Kommt als nächstes die Anerkennung der Polygamie?

22. Juni 2013 in Kommentar


Scherbenlese nach EKD-Orientierungshilfe „Familie“: „Ökumene ist heute zwischen Katholiken, Orthodoxen und Evangelikalen leichter möglich als mit deutschnationalen Protestanten vom Schlage der EKD.“ Ein Gastkommentar von Professor Wolfgang Ockenfels


Trier (kath.net)
1. Das neue Orientierungspapier der EKD gibt einen guten Aufschluss über das gegenwärtige Verständnis vieler deutscher Protestanten über das Bild, das sie sich von Ehe und Familie machen.

Es bestätigt zunächst, dass sich der deutschnationale Mehrheitsprotestantismus immer noch und vor allem in Abgrenzung zur katholischen Kirche definiert.

Ein authentisch christliches Verständnis von Ehe und Familie biblisch zu begründen, liegt den Autoren der Studie fern. Sie scheinen nicht an einem Konsens mit katholischen Interpreten der Heiligen Schrift interessiert zu sein.

Sondern sie interpretieren die Bibel nach ihrem eigenen Gusto, und zwar im „hermeneutischen“ Anklang mit dem vorherrschenden Geist einer Zeit, wie er von gewissen politischen Parteien, Bewegungen und Medien – und leider auch vom völlig politisierten Bundesverfassungsgericht – repräsentiert wird.

2. Was homophile Veranlagungen oder Neigungen betrifft, sind sie durchaus zu unterscheiden von ausgeübten sexuellen Praktiken, die sich in Partnerschaften verfestigen können.

Diese sind durchaus moralisch zweifelhaft, auch wenn sie der homosexuellen Promiskuität, also des ständigen Partnerwechsels vorzuziehen sind.

Wenn sie auch als „geringeres Übel“ toleriert werden können, sind sie noch längst nicht in einem christlich-moralischen Sinne akzeptierbar.

3. Aus christlicher Sicht ist die staatlich-rechtliche Anerkennung solcher Verbindungen nicht hinnehmbar, weil sie in Konkurrenz treten zu einem christlichen Ehe- und Familienverständnis, dass neben der lebenslangen Liebe und Treue der Ehepartner eben gerade auch auf die Erzeugung und Erziehung des Nachwuchses ausgerichtet ist.


4. Warum anerkennt der Staat rechtlich nicht das Zusammenleben und solidarische Zusammenstehen von Partnerschaften zwischen Menschen, die etwa als Geschwister füreinander eintreten? Ihnen ein inzestuöses Verhalten zu unterstellen, wäre infam.


5. Noch nicht wird staatlicherseits die islamische Polygamie anerkannt. Das aber ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Die Polygamie, obwohl gegen die Gleichberechtigung der Ehegatten gerichtet, würde wenigsten mehr Kinder hervorbringen. Aber dieses Argument zieht nicht, solange die Monogamie kaum mehr Nachwuchs hervorbringt.


6. Der Staat muss zur Sicherung seiner eigenen Zukunft daran interessiert sein, aus eigenen Beständen Nachwuchs zu rekrutieren. Ihn aus anderen Kulturen zu rekrutieren, ohne die familiären Lasten der Erziehung zu tragen, wäre zynisch.

7. Die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaft läuft auf eine Entwertung der bisherigen, durch Art. 6 der deutschen Verfassung gewährleisten Privilegierung von Ehe und Familie hinaus.

Durch diese Gleichmacherei wird das naturrechtliche Wesen von Ehe und Familie völlig verkannt. Zu befürchten ist jetzt auch, daß homosexuellen Partnern sogar ein Adoptionsrecht eingeräumt wird. Damit wird auch noch das Vierte der Zehn Gebote, nämlich „Vater und Mutter zu ehren“, außer Kraft gesetzt.


8. „Die Protestanten“ und ihre Repräsentanten scheinen inzwischen wieder einmal ziemlich daneben zu liegen. Und zwar einmal, was ihre Bibelexegese betrifft, die eine allgemein verbindliche Interpretation ihres Glaubens nicht zulässt. Aber darin ist sowieso jeder Protestant sein eigener Papst.

Andererseits sind es die vernunftbezogenen Bestimmungen, die auch in der biblischen Schöpfungsordnung zum Ausdruck kommen. Wenigstens in Sachen einer vernünftigen, allgemeinverbindlichen Ethik, also des Naturrechts, sollten sich Protestanten und Katholiken näherkommen. Das ist leider immer weniger der Fall.

Weshalb heute die Ökumene zwischen Katholiken, Orthodoxen und Evangelikalen leichter möglich ist als mit deutschnationalen Protestanten vom Schlage der EKD.


Der Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels ist ordentlicher Professor für Christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät Trier

Prof. Ockenfels beim Kongress FREUDE am GLAUBEN in Aschaffenburg


Foto: © Wolfgang Ockenfels


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