Komplott gegen Reformpläne?

20. Juli 2013 in Weltkirche


Italienische Zeitungen spekulieren um Vatikanbank-Geistlichen: Mitte Juni berief ihn Papst Franziskus zum „IOR-Prälaten“, Ende Juni soll der Papst von dessen dunkler Vergangenheit erfahren haben. Von Johannes Schidelko (KNA)


Rom (kath.net/KNA) Handelt es sich um eine erste personelle Fehlentscheidung des neuen Papstes - oder steht dahinter ein Komplott mit dem Ziel, Reformen bei der Vatikanbank IOR zu verhindern? Vatikansprecher Federico Lombardi bezeichnete einen Beitrag der Wochenzeitschrift «L'Espresso» schlicht als «unglaubwürdig». Das freitags erscheinende Magazin versichert dagegen, die Angaben zu einer angeblichen homosexuellen Affäre des neuen sogenannten «Prälaten des IOR» Battista Mario Salvatore Ricca (58) träfen Punkt für Punkt zu.

Die Berufung Riccas an die wichtige Schaltstelle zwischen der kontrollierenden Kardinalskommission und dem Verwaltungsrat der schlagzeilenträchtigen Vatikanbank kam Mitte Juni überraschend. Die Stelle des «IOR-Prälaten» war mehrere Jahre lang unbesetzt. Sie galt zudem als Überbleibsel aus der Ära, als Kleriker noch die Geldgeschäfte der Kurie leiteten.

Die Ernennung Riccas galt nun als Indiz für die Entschlossenheit des Papstes, durch einen Vertrauensmann in dieser Position einen ständigen Überblick über das Geldinstitut zu behalten. Und sie fügte sich - auch wenn Riccas Berufung nur «übergangsweise» sein sollte - als weiteres Element in die Umbesetzungen an der Spitze des IOR ein.

Denn dort war erst im Februar mit Ernst von Freyberg ein neuer Aufsichtsratschef installiert worden. Ende Juni trat die operative Spitze der Bank, Direktor Paolo Cipriani und Vizedirektor Massimo Tulli, zurück. Und fast gleichzeitig richtete der Papst eine neue Kontrollkommission unter Leitung von Kardinal Raffaele Farina (79) ein.

Nun berichtet «L'Espresso» in seiner jüngsten Ausgabe über ein angebliches Doppelleben des neuen «Prälaten». Eine homosexuelle Affäre soll der Grund dafür gewesen sein, dass er seine Tätigkeit an der Nuntiatur in Uruguay 1999 bereits nach einem Jahr beendete – und an die unbedeutende Papstbotschaft in Trinidad und Tobago wechselte. Bis 2011 war der aus der norditalienischen Provinz Brescia stammende Ricca dann in der zweiten Sektion des Staatssekretariats, dem sogenannten Außenministerium, tätig.

Danach wechselte er etwas überraschend in die Vatikan-Administration: als Direktor seiner großen Gästehäuser. In der Casa del Clero in der Via Scrofa lernte er den argentinischen Kardinal Jorge Mario Bergoglio kennen, der dort bei seinen Rom-Besuchen abstieg. Und seit dem Konklave ist er als Chef von Santa Marta auch der Gastgeber des Papstes.

Franziskus soll, so schreibt das Blatt, von dem angeblichen dunklen Kapitel in Riccas Leben während der dreitägigen Rom-Konferenz der Vatikanbotschafter Ende Juni erfahren haben - und soll zutiefst verbittert gewesen sein.

Die italienischen Medien spekulieren unterdessen über die Glaubwürdigkeit des «Espresso»-Artikels. Die Turiner Zeitung «La Stampa» schließt etwa ein Komplott nicht aus, das zum Ziel habe, die vom Papst eingeleiteten Reformen der vatikanischen Finanzstrukturen und des IOR zu verhindern.

Wie ernst es Franziskus freilich mit diesen Reformen ist, zeigt seine neueste Entscheidung vom Freitag: Mit einem Handschreiben gründete er eine aus Experten bestehende Kommission, die die Wirtschafts- und Verwaltungsstrukturen des Heiligen Stuhls überprüfen soll.

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