'No shorts'

15. Juli 2013 in Buchtipp


Vor dem Petersdom in Rom gibt es Kontrollen. Nicht nur Sicherheitskontrollen wie in Flughäfen. Nein, es wird auch die Kleidung abgeschätzt. Leseprobe 3 aus Andreas Wollbold, „Die versunkene Kathedrale. Den christlichen Glauben neu entdecken“


Illertissen (kath.net) Vor dem Petersdom in Rom gibt es Kontrollen. Da stehen nicht nur die Metallscanner wie bei den Sicherheitskontrollen der Flughäfen, die die Machenschaften möglicher Terroristen rechtzeitig entdecken sollen. Nein, es wird auch die Kleidung abgeschätzt: Entspricht sie der Heiligkeit des Hauses Gottes? Tafeln sagen den Touristen, was hier nicht erlaubt ist: „No shorts“, also keine kurzen Hosen; keine schulterfreien Kleider; kein Tütchen Eis in der Hand. Die meisten wissen es schon und haben sich entsprechend gewappnet: Die Frauen bringen ein Tuch über die Schultern mit, die Männer tragen Hosen, wie man sie früher nur für Wüstenexpeditionen gebraucht hat und die man sozusagen bis auf die Knöchel herunterklappen kann. Ebenso gibt es in orthodoxen Klöstern Kopftücher und lange Röcke für die Frauen oder in jüdischen Synagogen oder an der Klagemauer in Jerusalem eine Kopfbedeckung für die Männer. Die Mehrzahl der Besucher nimmt solche Kleidervorschriften leicht, manche regen sich auf, einige kommen ins Nachdenken.

Und Nachdenken ist einmal mehr nicht das Schlechteste. Was ist denn eine Kirche? Warum ist sie ein so besonderer Ort? Was macht sie einzigartig? Auch an anderen Orten wählt man ja eine besondere Kleidung: farblich eindeutige Trikots der Mannschaft in der Fußballarena, feiner Anzug und Abendkleid in der Oper, der „letzte Schrei“ in der Disco, hochseriös der Angestellte einer Bank, der uns zu einer Geldanlage bewegen will, oder „Räuberzivil“ am Urlaubsort. Jedes Mal sendet die Kleidung Signale aus: Hier geht’s um einen Sportwettkampf zweier Mannschaften, um hohe Kultur, um heiße Jugendszene usw. In der Kirche dagegen geht es um etwas anderes. Hier werden die Besucher nicht sortiert, denn Gott sieht nicht auf die Person, sondern ihm ist in jedem Volk willkommen, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist (Apg 10,34f.). Hier bekommen auch nicht die mit den teureren Kleidern die besseren Plätze. Drinnen warten keine Schilder: erste Klasse, zweite Klasse, Stehplätze. Warum soll man dann nicht tragen, was einem eben passt?

Nun, weil jemand, der eine Kirche betritt, sich hier bereitet für eine Begegnung – die Begegnung mit dem heiligen Gott. Er soll sich nicht sagen: „Die Kirche ist eine Sehenswürdigkeit, und sie kann sich geehrt fühlen, dass ich sie besuche.“ Ja, leider zeigt sich diese Einstellung gerade bei vielen berühmten Kirchen: Wie der Elefant im Porzellanladen, so benimmt sich mancher Tourist im Haus Gottes. Er begegnet an diesem Ort niemandem mehr, er besichtigt ihn nur. So soll sich im Petersdom vor einigen Jahren Folgendes zugetragen haben: Eine Gruppe hatte sich morgens drinnen eingefunden und die Fremdenführerin wollte einen Seitenaltar erklären. Dort aber wurde gerade eine hl. Messe gefeiert. Die Führerin trat daraufhin auf den Zelebranten zu und fuhr ihn ärgerlich an: „Sehen Sie denn nicht, dass ich hier sprechen will? Seien Sie also bitte leise!“

„Deinem Haus gebührt Heiligkeit“

Die Kleiderfrage erinnert jeden Eintretenden daran: Ich bin hier nicht der Herr im Haus. Dies ist das Haus Gottes, und deinem Haus gebührt Heiligkeit für alle Zeiten (Ps 93,5). Die Kirche ist Gott geweiht, sein ausschließlicher Besitz. Kirche – schon das Wort zeigt an, dass wir uns hier im Haus Gottes befinden. Das Wort „Kirche“ kommt vom griechischen kyriake und bedeutet: „das, was dem Herrn gehört“. Er ist der Eigentümer, wir sind bloß seine Hausverwalter. Nicht wir benutzen diesen Ort nach eigenem Gutdünken, sondern wir sind zu Gast beim Herrn selbst. Locus terribilis iste – „Wie ehrfurchtgebietend ist doch dieser Ort!“ (Gen 28,17), heißt es darum in der Heiligen Schrift. Ein Ort, an dem alles Weltliche draußen vor der Tür bleibt, damit wir hier allein vor Gott treten können. In der Kirche treffen wir auf die Heiligkeit Gottes. Ihm gehört die ganze Erde, aber diesen Ort hat er zu seinem besonderen und ausschließlichen Eigentum bestimmt. Vor seinem Angesicht schweige alles Fleisch (Zach 2,17; vgl. Hab 2,20). Alles in dieser Kirche ist heilig: die Altäre mit ihren Kerzen, Tüchern und Schmuck, die Bilder der Heiligen, die Fenster und ihre Darstellungen, die Ordnung der Bänke, die erhabene Orgel, die „Königin der Instrumente“; beim Betreten das Verstummen von allem weltlichen Gespräch, das Nehmen von Weihwasser, die Kniebeuge vor dem Allerheiligsten und die Anbetung des Herrn im Tabernakel, aber eben auch eine angemessene Kleidung (Männer etwa nehmen ihre Kopfbedeckung ab, um zu zeigen, dass sie hier nicht die Herren sein wollen); dann beim Gottesdienst die heiligen Gewänder und Riten. Ja, alles hier ist heilig und nicht profan, weltlich und alltäglich. Die Engel im Himmel rufen Gott zu: „Heilig, heilig, heilig!“, und hier fallen wir ein in diesen Ruf.

kath.net-Buchtipp:
Die versunkene Kathedrale
Den christlichen Glauben neu entdecken. Mit einem Vorwort von Erzbischof Gerhard L. Müller
von Andreas Wollbold
gebundene Ausgabe, 285 Seiten
Media Maria, 2013
ISBN 978-3-9815698-5-8
Preis 20.60 €

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