Evangelische Allianz: Wo bleibt die Gleichberechtigung für Familien?

19. Juli 2013 in Deutschland


Generalsekretär Steeb: „Wir brauchen kein neues Familienbild“ - „Familien warten seit über einem Jahrzehnt auf eingeforderte Leistungen. Wo bleibt die Gleichberechtigung für Familien?“


Bad Blankenburg/Stuttgart (kath.net/idea/pm) Die Deutsche Evangelische Allianz (Bad Blankenburg/Thüringen) setzt sich für eine Stärkung der traditionellen Ehe und Familie ein. „Wir brauchen kein neues Familienbild sondern die konkrete Unterstützung für Ehe und Familie“, erklärte dazu Generalsekretär Hartmut Steeb (Stuttgart). Die Dachorganisation theologisch konservativer Protestanten aus Landes- und Freikirchen veröffentlichte am 18. Juli aktualisierte Thesen zur Familienpolitik. Einen Monat zuvor war der Rat der EKD mit seiner umstrittenen Orientierungshilfe zu Ehe und Familie an die Öffentlichkeit getreten. Im Unterschied zu den Thesen der Allianz rückt dieses Papier von der traditionellen Ehe als alleiniger Norm ab und vertritt ein erweitertes Familienbild, das etwa auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften einschließt. Die Orientierungshilfe ist besonders in der katholischen Kirche und der säkularen Presse auf meist heftige Kritik gestoßen. Auch der Allianzvorsitzende, der Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften) Michael Diener (Kassel), hat es kritisiert. Steeb hatte im kath.net-Interview schwerste Bedenken gegen die EKD-Orientierungshilfen geäußert, kath.net hat berichtet

Ehe: Lebenslange Gemeinschaft von Frau und Mann

Das Thesenpapier der Allianz stellt unter anderem fest: „Ehe ist die lebenslängliche Treue- und Liebesgemeinschaft zwischen einer Frau und einem Mann, die öffentlich-rechtlich geschlossen wird. Familie ist eine solche durch Kinder ergänzte Gemeinschaft. Ehen und Familien sind die bewährten schöpfungsgemäßen Strukturen des Zusammenlebens. Sie sind auch die von Gott den Menschen gegebenen Elementarformen menschlicher Gemeinschaft. Sie sind für die seelische Gesundheit und Ausgeglichenheit von Menschen und damit auch für die Gesundheit staatlich geordneter Gemeinschaft unverzichtbar.“

„Wo bleibt die Gleichberechtigung für Familien?“

Die Allianz stützt ihre familienpolitischen Thesen auf Artikel 6 des Grundgesetzes, das Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt. Außerdem wird dort das natürliche Recht der Eltern auf Kindererziehung und die Fürsorge für die Mütter festgeschrieben. Diese Grundsätze in Politik umzusetzen, sei die derzeitige Herausforderung, so Steeb. Die Allianz betont, dass Kinder „ein unverbrüchliches Recht auf die Liebe und Fürsorge ihrer biologischen Eltern“ hätten, die die staatliche Gemeinschaft im Regelfall weder abnehmen könne noch solle. In Anspielung auf die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur steuerlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wünscht sich die Allianz eine Gleichberechtigung für Familien. Viele Urteile des höchsten Gerichtes zugunsten von Familien aus den neunziger Jahren seien noch immer nicht vollständig in aktuelles Recht umgesetzt. Steeb: „Familien warten seit über einem Jahrzehnt auf eingeforderte Leistungen. Wo bleibt die Gleichberechtigung für Familien?“

Gleichstellung der häuslichen Erziehung

Im Mittelpunkt der Familienpolitik müssten das Wohl des Kindes und die Wahlfreiheit der Eltern bei der Entscheidung für Erziehungskonzepte stehen. So müsse die Benachteiligung der Familien gegenüber anderen Haushaltstypen aufgehoben werden. „Dies gilt insbesondere dann, wenn sich ein Elternteil vollzeitlich der Kindererziehung widmet, weil damit in der Regel eine einschneidende Verringerung des Familieneinkommens mit der Folge eines dramatischen Abstiegs im Lebensstandard verbunden ist“, so die Thesen. Vor dem Einsatz staatlicher Mittel für die „Aufbewahrung“, Betreuung oder Erziehung von Kindern müssten Vater oder Mutter in die Lage versetzt werden, „ohne Benachteiligungen diesen Einsatz vollzeitlich, gegebenenfalls bis zum 18. Lebensjahr des Kindes, zu erbringen“.

Familiensplitting in der Steuerpolitik

Zu den konkreten politischen Vorschlägen der Allianz zählen die Ergänzung des Ehegattensplittings durch ein Familiensplitting (volle steuerliche Berücksichtigung der Kinder wie der Ehepartner); eine gleiche staatliche Förderung pro Kind und nicht nur die einseitige Unterstützung außerfamiliärer Kinderbetreuung sowie die ideelle und materielle Anerkennung häuslicher Erziehung als Berufstätigkeit mit entsprechender Bezahlung. Angemessen wären der Allianz zufolge jeweils 800 Euro pro Monat für das erste, zweite und dritte Kind, ab dem vierten Kind jeweils zusätzlich 400 Euro – unter der Voraussetzung, dass sich ein Elternteil ausschließlich bzw. beide Elternteile mindestens je zur Hälfte ganz der Berufsaufgabe Mutter und Hausfrau bzw. Vater und Hausmann widmen.

Kindergeld in Höhe des Existenzminimums

Das staatliche Kindergeld soll grundsätzlich in Höhe des Existenzminimums gewährt und bereits ab der ärztlich festgestellten Empfängnis ausbezahlt werden. Außerdem plädiert die Allianz für die Einführung des von der Kinderkommission des Bundestages schon 1993 vorgeschlagenen Familienwahlrechts. Danach könnten die Eltern bei politischen Wahlen auch Stimmen für ihre minderjährigen Kinder abgeben. Weitere Forderungen betreffen einen Rechtsbeistand für ungeborene Kinder sowie für geborene Kinder und Jugendliche, die Förderung ehrenamtlicher Lebensschutzberatungen, Erleichterungen für Adoptionen und die Einrichtung von Kinder- und Familienbeauftragten im Bund, Länder und den Kommunen.


kath.net dokumentiert „Die Familie braucht Zukunft“, Familienpolitisches Thesenpapier der Deutschen Evangelischen Allianz, in voller Länge:

Die Familie braucht Zukunft

„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht... Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.“
(aus Artikel 6 Grundgesetz)

Das Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland hat wiederholt festgestellt, dass dieser Verfassungsgrundsatz durch die geltenden Gesetze nicht genügend berücksichtigt wird und die Familie demzufolge nicht den Schutz und die Förderung erfährt, den sie benötigt. Gegenüber allen zum Teil im Gewand der Humanität und Liberalisierung vorgetragenen Kritik an den Institutionen Ehe und Familie mit den Zielen einer Relativierung dieser ur-menschlichen Gemeinschaften oder gar deren Auflösung und Zerstörung stellen wir fest:

1. „Für die menschliche Gesellschaft insgesamt bleibt die Familie unersetzbar. Hier werden Leistungen erbracht, die weit über die materielle Daseinsfürsorge für die einzelnen Familienmitglieder hinaus reichen. Familie ist die entscheidende Bedingung für die Vermittlung grundlegender kultureller und sozialer Werte und gleichzeitig Voraussetzung einer auf Zukunft hin orientierten Gesellschaft.“ (Präambel des Familienreports 1994 – Bericht der Deutschen Nationalkommission für das Internationale Jahr der Familie)

2. Ehe ist die lebenslängliche Treue- und Liebesgemeinschaft zwischen einer Frau und einem Mann, die öffentlich-rechtlich geschlossen wird. Familie ist eine solche durch Kinder ergänzte Gemeinschaft. Ehen und Familien sind die bewährten schöpfungsgemäßen Strukturen des Zusammenlebens. Sie sind auch die von Gott den Menschen gegebenen Elementarformen menschlicher Gemeinschaft. Sie sind für die seelische Gesundheit und Ausgeglichenheit von Menschen und damit auch für die Gesundheit staatlich geordneter Gemeinschaft unverzichtbar.

3. Ehe und Familie sind die kleinsten Verantwortungsgemeinschaften innerhalb einer großen Volks- und der internationalen Völkergemeinschaft. Hier entstehen natürliche Sozialbeziehungen. Durch die gemeinsame Zeugung eines Kindes in ehelicher Gemeinschaft übernehmen die Ehepartner die Erstverantwortung für das Leben eines neuen Menschen und Staatsbürgers. Der von allem Anfang an auf andere menschliche Hilfe angewiesene Mensch erfährt in der unvergleichbaren Ehe- und Familiengemeinschaft Angenommensein und im Idealfall eine unkündbare Treuegemeinschaft, die ein Leben lang währt. Dadurch erfährt der Mensch eine Grundstabilität, die andere Gemeinschaftsformen nicht in dieser Weise bieten können. „Sie ist Ort der Solidarität für ältere und behinderte Angehörige. Sie ist Ort der Förderung wie auch der Regeneration der Begabungen, Fähigkeiten und Kräfte des Menschen.“ (Präambel des Familienreports 1994 – Bericht der Deutschen Nationalkommission für das Internationale Jahr der Familie)

4. So wie die Ehe als eine gesunde Keimzelle der Familie das Recht hat und behalten muss, an der Weitergabe menschlichen Lebens durch die Zeugung und Erziehung von Kindern beteiligt zu sein, so haben auch Kinder ein unverbrüchliches Recht auf die Liebe und Fürsorge ihrer biologischen Eltern, die die staatliche Gemeinschaft im Regelfall nicht abnehmen kann und soll.

5. Auch wenn es sehr unterschiedliche Vorstellungen von Familie gibt: Alle reden heute von Familienpolitik, die notwendig sei, auch wenn die Frage, ob sie wirklich den Familien oder anderen Interessen dient, kaum gestellt wird. Dabei ist längst klar, dass es schon alleine die demografische Situation nötig machen würde, wirklich und ernsthaft die Frage der Wirksamkeit der Förderung von Familie in den Mittelpunkt zu stellen. Denn Familien sind derzeit gegenüber anderen Haushaltstypen materiell benachteiligt. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich ein Elternteil vollzeitlich der Kindererziehung widmet, weil damit in der Regel eine einschneidende Verringerung des Familieneinkommens mit der Folge eines dramatischen Abstiegs im Lebensstandard verbunden ist. Ein wirksamer Familienleistungsausgleich ist dringend erforderlich.

6. Die Leistungskraft unserer staatlichen Gemeinschaft ruht auf dem Funktionieren des Generationenvertrages. Da nur noch in ca. 17% der Haushalte zwei und in ca. 5,5% der Haushalte drei und mehr Kinder leben, kann der Generationenvertrag schon rein quantitativ nicht mehr funktionieren. Eine gerechte und gesunde Familienpolitik muss deshalb in den Langzeitvorgaben politischen Handelns mit höchster Priorität betrieben werden. Deshalb benennen wir nachfolgende familienpolitische Grundziele:


A. Die eigenen Kräfte mobilisieren

1. Auch in der Familiengemeinschaft muss gelten, dass wenigstens einer der beiden Elternteile oder beide anteilmäßig einer außerfamiliären Erwerbstätigkeit nachgehen und so höchstmöglich selbst für den eigenen Unterhalt und die Lebensgestaltung Mittel erwirtschaften können.

2. Weil Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuerst ihnen obliegende Pflicht ist (Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz), sind vor allen staatlichen Handlungen die Eltern selbst für die Erziehung ihrer Kinder in vollem Umfang verantwortlich. Vor dem Einsatz staatlicher Mittel für die „Aufbewahrung“, Betreuung oder Erziehung von Kindern müssen Vater oder Mutter in die Lage versetzt werden, ohne materielle und soziale Benachteiligungen, diesen engagierten Einsatz vollzeitlich, gegebenenfalls bis zum 18. Lebensjahr des Kindes, zu erbringen.

3. Auch die Kinder sind dazu anzuleiten, die Familiengemeinschaft und die darin enthaltenen sozialen Beziehungen mitzugestalten und in späteren Jahren je nach Einkünften mitzufinanzieren.

B. Die Schutzfunktion der staatlichen Gemeinschaft

1. Dem Vorrang des Elternrechts auch auf die Inhalte der Erziehung ist hohe Bedeutung beizumessen. Die Mitverantwortung der Eltern in Kindergärten, Kinderhorten und Schulen ist deshalb weiter zu stärken.

2. Ehe und Familie dürfen aufgrund ihres Standes materiell keine Benachteiligung erfahren. Verfassungsrechtliche Mindestforderung ist die Nicht-Besteuerung des Existenzminimums für jede mitveranlagte Person innerhalb der Ehe und Familie. Auch deshalb darf das Ehegattensplitting nicht abgeschafft werden; es bedarf aber einer Ergänzung durch ein Familiensplitting. Dies kann einfach hergestellt werden, indem Kinder steuerlich Erwachsenen gleichgestellt werden und das Familieneinkommen durch die Zahl der Familienmitglieder geteilt wird und dann erst die Steuersätze Anwendung finden. (in Frankreich geschieht dies ab dem 3. Kind; das 1. und 2. Kind zählen steuerrechtlich jeweils die Hälfte; das ist die konkrete Folgerung französischer Familienpolitik seit 50 Jahren unter dem Motto „Frankreich braucht das 3. Kind“).

3. Die Praxis, dass Staat und Gesellschaft mehr Geld pro Kind für die außerhäusliche Kinderbetreuung investieren als Eltern gewährt wird, die durch eine eigene Vollzeitbetreuung selbst die Erziehung und Betreuung wahrnehmen, widerspricht den Verfassungsvorgaben und diskriminiert damit insbesondere den Berufsstand „Hausfrau und Mutter“, indem diese Berufstätigkeit trotz höherer Anforderungen nicht anderen gleich- sondern schlechter gestellt wird.


C. Förderungsverpflichtung der staatlichen Gemeinschaft

1. Eheförderung
Die Dauer- und Treuegemeinschaft der Ehe ermöglicht leichter gesunde stabile Persönlichkeiten und hilft so zur Stabilität staatlicher Gemeinschaft. Die Ehe ist auch die ideale Voraussetzung für eine funktionierende Familiengemeinschaft. Deshalb sollte schon die Eheschließung auch materiell gefördert werden. Wir schlagen eine einmalige Ehebeihilfe von € 2.000 pro Person vor.

2. Familienförderung
Der Beruf der Hausfrau und Mutter bzw. des Hausmanns und Vaters bedarf der materiellen, sozialen und juristischen Anerkennung als Berufstätigkeit. Die Wahl des für die Einhaltung des Generationsvertrags wichtigsten Berufs darf nicht länger zu Benachteiligungen im Erwerbsleben und im Alter führen. Es führt deshalb kein Weg daran vorbei, die Wahrnehmung dieser für die Gesellschaft überlebensnotwendigen Berufsaufgabe staatlich zu bezahlen. Angemessen wäre eine Bezahlung von jeweils € 800 pro Monat für das erste, zweite und dritte Kind, ab dem vierten Kind jeweils zusätzlich € 400 – unter der Voraussetzung, dass sich ein Elternteil ausschließlich bzw. beide Elternteile mindestens je zur Hälfte ganz der Berufsaufgabe Mutter und Hausfrau bzw. Vater und Hausmann widmen. Dieses Familiengehalt wird steuer- und versicherungsrelevant ausbezahlt. Dadurch erarbeiten sich auch beide Elternteile wie im Falle außerfamiliärer Berufstätigkeit eigene Erwerbsbiografien, die sowohl in der Zeit der Elternzeit als auch in der späteren Ruhestandszeit für Gerechtigkeit sorgen.

D. Lebensentfaltung für Kinder

1. Die Benachteiligung von Kindern ist konsequent auszuschließen. So darf etwa bei Anstellungen die von Eltern ebenfalls zu erbringende Leistung in der Kindererziehung nicht negativ bewertet werden. Wir appellieren in besonderer Weise an christlich orientierte Arbeitgeber und Vermieter, mit positiven Beispielen voranzugehen.

2. Familien mit Kindern haben einen besonderen Anspruch darauf, dass der Staat ihnen einen angemessenen Wohnraum bezahlbar zur Verfügung stellt, wenn sie dazu aus eigener Kraft nicht in der Lage sind. Eine Bevorzugung von Familien bei der Zuweisung öffentlicher und öffentlich geförderter Wohnungen ist erforderlich.

3. Der Mutterschutz ist neu zu qualifizieren. Vielen Müttern fehlt wegen viel häufiger als früher stattfindenden Frühgeburten ein Großteil der eigentlich vorgesehenen 6-wöchigen Mutterschutzfrist vor der Geburt. Darum schlagen wir vor, dass nach ärztlich festgestellter Empfängnis die Schwangere den Beginn der Mutterschutzfrist selbst festlegen kann. Dies ermöglicht auch die notwendige Vorbereitung auf die neue Berufsaufgabe.

4. Das staatliche Kindergeld ist grundsätzlich in Höhe des jährlich neu festzustellenden Existenzminimums, derzeit etwa 350 € monatlich, zu gewähren.

5. Da auch ungeborene Kinder gleiche Menschen- und Lebensrechte haben, soll das Kindergeld künftig ab der ärztlich festgestellten Empfängnis ausbezahlt werden.

6. Im Falle von – von uns nicht erwünschten – Abtreibungen besteht volle Rückzahlungspflicht. Für die Kosten der Abtreibung hat der männliche Partner als „Verursacher“ aufzukommen, sofern er in die Abtreibung einwilligt.

7. Wir bejahen den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für alle Kinder ab dem vierten Lebensjahr. Wenn das Kindergeld und das Mutter/Vatergehalt nach unseren Vorstellungen gezahlt werden, müssen allerdings Kindergärten und Kindertagesstätten keine Zuschusseinrichtung mehr sein, sondern können von den Eltern, die das in Anspruch nehmen, bezahlt werden. Dadurch wird die Subsidiarität staatlicher Erziehung gegenüber der Erziehung der Eltern unterstrichen.

8. Es entspricht der elterlichen Sorgepflicht und Verantwortung, dass sie andererseits für die Kinder alle Rechte wahrnehmen können. Deshalb ist das erstmals von der Kinderkommission des Deutschen Bundestages 1993 vorgeschlagene Familienwahlrecht dringend einzuführen.

9. Im Sinne einer familienorientierten Ökologiepolitik sollten Kinder und Jugendliche kostenlos in öffentlichen Verkehrsmitteln transportiert werden.

10. Das ungeborene Kind hat vom Tag der Empfängnis an Rechte wie ein geborenes Kind. Im Fall einer von der Mutter oder vom Vater angestrebten Kindestötung im Mutterleib muss das ungeborene Kind staatlichen Rechtsbeistand erhalten. Auch für die Mutter sollte nach unserer Auffassung während der Schwangerschaft staatlicher Rechtsbeistand kostenlos in Anspruch genommen werden können. Der Rechtsbeistand sollte der Mutter und dem Vater in Sachen des Kindes bis zum 18. Lebensjahr des Kindes zur Verfügung stehen.

11. Die zum Großteil ehrenamtlich geschehende Beratung in den Lebens- (Menschen-)rechtgruppen bedarf gleichermaßen staatlicher Unterstützung wie die nach §§ 218 ff StGB anerkannten Beratungsstellen. Die Förderung darf deshalb nicht länger von der Ausstellung von Beratungsscheinen, die nach derzeitig geltendem Recht den Weg hin zur straffreien Abtreibung öffnen, abhängig gemacht werden.

12. Die Adoption sollte dahingehend erleichtert werden, dass Schwangere bereits während der Zeit des Austragens des Kindes die Freigabe zur Adoption mit einem Widerrufsrecht bis vier Wochen nach der Geburt erklären können.

13. Der Deutsche Bundestag, die Landtage und die Land- und Stadtkreise sollten einen Menschenrechtsschutz- und Kinderbeauftragten benennen. Er hätte jährlich einen Bericht über den Stand der Rechtspositionen geborener und ungeborener Kinder und die materielle und immaterielle Situation von Ehen, Familien und Alleinerziehenden zu erstatten.


Schlussbemerkung

Die in diesen familienpolitischen Thesen erhobenen Forderungen zugunsten von Familien und Kindern gelten selbstverständlich gleichermaßen auch für die immer häufiger vorhandenen Familien mit nur einem Elternteil bzw. deren Kinder.

Die Deutsche Evangelische Allianz hatte diese Thesen erstmals aus Anlass des Internationalen Jahres der Familie 1994 verfasst. Wir stellen dankbar fest, dass durch dieses Internationale Jahr der Familie und die seither nicht nachlassende Diskussion über die Fragen der Familienpolitik ein verbessertes Bewusstsein für die auch materiellen Nöte der Familie vorhanden ist. Nun ist wichtig: Staatliche Familienpolitik muss wegen langfristigen Wirkungen eine der obersten Prioritäten staatlichen Handelns sein. Die seit Jahren andauernde verfassungswidrige Benachteiligung von Familien kann nicht unter Hinweis auf fehlende Finanzmittel hinausgezögert oder mittelfristig oder sogar langfristig verhindert bleiben. Wir sind jedenfalls der Überzeugung, dass die Finanzmittel bei richtiger Prioritätensetzung vorhanden sind und bisher falsch – weil kurzsichtig und zum Teil gegen die ausdrücklichen Verfassungsbestimmungen – gesetzte Prioritäten zurückgeschraubt werden müssen.

Wir bitten die Freunde der Evangelischen Allianz, dass sie mit diesen Thesen zusammenhängende Fragen im Gespräch und anderen Kommunikationsformen mit politischen Verantwortungsträgern und mit Kandidaten für politische Ämter einbringen.


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