Wollte der Papst wirklich sagen: 'Gay ist okay?'

30. Juli 2013 in Aktuelles


Sieben wissenswerte Punkte über die Bemerkungen von Papst Franziskus zu homosexuellen Menschen. Von John Atkin / National Catholic Register


Vatikan (kath.net) Was hat Papst Franziskus genau gesagt und gemeint, als er sich am Montag im Flugzeug während der Heimreise vom Weltjugendtag in Rio vor Journalisten über die Frage der Homosexualität äußerte? Ging dies in die Richtung „gay ist okay“? Entspricht eine solche Interpretation durch viele Medien den faktischen Aussagen des Papstes? John Atkin reflektiert darüber in einem Kommentar im zu EWTN gehörigen „National Catholic Register“. KATH.NET dokumentiert den gesamten Kommentar.

Sieben wissenswerte Punkte über die Bemerkungen von Papst Franziskus zu homosexuellen Menschen. Von John Atkin/National Catholic Register (Copyright für die Übersetzung: © kath.net)

Aktuell brodeln in den Medien Behauptungen, dass Papst Franziskus im Thema Homosexualität einen im Vergleich zu seinem Vorgänger scharf veränderten Kurs fahren würde. Manche behaupten, dass der neue Papst verkündet habe: „gay ist okay“. Doch was hat Papst Franziskus wirklich gesagt und wie ungewöhnlich ist dies?

Sieben Punkte zur Information und zur Weitergabe:

1. Wo machte Papst Franziskus diese Bemerkungen?

Er machte sie während eines 80-minütigen Interviews durch Reporter an Bord des Flugzeugs, während er vom Weltjugendtag in Brasilien heimkehrte.

2. Welche Frage führte zu diesen Bemerkungen?

Wir werden möglicherweise nicht genau wissen, was die Frage war, bis dies schriftlich veröffentlicht wird, doch anscheinend war er über die angebliche „Gay lobby“ im Vatikan befragt worden.

3. Was sagte er genau?

Die Frage von Ilse, einer Journalistin auf dem Papstflug, an Papst Franziskus:
Ilse: Ich würde gern um die Erlaubnis bitten, eine etwas delikate Frage zu stellen. Ein anderes Bild, das um die Welt ging, ist das von Monsignore Ricca und den Neuigkeiten über sein persönliches Leben. Ich würde gerne wissen, Eure Heiligkeit, was in dieser Frage getan werden wird. Wie sollte man mit dieser Frage umgehen und wie wünscht Eure Heiligkeit mit der ganzen Frage der Gay Lobby umzugehen?

Die Antwort des Papstes:
In der Angelegenheit von Monsignore Ricca habe ich das getan, was das Kirchenrecht vorsieht: eine vorläufige Untersuchung. Es ist nichts von dem gefunden worden, dessen er bezichtigt wird. Wir haben nichts gefunden! Das ist die Antwort.

Doch ich möchte noch eine weitere Sache hinzufügen: Ich sehe, dass man in unserer Kirche, unabhängig von diesem Fall und doch auch in diesem Fall, so oft die „Sünden der Jugend“ sucht, nicht wahr? Und dann wird das veröffentlicht. Diese Dinge sind keine Verbrechen [„Delikte“], nicht wahr? Verbrechen sind ganz andere Sachen: Kindesmissbrauch ist ein Verbrechen. Doch Sünden - wenn eine Person, ob ein Laie, ein Priester oder Ordensschwester, eine Sünde begangen hat und sich dann diese Person bekehrt hat, dann vergibt der Herr und wenn der Herr vergibt, dann vergisst der Herr und dies ist sehr wichtig für unsere Leben. Wenn wir beichten gehen und aufrichtig sagen, „Ich habe in dieser Sache gesündigt“, dann vergisst der Herr und wir haben nicht das Recht, nicht zu vergessen, denn sonst laufen wir Gefahr, dass der Herr unsere Sünden nicht vergisst, nicht wahr? Dies ist eine Gefahr. Das ist es, was wichtig ist: Eine Theologie der Sünde. Ich denke oft an den heiligen Petrus: Als er Christus verleugnete, beging er eine der schlimmsten Sünden. Und mit dieser Sünde haben sie ihn zum Papst gemacht. Wir müssen oft über diese Tatsache nachdenken.

Doch um konkreter zu Ihrer Frage zurückzukehren: In diesem Fall [von Ricca] machte ich die vorgeschriebene Untersuchung und wir fanden nichts. Das ist die erste Frage. Dann sprachen Sie von der Gay Lobby. Agh … es wurde viel über die Gay Lobby geschrieben. Mir ist bisher im Vatikan noch keiner begegnet, auf dessen Personalausweis ‚homosexuell’ steht. Ich sage nicht, dass es das nicht gibt. Ich glaube, dass wenn wir einem homosexuellen Menschen begegnen, müssen wir die Unterscheidung machen zwischen der Tatsache, dass eine Mensch homosexuell ist und der Tatsache einer Lobby, denn Lobbies sind nicht gut. Sie sind schlecht. Wenn ein Mensch homosexuell ist, doch den Herrn sucht und guten Willen hat, wer bin ich, dass ich diesen Menschen verurteilte? Der Katechismus der Katholischen Kirche erläutert diesen Punkt sehr schön, er sagt – warten Sie einem Moment, wie sagt er? –, er sagt, dass diese Personen niemals diskriminiert werden dürfen, sondern in die Gesellschaft integriert werden müssen.

Es ist nicht das Problem, wenn jemand diese Neigung hat; nein, wir müssen Brüder sein, das ist das Wichtigste. Sondern da gibt es ein anderes Problem, ein anderes: Das Problem ist es, eine Lobby solcher zu bilden, die diese Neigung haben, eine Lobby von Geizigen, eine Lobby von Politikern, eine Lobby von Freimaurern, so viele Lobbys. Das ist das schwerwiegendste Problem für mich. Und vielen Dank dafür, dass Sie diese Frage gestellt haben. Vielen Dank!

[Anm.: kath.net übersetzte nur Atkins Update unter Zugrundelegung des italienischen Transskriptes]

4. Was bedeutet dies?

Der erste Teil der Aussage scheint die ganze „Gay Lobby“-Sache herunterzuspielen. Er streitet nicht ab, dass es eine gibt, sondern er hält die ganze Diskussion für irgendwie übertrieben.

Dann entfaltet er, was er unter „homosexuell sein“ versteht.

Im normalen Sprachgebrauch bedeutet „homosexuell zu sein“ alles vom sexuellen Angezogensein zu Gleichgeschlechtlichen bis hin zum Führen eines aktiven „Gay lifestyle“, der eine pro-homosexuelle Ideologie unterstützt und befürwortet.

Der letzte Punkt wäre dann, sich als Mitglied einer Lobby einzusetzen, und er weist darauf hin, dass es nicht das ist, worüber er spricht.

Dann erläutert er, dass er über Menschen spricht, die „den Herrn akzeptieren und guten Willen haben“.

Dann sieht es danach aus, als ob er weiter klarstelle, über wen er spricht, indem er sagt: „Diese Neigung [d.h. die gleichgeschlechtliche Anziehung] ist nicht das Problem… sie sind unsere Brüder“.

Wenn man seine Statements zusammen sieht, entsteht daraus ein Portrait von Individuen, welche zwar die gleichgeschlechtliche Anziehung haben, welche aber dennoch den Herrn akzeptieren und guten Willes sind, demnach im Widerspruch stehen zum Einsatz für eine pro-Homosexuelle Ideologie.

Dies würde definitiv Menschen mit einbeziehen, welche eine gleichgeschlechtliche Neigung haben, jedoch danach streben, keusch zu leben (selbst wenn sie manchmal fallen).

Dies könnte sogar möglicherweise Individuen mit einschließen, welche nicht keusch leben, aber die sich nicht aktiv für eine homosexuelle Agenda einsetzen. Es wäre schön gewesen, wenn er etwas mehr gesagt hätte, um diesen Punkt weiter zu klären.

5. Was sagt er über die Menschen dieser Kategorie?

Er äußert, dass er sich nicht in der Position glaube, über sie zu urteilen und dass sie nicht an den Rand gedrängt werden sollten.

Außerdem sagt er, dass die reine Neigung (die gleichgeschlechtliche Anziehung) „nicht das Problem ist“, und dass sie „unsere Brüder sind“.

6. Wie neu ist dies?

Nicht sehr.

Das Recht, über andere zu urteilen, abzulehnen, ist etwas, das auf Jesus zurückgeht. Trotzdem bedeutet dies keine Unfähigkeit, den moralischen Charakter der Taten anderer zu erkennen.

Man kann zu einer moralischen Beurteilung kommen, dass das, was jemand tut, falsch ist (Jesus hat dies offensichtlich nicht verboten), ohne ihm gegenüber Bösartigkeit zu haben oder zu zeigen.

Die Aussage, dass sie (d.h. homosexuelle Personen] nicht ausgegrenzt werden sollen, hält sich an den vatikanischen Ansatz zu diesem Thema, etwa dem Vatikandokument von 1986, Schreiben über die Seelsorge für homosexuellen Menschen.

Die Aussage, dass das Problem nicht in der gleichgeschlechtlichen Neigung bestehe, ist ebenfalls, wenn sie korrekt verstanden wird, nichts Neues. „Das Problem“, so wie es Papst Franziskus hier offenbar versteht, geht darüber hinaus, nur eine sündhafte Veranlagung zu haben – einer Versuchung, der man ausgesetzt ist.

Natürlich sind Versuchungen ein Problem, doch wenn wir der Versuchung widerstehen, sündigen wir nicht. So gesehen ist „das Problem“, wenn man der Versuchung und der Sünde nachgibt oder – noch schlimmer -, wenn man eine Ideologie um die Sünde herumbaut und versucht, die Sünde zu verteidigen.

Gleichgeschlechtliche Anziehung ist nur eine Versuchung unter vielen anderen, und die Tatsache, dass ein Mensch unter dieser Versuchung leidet, entzieht ihm den Status, ein Bruder in Christus zu sein, nicht mehr als jede andere Versuchung dies tut.

7. Wie unterscheiden sich diese Aussagen von Aussagen von Papst Benedikt?

Wie immer versuchen die Medien daraus die unvorteilhaftesten Vergleiche mit Papst Benedikt zu machen und erinnern, dass zu seiner [Regierungs-]Zeit der Heilige Stuhl ein Dokument herausgebracht hat, welches besagt, dass jene mit tiefsitzenden homosexuellen Neigungen nicht zum Priester geweiht werden sollten.

Papst Franziskus erwähnte dieses Dokument oder seine Grundlinie nicht und hat deshalb nichts anderes gesagt wie Benedikt dort.

Benedikt selbst hatte (als Joseph Kardinal Ratzinger) das zuvor erwähnte Schreiben über die Seelsorge für homosexuellen Menschen unterzeichnet, ebenso wie dessen Folgedokument über die Nichtdiskriminierung bezüglich homosexueller Menschen.

Wie immer zeichnen die Medien ein falsches Bild, indem sie den „guten“ Franziskus dem „bösen“ Benedikt gegenüberstellen.

Kurzvideo der Pressekonferenz (engl. Untertitel)






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