maniküren lassen nach dem riesigen Erfolg, dass eine Militärdiktatur jahrelang missliebige Menschen aus Flugzeugen ins Meer werfen konnte, in Gefängnissen zu Tode gefoltert hat und andere spurlos verschwinden lassen konnte? Ist ihm zu Kopf gestiegen, dass jahrzehntelang Unfähige das Land regieren konnten, eine Volkswirtschaft pleite ging, wie wir es von Europa erhoffen und das Volk Supermärkte plünderte? Hat er unsere Doppelstrategie vergessen, den Leib malträtieren und die soziale Not bis ins Unerträgliche steigern, aber gleichzeitig auch Geist und Seele eines Landes zu zersetzen? Ist ihm diese armselige halbe Lunge mit dem frömmelnden Geist nie aufgefallen? Eine fiebrige Erkältung mit Lungenentzündung hätte ihm doch den Garaus machen können! Hat er nichts aus unseren höllischen Fortbildungen gelernt, da wir doch in Polen das gleiche Desaster schon einmal erleben mussten? Es war uns gelungen die Menschenleiber einer ganzen Nation von zwei Diktaturen erfolgreich malträtieren zu lassen, und dann übersieht der dortige Gebietsdämon den Geist dieses fanatischen Marienverehrers, den ein Lastwagen schon einmal halb tot gefahren hat und der dann auch später immer wieder dem Tod von der Schippe gesprungen ist. Müssen wir denn ständig Sonderkommissionen bilden, z. B. Marienverehrer aus der Gebietsdämonie herausnehmen und von Spezialkräften besonders unter die Lupe nehmen lassen? Können die denn nicht bis zwei zählen? Erstens Leib malträtieren, zweitens die Geister einer Spezialbehandlung unterziehen! Ist ihnen der Erfolg der ersten Teilstrategie so zu Kopfe gestiegen, dass sie gedacht haben, der Rest erledigt sich von selbst?

Der Gebietsdämon der deutschsprachigen Länder ist da ein gutes Vorbild: Ich zähle nur die Highlights auf: Ein dreißigjähriger Krieg und zwei Weltkriege, die von diesem Boden ausgegangen sind haben ihn nicht nachlässig werden lassen. Der Geist dieser Länder wird unermüdlich und flächendeckend zersetzt, und wenn mal jemand übersehen oder nicht rechtzeitig bemerkt wird, wie dieser Eigenbrötler aus Oberbayern, dann wird er wenigstens in seinem Heimatland nicht beachtet. Das für uns peinliche päpstliche Doppelpassspiel am Apostelfest Peter und Paul hätte schlimmer ausgehen können. Eigentlich lustig, sich diesen unsportlichen Oberbayern als Fußballer vorzustellen – aber ich tu’s mal. Jedenfalls spielt er mit seiner Gelehrsamkeit eine butterweiche Flanke und der Argentinier nimmt diesen Pass voll auf, macht daraus seine erste Enzyklika und schießt ein. Alles ist dennoch gut verlaufen. Es gab wenigstens keinen nennenswerten Torjubel in Deutschland. Die betreffenden deutschen Sachverständigen machten in der Mehrzahl nur defätistische Bemerkungen.

Während in Brasilien die schiere Not Familien zerstört, scheint es hier zu gelingen, sie auch geistig zu zersetzen. Nicht viele bemerken das. Man sollte Norbert Blüm das Maul stopfen, wenn er erkannt hat, dass Familien immer ein letztes Widerstandsnest waren, das alle Diktaturen auszuräuchern versuchen. Durch ein jahrelanges Medientremolo auf allen Kanälen ist jetzt das Beziehungschaos der Lindenstraße und nachfolgender Formate aus der medialen Welt in die reale gerutscht. Es ist Lebenswirklichkeit und damit zu einem Zauberwort in der Politik geworden. Denn gegen „Lebenswirklichkeit“, es scheint egal zu sein welche, kommt niemand an, und derselben muss die Politik angepasst werden. Erfreulicherweise hat die EKD in ihrem jüngsten Papier diesen Ball aufgenommen und die uns nervende Botschaft des Nazareners als Leitlinie darin, verabschiedet. Diese Selbstsäkularisierung wünsche ich mir weltweit: Trenne den Familienbegriff von seinen religiösen Wurzeln, löse ihn bis zur Unkenntlichkeit auf und fülle ihn mit „neuer Lebenswirklichkeit“. Das nenne ich Doppelstrategie, in einem Weltkrieg Millionen von Vätern umbringen und Familien zerreißen, danach die Kinder gegen die nicht oder desavouiert und traumatisiert zurückgekommenen Väter protestieren lassen und die Spießbürgerlichkeit der Familie mit den Vätern als Versagern zum Sündenbock machen, die man zudem häufig kaum gekannt hat. Ich muss mal kurz Atem holen, die traditionelle Familie als Auslaufmodell markieren und die Lufthoheit über den Kinderbetten gewinnen, wesentlich initialisiert durch eine siebenfache Mutter. Entschuldige, aber ich komme immer wieder ins Schwärmen, wenn ich an Deutschland denke. Klar, es gibt auch da Ansätze, die uns Sorgen bereiten könnten. Aber der Gebietsdämon hat für ein ganzes Arsenal von Totschlagvokabeln gesorgt: „Entspricht nicht der Lebenswirklichkeit“, „ist von gestern“, „diskriminiert“, „ist nicht mehrheitsfähig“, „rechnet sich nicht“, „nicht bezahlbar“, „fördert“ oder wie man will „behindert Integration“. Die Selbstsäkularisierung tut ihr übriges. Sakrales und Religion muss wie ein Vodoozauber daher kommen in einer so zugerichteten Gesellschaft. Sollte Religion immer noch auftauchen, muss eine Verbindung mit Gewalt hergestellt werden oder einfach harmlos als Sterndeuterei oder Gesundheitsreligion präsentiert werden.

Aber zurück zu diesem Argentinier. Er hat jetzt sein wahres Gesicht gezeigt. Das Hosianna, das ihm entgegenschallt, muss zum crucifige gedreht werden. Wenn man die Blogs so liest, geht’s in beide Richtungen. Manche sind schon frustriert und denken daran altkatholisch zu werden, andere saugen aus jedem seiner Worte den Honig, den sie brauchen, egal ob der Kontext, in dem das Wort steht, ihn hergibt oder nicht. Jedenfalls hat eine gigantische Kaffeesatzleserei begonnen, und da sollten wir mal so oder so unseren Rauch aufsteigen lassen. Wenn er in seiner ärgerlichen Rede in Aparecida vom Gespür der Herde spricht, dem man folgen müsse, dann meint er, der Bischof müsse überall sein: Vorne als Wegweiser, in der Mitte um sie zusammen zu halten und hinten, damit niemand verloren geht. So will er das Gespür der Herde im sentire cum ecclesiam halten. Er will immer dabei sein, um gar nicht erst lehramtlich auf Abwege reagieren zu müssen. Das Lehramt scheint er nur als Notbremse betätigen zu wollen.

Wenn er dann immer von Dialog spricht, muss das natürlich auch so gedreht werden, dass er in sich selber kreist. Kardinal Bengsch hatte das schon vor Jahren bemerkt und von der „Dialogbesoffenheit westdeutscher Funktionärskatholiken“ gesprochen. Das heißt für uns, den Dialog so lange anheizen und den Dialogpartner, sprich lehramtliche Einlassungen ignorieren – siehe Frauenpriestertum - bis genau die Position rauskommt, mit der man den Dialog eröffnet hat. Sorge bereitet mir nur, dass das „Gespür der Herde“ und da meint er offenbar die Menschen an den Rändern, wirklich ernst genommen wird. Er sieht ja den Bischof nicht nur als Hirten, sondern auch als Spürhund der Herde. Das hat ja schon vor gemacht in Lampedusa und in den Favelas. Das ist wirklich schlimm. Davon sind alle begeistert, von Boff auf Erden bis Bengsch im Himmel. Da könnte er diesen ganzen in sich zerstrittenen Haufen einen. Wenn es uns da nicht gelingt, wieder Ideologie ins Gespräch zu bringen, haben wir wirklich ein Problem. Aber auch hier hat er unseren Rauch schon bemerkt und gemeldet. Ich glaubte nicht recht gehört zu haben, aber er sprach unter den Fittichen der Frau von Aparecida tatsächlich „von der Strategie des bösen Geistes“. Punkt für Punkt deckt er diese zu meinem Entsetzen auf:

1. Ideologisierung des Evangeliums. Er hat unsere Hermeneutik enttarnt, nämlich das Evangelium nicht aus sich verstehen, sondern von wo anders her, wie etwa den Begriff der Freiheit im Memorandum der Deutschen, nicht von Paulus, sondern von Kant und Fichte her. Das hat er zwar noch nicht moniert, aber er markiert die Ideologisierung des Evangeliums sehr genau

• als sozialisierenden Reduktionismus, hier prangert er den Marxismus der Befreiungstheologie an,

• als psychologische Ideologisierung, hier hat er unseren Dreh von die-Seele-stärkender- Spiritualität zu sie-bloß-unterhaltender bemerkt. Er hat unser Konzept des wohlfühligen Spiritualentertainement aufgedeckt, das wir in Klöstern, Akademien und kirchlichen Bildungshäusern flächendeckend anbieten.

• als neue Gnosis, auch hier hat er unseren Dreh des lumen fidei zum, wie er sagt, „aufgeklärten Katholiken“ bemerkt: Im paralysierenden Lichtkegel aufgeklärter Vernunft, das Licht des Glaubens zum Erlöschen bringen. Auch da ist er uns auf die Schliche gekommen.

• Er hat überraschenderweise auch unseren Dreh rechtschaffener Orthodoxie in doktrinelle und spirituelle Verengung und Verhärtung wahr genommen. Er warnt vor einer Einkerkerung in „doktrinelles und disziplinäres“ Sicherheitsdenken. Verdammt noch mal, so wollten wir die Romtreuen unschädlich machen, auch das hat er, als selbst Konservativer, gemerkt.

2. nennt er den Funktionalismus. Damit musste man rechnen, dass er die Reduzierung des kirchlichen Mysteriums auf die Struktur einer NGO anprangern würde.

3. beklagt er die Klerikalisierung; in Lateinamerika offenbar die Klerikalisierung des Klerus und die Bitte von Laien, ebenfalls klerikalisiert zu werden, sozusagen das Tauf- und Firmsakrament klerikal aufzuhübschen. So kommt man natürlich an den Rändern der Gesellschaft nicht an. Mal sehen, wie er das Problem in Europa anpackt, wo Priester in Straßenkleidung flüchten und Laien in liturgische Gewänder und möglichst an den Altar.

Zuerst habe ich gedacht, das darf alles nicht wahr sein. Er demaskiert uns, wo er uns antrifft. Ich fühle mich so nackt wie der Kaiser in dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Das hätte ich ihm nicht zugetraut, dass hinter diesem Barmherzigkeit säuselnden, umarmenden, Frauen streichelnden, Witze reißenden, Mate Tee trinkenden, im Fuballjargon redenden, Sambarhythmen mitmachenden und Kinder küssenden Straßenbahnfahrer eine solche geistige Wachheit lauert, die alles auf den Punkt zu bringen und womöglich noch mit praktischer Griffsicherheit umzusetzen vermag. Wir dürfen ihn wirklich nicht unterschätzen. Also, ich schärfe es euch noch einmal ein: Nicht bloß Leiber malträtieren, sondern frommen Geist auslöschen, wo man ihn findet.

Diese Marienverehrer sind einfach nicht zu packen, das war schon bei dem Polen so und bei dem Argentinier sieht es auch danach aus. Er hat Rom in Maria Maggiore verlassen, eigentlich erst bei der Frau von Aparecida den Boden seines Heimatkontinents betreten und ist in gleicher Weise in Maria Maggiore wieder auf dem alten Kontinent gelandet. Dieser Geist macht uns zu schaffen. Ich bin einfach sprachlos. Wenn man sich nicht auf die Medien verlassen könnte, wäre es unerträglich. Dem Vater der Tiefe sei dank ist diese Generation dermaßen Phallus fixiert, dass mediale Berichterstattung, die Begeisterung von über drei Millionen Jugendlichen, durch eine Frage über dem Atlantik zum gleichgeschlechtlichen Gebrauch desselben, vergessen machen konnte. Dem Oberbayern ist über Afrika vor Jahren das gleiche passiert, damals ging es darum, einen Gummi drüber zu stülpen. Was er dann in Afrika gesagt hat, wurde nicht mehr wahr genommen.

So kann ich nun doch noch mit einem Lichtblick enden: Medien schaffen Wirklichkeiten und verbergen sie. Mit diesem Instrument werden wir selber zum Schöpfer einer Gegenwelt, einer Welt, wie sie uns gefällt. Ha, jetzt geht es mir wieder besser.

Dein Dich liebender Oheim

Screwtape

Dr. Helmut Müller ist Akademischer Oberrat am Institut für Katholische Theologie der Universität Koblenz

Diese Glosse beruht auf dem Buch Buch von C.S. Lewis: Dienstanweisungen an einen Unterteufel.

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Dienstanweisungen an einen Unterteufel
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