Blasphemie-Urteile, NGO-Prozess: EU besorgt über Ägypten

6. Juni 2013 in Weltkirche


Besonders koptische Christen in Ägypten durch steigende Zahl der Blasphemieverfahren zunehmend eingeschüchtert und in Glaubenfreiheit verletzt


Kairo-Berlin (kath.net/KAP) Europas Politiker und Menschenrechts-NGOS sind alarmiert über die jüngste Entwicklung in Ägypten. Am Dienstag hatte ein Strafgericht in Kairo 43 Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen zu teils langen Haftstrafen verurteilt. Von der Entscheidung ist auch die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung betroffen. Gleichzeitig nimmt in Ägypten nach Informationen der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Zahl der Anklagen wegen Gotteslästerung sprunghaft zu.

Die Adenauer-Stiftung muss jetzt ihre ägyptische Niederlassung schließen; das Vermögen soll beschlagnahmt werden. Der Vorwurf der Justiz lautet auf nicht ordnungsgemäße Registrierung. Von den allesamt abwesenden Angeklagten erhielten laut dem Bericht 27 fünf Jahre Freiheitsentzug, 5 eine zweijährige Haft und 11 eine zur Bewährung ausgesetzte einjährige Gefängnisstrafe. Die NGO-Mitarbeiter waren im Dezember angeklagt worden, illegal eine Finanzierung aus dem Ausland erhalten und ihre Aktivitäten nicht durch Regierungsbehörden genehmigt zu haben.

Zu den jüngsten Anklagen und Urteilen wegen Blasphemie zählte die IGFM am Mittwoch sieben mittlerweile bekannt gewordene Fälle von Todesurteilen auf. Unter Hosni Mubarak habe es jährlich im Schnitt lediglich ein bis zwei Prozesse dieser Art gegeben. Die GfbV sprach von 36 Blasphemieverfahren in den Jahren 2011/2012. Zehn Personen seien verurteilt worden.

Seit der Machtübernahme der Muslimbrüder seien Blasphemie-Vorwürfe "von einem Randphänomen zu einem Machtmittel" geworden, betonte die IGFM. Erschreckend sei die Härte der Urteile. Die IGFM sprach sich für die Abschaffung von Blasphemiegesetzen aus. Opfer der Vorwürfe seien meist Minderheiten.

Laut GfbV fühlen sich die koptischen Christen in Ägypten durch die steigende Zahl der Blasphemieverfahren zunehmend eingeschüchtert und in ihrer Glaubenfreiheit verletzt. Richter seien einem massiven Druck muslimischer Extremisten ausgesetzt und könnten nicht mehr unabhängig urteilen. Vor allem Lehrer seien dem Vorwurf der Gotteslästerung ausgesetzt.

Westerwelle, Pöttering: Besorgnis und Kritik

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle zeigte sich am Mittwoch "empört und in hohem Maße beunruhigt über die harten Gerichtsurteile" gegen Mitarbeiter der Adenauer-Stiftung. "Das Vorgehen der ägyptischen Justiz ist besorgniserregend", erklärte der Minister am Dienstag in Berlin.

Der Vorsitzende der Stiftung und ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, wertete das Urteil als "schlimme Nachricht" für die Stiftung und "schweren Schlag gegen die Zivilgesellschaft und den Rechtsstaat in Ägypten". Glücklicherweise hielten sich die betroffenen Mitarbeiter mit ihren Familien in Deutschland auf, so Pöttering.

Pöttering kündigte an, die Stiftung werde alle Möglichkeiten nutzen, um gegen dieses Urteil vorzugehen. Nach Pötterings Worten handelte es sich "nicht um ein rechtsstaatliches Verfahren". Über den gesamten Prozessverlauf hinweg sei "überdeutlich geworden, wie haltlos und unbegründet die Vorwürfe sind", so der Stiftungsvorsitzende. Dies zeige auch die kürzlich durch die ägyptische Regierung erfolgte Aufnahme der Konrad-Adenauer-Stiftung in das deutsch-ägyptische Kulturabkommen.

Westerwelle versprach der Stiftung die Unterstützung der Bundesregierung. Die deutschen politischen Stiftungen leisteten in Ägypten hervorragende Arbeit und setzten sich in beispielhafter Weise für die Verankerung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus und den Dialog zwischen den Kulturen ein, betonte Westerwelle.

"Das Urteil ist auch politisch ein fatales Signal. Es transportiert die Botschaft, dass Ägypten keine Hilfe beim Aufbau der Zivilgesellschaft will", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU) der "Welt" (Mittwoch). Das Land sei aber dringend auf Investitionen angewiesen. "Vor dem Hintergrund einer solchen Entscheidung stehen Auslandsinvestitionen jedoch infrage", so der CDU-Politiker. Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist seit 30 Jahren in Ägypten tätig.

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