Der Mangel an Wachsamkeit, das wissen wir, macht den Hirten lauwarm

25. Mai 2013 in Aktuelles


Bei einer Begegnung mit der italienischen Bischofskonferenz warnt Papst Franziskus die Bischöfe vor der Lauheit und Kompromissen mit dem Geist der Welt. Von Petra Lorleberg


Vatikan (kath.net/pl) Die erste Begegnung von Papst Franziskus mit der italienischen Bischofskonferenz fand im Rahmen eines Wortgottesdienstes im Petersdom statt. Die Bischöfe der 65. Generalversammlung der italienischen Bischofskonferenz waren dabei dazu eingeladen, gemeinsam mit dem Papst feierlich das Credo abzulegen. Die Begegnung nahm damit bewusst Bezug zum „Jahr des Glaubens“.

In seiner eindringlichen Predigt ging der Papst von den Schrifttexten Joh 21,15-19, Jes 2,2-5, 1 Petr 2,4-9 und Phil 2,6-11 aus. „Ich habe über diese Texte lange gegrübelt“, sagte Franziskus zu Beginn. Seine „Meditation“ über die Schrifttexte sei bestimmt „für uns Bischöfe, zuallererst für mich, einem Bischof wie Ihr“.

Franzikus nannte es „bemerkenswert“, dass das erste Zusammentreffen zwischen ihm und den italienischen Bischöfen „genau hier an diesem Ort“ stattfinde, der nicht nur „das Grab des Petrus“ bewahre, sondern damit auch „die lebendige Erinnerung an sein Glaubenszeugnis, an seinen Dienst an der Wahrheit, und an seine Selbsthingabe für das Evangelium und für die Kirche“.

So werde „das Petrusgrab zu unserem See von Tiberias, an dessen Ufern wir dem erstaunlichen Dialog zwischen Jesus und Petrus lauschen“. Die Fragen, die an Petrus gestellt wurden, „soll in unseren eigenen Herzen widerhallen, in den Herzen von Bischöfen: ‚Liebst du mich? Bist du mein Freund?‘“

Franziskus betonte nochmals, dass diese Frage „an mich und an jeden von euch, an uns alle“ gerichtet sei und dass man eine vorschnelle und oberflächliche Reaktion darauf vermeiden solle. „Liebst du mich? Bist du mein Freund?“

„Er, der Herzen durchschaut (vgl. Röm 8,27), macht sich zu einem Bettler nach Liebe und befragt uns über die einzige wirklich wichtige Frage“, über die Bedingung dafür, „seine Schafe, seine Lämmer, seine Kirche hüten zu dürfen. Jeder [kirchliche] Dienst basiert auf dieser Vertrautheit mit dem Herrn. In Ihm zu leben ist der Maßstab unseres kirchlichen Dienstes. Dies drückt sich in der Verfügbarkeit für den Gehorsam aus, in der Selbsterniedrigung, wie wir das im Brief an die Philipper gehört haben, in der völligen Selbsthingabe.“

Die Konsequenz davon, „den Herrn zu lieben, ist, Ihm alles zu geben, absolut alles bis hin zum eigenen Leben“. Dies nannte der Papst den „Lackmustest, der zeigt, wie tief wir die Gabe angenommen haben, die wir in der Antwort auf den Ruf Jesu empfangen haben, und wie eng wir den Menschen und den Gemeinschaften verbunden sind, welche uns anvertraut wurden“. Wir Bischöfe „sind nicht Ausdruck einer Struktur oder eines Organisationsbedürfnisses. Sondern wir sind berufen, ein Zeichen der Gegenwart und des Handelns des auferstandenen Herrn zu sein und dadurch die Gemeinschaft in brüderlicher Liebe aufzuerbauen, sogar dann, wenn wir unser Leitungsamt ausüben.“

„Doch auch die größte Liebe schwächt sich ab und erlischt, wenn sie nicht dauernd genährt wird.“ „Der Mangel an Wachsamkeit, das wissen wir, macht den Hirten lauwarm. Er wird abgelenkt, vergesslich und sogar ungeduldig. Der Mangel verführt ihn durch Aussicht auf Karriere, durch die Verlockung des Geldes und den Kompromissen mit dem Geist der Welt.“ Mangelnde Wachsamkeit lasse den Hirten faul werden und verändere ihn „zu einem Funktionär, zu einem Kleriker, der sich mehr um sich selbst und um Organisationen und Strukturen sorgt, als um das wirklich Gute für das Volk Gottes. Er läuft dann Gefahr, den Herrn zu verleugnen wie der Apostel Petrus.“ Obwohl der Hirte dann noch immer im Namen des Herrn spreche, „ist die Hierarchie der Mutter Kirche verdunkelt und ihre Fruchtbarkeit verringert“.

„Brüder, wer sind wir vor Gott? Was sind unsere Bewährungsproben? Wir haben viele, jeder von uns kennt seine eigenen. Was will uns Gott damit lehren? Auf was vertrauen wir, um sie zu überwinden? Die beharrliche und herzzerreißende Frage Jesu“ könne uns, wie Petrus, „traurig machen und kann uns die Schwäche unsere Freiheit noch bewusster machen, die gefährdet ist durch tausend äußere und innere Einflüsse, die oft Verwirrung, Frustration und sogar Unglauben verursachen. Doch dies sind mit Sicherheit nicht die Gefühle und Haltungen, welche der Herr in uns erwecken möchte. Vielmehr nutzt sie der Feind, der Teufel, zu seinem Vorteil und isoliert uns in Bitterkeit, in Jammern und in Entmutigung.“

Doch Jesus, der gute Hirte, „demütigt uns nicht“. In Ihm „spricht die Zärtlichkeit des Vaters, ER tröstet uns und belebt uns wieder“. Er leite uns von „schamvoller Selbstzersetzung“ zum Vertrauen.

„Gereinigt durch das Feuer der Vergebung kann Petrus dann demütig sagen: ‚Herr, du weißt alles, du weißt, dass ich dich liebe‘ (Joh 21,17). Ich bin sicher, dass wir das alle aus dem Herzen sagen können. Dieser gereinigte Petrus ermahnt uns dann in seinem ersten Brief: ‚Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes, nicht aus Zwang, sondern freiwillig, wie Gott es will; auch nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Neigung. Seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde‘ (1 Petr 5,2-3).“

„Ja, Hirten zu sein bedeutet, jeden Tag an die Gnade und Kraft zu glauben, die uns, trotz unserer Schwachheit vom Herrn her zukommt und unsere Verantwortung, der Herde voranzugehen, voll anzunehmen“ und ohne Zögern zu leiten. „Wir sollten unsere eigene Stimme erkennbar machen, sowohl für diejenigen, die den Glauben angenommen haben wie auch für jene, die ‚nicht zu dieser Herde‘ gehören (John 10,16). Wir sind dazu aufgerufen, uns den Traum Gottes zu eigen zu machen, aus dessen Haus kein Mensch und keine Nation ausgeschlossen werden, wie Jesajah in der ersten Lesung prophetisch ankündigte.“

Doch Hirte sein bedeute gleichzeitig auch, bereit zu sein, inmitten der Herde oder hinter ihr zu gehen, „fähig zu sein, die leisen Erzählungen der Leidenden zu hören und jene, die Angst vor dem Scheitern haben, die Stufen hinaufzutragen“. Wer mit den Demütigen teile, dessen Glaube werde gestärkt, „deshalb wollen wir jede Form von Selbstüberhebung beiseitelegen und uns mit jenen eng verbinden, die der Herr unserer Sorge anvertraut hat. Unter diesen ist ein besonderer Platz für unsere Priester reserviert: besonders für sie bleiben unsere Herzen, unsere Hände und unsere Türen allezeit offen.“ „Wir wollen sie aus ganzem Herzen lieben! Sie sind unsere Söhne und unsere Brüder.“

„Liebe Brüder, wenn wir nun gemeinsam das Glaubensbekenntnis erneuern, dann ist das nicht nur eine formelle Handlung, sondern es ist eine Erneuerung unserer Antwort auf das ‚Folge mir nach‘, mit welchem das Johannesevangelium schließt (Joh 21,19). Erlaubt es eurem eigenen Leben, sich entsprechend dem Plan Gottes zu entfalten“.

„In diesem Sinne möchte ich jedem von euch für euren Dienst danken, für eure Liebe zur Kirche und zur Gottesmutter“ und „möchte euch und auch mich unter den Mantel von Maria, unserer Mutter, stellen“.

Papst Franziskus schloss seine Predigt mit einem Mariengebet:

Mutter jener Stille, die das Geheimnis Gottes bewacht,
befreie uns vom Götzendienst der Gegenwart, zu welchem jene verurteilt sind, die vergessen.
Reinige die Augen der Hirten mit dem Balsam der Erinnerung, so dass wir durch eine betende und büßende Kirche zur Frische des Anfangs zurückkehren können.

Mutter jener Schönheit, die aus der Treue der täglichen Arbeit erblüht, nimm die Lähmung durch Faulheit, kleinliches Denken und Selbstzersetzung von uns.
Bekleide die Hirten mit jenem Mitgefühl, das vereint und integriert, damit wir die Freude einer Kirche entdecken können, die demütig und brüderlich dient.

Mutter jener Zärtlichkeit, die mit Geduld und Mitfühlen umhüllt, hilf, jenen die Traurigkeit, Ungeduld und Starre abzunehmen, die nicht wissen, dass sie dazugehören. Bitte bei deinem Sohn, dass unsere Hände, unsere Füße und unsere Herzen agil sind und wir mit ihnen die Kirche in der Wahrheit und mit Liebe auferbauen.

Mutter, wir werden das Volk Gottes sein, das zu seinem Königreich pilgert. Amen.

Video der gesamten Liturgie mit der Papstpredigt



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