Rücktritt von EKD-Chef Schneider wegen Familienpapier gefordert

15. Juli 2013 in Deutschland


Die innerevangelische Kritik an dem umstrittenen Familienpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nimmt an Schärfe zu - Emeritierter evangelischer Tübinger Theologieprofessor Peter Beyerhaus schreibt offenen Brief an Präses Schneider


Gomaringen (kath.net/KNA/red) Die innerevangelische Kritik an dem umstrittenen Familienpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nimmt an Schärfe zu. Der Gründer der Internationalen Konferenz Bekennender Gemeinschaften, Professor Peter Beyerhaus (Foto), forderte am Sonntag den EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider auf, sich entweder von dem Text zu distanzieren oder von seinem Amt zurückzutreten. Schneider hatte das Dokument wiederholt gegen Kritik verteidigt.

Beyerhaus kritisiert in seinem Offenen Brief, das EKD-Papier stelle «eine Revolution in der gesamten bisherigen Tradition evangelischer Ehe- und Familienethik» dar. Sie stehe im Gegensatz zu fast allen bisherigen Stellungnahmen. Die sogenannte Orientierungshilfe sei «in Wirklichkeit eine 'Desorientierungshilfe'» und bilde «eine aktuelle sittliche Gefahr». Vor Ort sei mitzuerleben, welch «moralischer Flurschaden» dadurch angerichtet werde, so der Theologe. Seinen Angaben nach empfänden «immer mehr glaubenstreue evangelische Christen», dass sie ihre geistliche Heimat verloren hätten «und ringen darum ernstlich mit der Frage, ob sie in die Katholische Kirche übertreten sollen».

Die Konferenz Bekennender Gemeinschaften wurde vor rund 45 Jahren als Gegenbewegung zu liberalen Tendenzen in der EKD gegründet. Beyerhaus war von 1965 bis 1997 ordentlicher Professor für Missionswissenschaft und Ökumenische Theologie an der evangelischen Fakultät der Universität Tübingen, in der Tübinger Zeit von Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. (1967-1969) lernten sich die beiden Theologieprofessoren kennen und schätzen, woraus lebenslanger Kontakt erwuchs, kath.net hat berichtet.

In dem Papier plädiert die EKD für einen «erweiterten Familienbegriff», in dem die Ehe nicht mehr notwendigerweise Voraussetzung für Elternschaft ist. Dies müsse auch «in der Kirche wahrgenommen und in das kirchliche Handeln einbezogen werden». So solle die Kirche auch homosexuellen Paaren den Segen «nicht verweigern». Kritik an dem Dokument kam von der katholischen Kirche und vom Koordinationsrat der Muslime in Deutschland, aber auch aus protestantischen Kreisen.


Textauszug aus dem Offenen Brief von Prof. em. Peter Beyerhaus an EKD-Präses Nikolaus Schneider:

Das Alarmierende ist: Immer mehr glaubenstreue evangelische Christen empfinden, bei ihrer reformatorischen Mutterkirche ihre geistliche Heimat verloren zu haben. Diese jüngste Verlautbarung ist nach der Verabschiedung des Pfarrdienstgesetzes, welches das Zusammenleben homosexueller Paare in evangelischen Pfarrhäusern sanktioniert, ein weiterer bedrohlicher Schritt in dieser Richtung.

Jene Christen ringen darum ernstlich mit der Frage, ob sie in die Katholische Kirche übertreten sollen. Zwar gibt es auch hier, wie die aufgedeckten Missbrauchskandale zeigten, sexuelle Verwilderung; doch das päpstliche und bischöfliche Lehramt der Römisch-Katholischen Kirche ist bisher intakt geblieben. Es bietet den Gliedern eine eindeutige geistlich-ethische Orientierung auf dem Boden von Bibel und Tradition.

In der Evangelischen Kirche, der „Kirche des Worts“, hingegen ist das schon lange nicht mehr der Fall. Man denke nur an einige ihrer Stellungnahmen zu Themen wie Abtreibung, Euthanasie, Embryonen-Experimente und Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. In diesen allen schaden die protestantischen Kirchen nicht nur sich selbst; sie zerstören in mehreren europäischen Ländern damit auch die ökumenische Gemeinschaft, die sie bis dahin in ethischen Fragen mit der Katholischen und der Orthodoxen Kirche verband. Auch hohe katholische Amtsträger sehen das so. Dass daraus eine Gefahr für die Fortsetzung des interkonfessionellen Dialogs erwachsen ist, ist nur ein Aspekt der fatalen Auswirkungen der geschehen Weichenstellungen.“

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Sind Sie unter dem Eindruck des durch das EKD-Papier und Sie selber entfesselten Sturms bereit, eigene Fehlorientierung einzugestehen und sich angesichts der Heiligkeit Gottes – möglichst gemeinsam mit dem gesamten Rat der EKD – von ihm zu distanzieren?

Sollten Sie sich dazu durchringen, so dürfen Sie sich der dankbaren Unterstützung vieler Amtsträger und Gemeindeglieder in den evangelischen Landeskirchen gewiss sein, auch der Bekennenden Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands.

Sollten Sie, Herr Dr. Schneider, jedoch – was Gott verhüte! – in Ihrer bisherigen Haltung verharren, so fordere ich Sie im Namen vieler ähnlich denkender Mitchristen hiermit öffentlich auf:

Legen Sie bitte Ihr Hirtenamt als Ratsvorsitzender der EKD, das Sie – und ob aus dem Willen zur Güte heraus – zu einem Kompromiss mit höchst einschneidenden Folgen missbraucht haben, nieder!

Tun Sie dies ebenso bereitwillig, wie das einsichtiger Weise Ihre Vorgängerin im Amt, Frau Dr. Margot Käßmann, nach ihrer im Trunk vollzogenen Rotlicht-Überquerung getan hat. Dabei war ihr Vergehen verhältnismäßig harmlos; denn sie hat gegen die von Menschen aufgestellte Verkehrsordnung verstoßen; Sie, Herr Präses Schneider, aber haben sich öffentlich den Ordnungen Gottes widersetzt!

Der vollständige Brief von Peter Beyerhaus findet sich hier: www.bekenntnisbruderschaft.de (derzeit der zweitoberste Text).

Foto Peter Beyerhaus: ratzinger-papst-benedikt-stiftung.de


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