'Jesus ist Arzt, Freund und Retter der Menschen'

1. Mai 2013 in Interview


Was macht eigentlich der ehemalige Oberhirte von Augsburg, Bischof Walter Mixa? PURmagazin hat ihn besucht. Im Interview mit Bernhard Müller gibt er Auskunft


Gunzenheim (kath.net/Pur Magazin) Kein deutscher Bischof ist in den letzten Jahren öffentlicher Kritik massiver ausgesetzt gewesen, als der frühere Augsburger Oberhirte Walter Mixa. Dabei hatte für den Stadtpfarrer von Schrobenhausen 1996 alles so gut begonnen. Überraschend ernannte ihn damals Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Eichstätt. Sein Wahlspruch lautete IESUS HOMINIS SALVATOR (Jesus, der Retter des Menschen). Er war der 80. Nachfolger des heiligen Willibald auf dem Eichstätter Bischofsstuhl.

Vier Jahre später ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Katholischen Militärbischof für die Bundeswehr und 2005 wurde er von Papst Benedikt XVI. zum 83. Bischof von Augsburg berufen. Mixa war ein durchaus streitbarer Oberhirte. Mehrmals kritisierte er den Kongo-Einsatz der Bundeswehr, verurteilte ungeschminkt die Abtreibungsmentalität in Deutschland und wehrte sich gegen flächendeckende staatliche Kleinstkinder-Betreuung. Solcherlei öffentliche Einwürfe schafften ihm in den Medien und kirchlichen Verbänden eine wachsende Zahl von Kritikern.

Im Frühjahr 2010, mitten in der monatelangen Missbrauchsdebatte um katholische Priester, wurde Walter Mixa mit zunächst anonymen Vorwürfen konfrontiert, die in nahezu allen deutschsprachigen Medien verbreitet wurden. Der Vorwurf lautete, dass Walter Mixa in seiner Zeit als Pfarrer Jugendliche misshandelt habe. Nachdem Mixa dies zunächst verneinte räumte er auf präzisere Nachfrage später ein, dass er wohl die eine oder andere Ohrfeige gegeben habe.

Nach wochenlangen Medienberichten über Misshandlungs- und Veruntreuungsvorwürfen wurde Walter Mixa am 21. April 2010 von engsten Mitarbeitern, denen er immer sein Vertrauen geschenkt hatte, aufgesucht, um ein vorgefertigtes Rücktrittsgesuch zu unterschreiben. Mixa bot daraufhin Papst Benedikt XVI. seinen Rücktritt vom Amt des Bischofs von Augsburg und von dem des Militärbischofs der Bundeswehr an, um „weiteren Schaden von der Kirche abzuwenden und einen Neuanfang zu ermöglichen“. Drei Tage später widerrief Mixa in einem Schreiben an den Papst sein Rücktrittsangebot.

Kurz danach zeigten Weihbischof Anton Losinger und der damalige Generalvikar Karlheinz Knebel den noch regierenden Bischof wegen eines ungeprüften Missbrauchverdachtes an. Der Verdacht war ohne ein Opfer, sondern alleine auf dem nachbarschaftlichen „Eindruck“ einer im Bistum Eichstätt angestellten Pastoralreferentin aufgebaut. Da es sich ganz offensichtlich um eine Verleumdung handelte, stellte die Generalstaatsanwaltschaft die ersten Vorermittlungen bereits nach einer Woche freispruchmäßig ein.

Doch da hatte Papst Benedikt XVI. das Rücktrittsgesuch bereits angenommen. Er verwies dabei auf einen Paragrafen des kanonischen Rechts, der den Ruhestand eines Geistlichen wegen Krankheit oder „anderer schwerwiegender Gründe“ vorsieht (Can 401 §2). Ein für den 18. Juli 2010 im Augsburger Dom geplanter Festgottesdienst anlässlich Mixas 40. Priesterjubiläums wurde von der Diözesanleitung abgesagt. Eine Anfrage Mixas, sein Priesterjubiläum in der Gebetsstätte Wigratzbad zu feiern, wurde von der Diözesanleitung ebenso abgelehnt.

Walter Mixa hatte als Bischof von Eichstätt, Augsburg und als Militärbischof freilich nicht nur Gegner, sondern vor allem unter den Gläubigen und den Soldaten der Bundeswehr zahlreiche Freunde und Verehrer. Viele Beobachter werteten seinen Rücktritt als für die jüngere Kirchengeschichte einzigartig und sprachen von einer bewusst angelegten Rufmordkampagne.

Für Walter Mixa selber ist das Kapitel äußerlich inzwischen abgeschlossen. Innerlich scheint er freilich ein verwundeter Mensch geblieben zu sein. Er spricht von bitteren Erfahrungen, gesteht aber eigene Fehler ein. Die Verleumdung, er sei in einen Missbrauchsfall verwickelt gewesen, tut ihm immer noch „sehr weh“, auch wenn er in dieser Sache völlig rehabilitiert wurde. Der heute in Gunzenheim lebende und in der Seelsorge sehr engagierte Bischof ist im Frühjahr 2012 von Papst Benedikt XVI. in den Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst berufen worden. Damit begann für den 71-Jährigen eine neue Lebens- und Wirkungsphase. PUR-Redakteur Bernhard Müller besuchte den emeritierten Bischof von Augsburg und Eichstätt und sprach mit ihm über seine neuen Aufgaben.


PUR: Sie sind vor einem Jahr von Papst Benedikt XVI. zum Mitglied des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst ernannt worden. Hat Sie das überrascht?

Bischof Walter Mixa: Das hat mich schon überrascht. Damit hatte ich nicht gerechnet und ich habe das auch nicht angestrebt. Andererseits hat es mich gefreut, weil ich gerade in der Krankenseelsorge eine wichtige Aufgabe sehe und weil ich selber als Militärbischof jahrelang die Soldatenwallfahrten nach Lourdes begleitet habe, und da sind auch immer kranke Soldaten mitgepilgert. Selbstverständlich habe ich als Diözesanbischof in Eichstätt wie in Augsburg auch Wallfahrten mit gesunden und kranken Menschen nach Lourdes begleitet und mit den Pilgern gute Gespräche geführt und Gottesdienste gefeiert.

PUR: Was heißt diese Berufung für Sie? Bedeutet sie eine nachträgliche Anerkennung Ihres früheren bischöflichen Dienstes durch den Vatikan? Und verbindet sich damit neben Ihrer regelmäßigen Teilnahme an den Treffen des Rates in Rom auch eine pastorale Tätigkeit in Deutschland?

Bischof Mixa: Natürlich sehe ich darin auch einen pastoralen Auftrag zur Seelsorge an Kranken und zur Begleitung von kirchlichen Mitarbeitern im Gesundheitswesen. Dieser wichtige Aspekt ist besonders beim Welttag der Kranken Anfang Februar dieses Jahres in Bayern zur Geltung gekommen. Zusammen mit dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, Erzbischof Zymut Zimowski, feierte ich Gottesdienste in Eichstätt, Altötting und München und wir hatten Begegnungen mit zahlreichen Kranken. Ich habe auch bereits Kontakt mit den Maltesern aufgenommen, die ja seit vielen Jahrzehnten Dienst an den Kranken leisten und die ich von meiner Zeit als Militärbischof gut kenne.

PUR: Sie galten nach dem Tod von Erzbischof Dyba als einer der wenigen Bischöfe, die gerade in Fragen des Lebensrechtes ungeborener Kinder, in der Auseinandersetzung mit der Gender-Ideologie und bei der Betreuung von Kleinstkindern in Krippen katholischen Klartext gesprochen haben. Glauben Sie, dass Ihnen diese Positionierung in der schwierigen Zeit vor Ihrem Rücktritt geschadet hat?

Bischof Mixa: Ich habe es immer als meinen bischöflichen Auftrag angesehen, der Wahrheit das Wort zu reden. Ich glaube nicht, dass ich mich in diesen Fragen besonders in die Öffentlichkeit gedrängt habe, aber wenn es mir notwendig erschien und ich gefragt wurde, habe ich mich nicht gescheut, die eindeutige Position der katholischen Lehre auch auszusprechen und gegenüber der Gesellschaft Menschenwürde und Menschenrechte einzufordern.

Dass ich dafür gerade von bestimmten Medien und sogar innerkirchlichen Kreisen keinen Beifall erhalten würde, musste ich von vorneherein wissen.

Natürlich hat mir das in der Auseinandersetzung vor meinem Rücktritt dann auch geschadet. Ich war eben durch meine Äußerungen in diesen lebenswichtigen Fragen für viele schon längst zu einem Stein des Anstoßes geworden.

PUR: Die Diskussion um die Fragen von Lebensrecht und Familie sind in der Gesellschaft ja nicht zu Ende. Seit Monaten wird um das Betreuungsgeld für Eltern gestritten. Der katholische Caritas-Verband und die Diözese Rottenburg-Stuttgart haben sich gegen ein Betreuungsgeld ausgesprochen und gefordert, dass Kleinstkinder stattdessen in Krippen betreut werden sollen.

Bischof Mixa: Ich habe in dieser Frage meine Position nicht geändert. Es ist ja auch gar keine religiöse Frage, sondern die wissenschaftlich-psychologischen Erkenntnisse über das frühkindliche Verhalten während der ersten Monate und Jahre sind eindeutig: Die Säuglinge brauchen ihre Mutter und natürlich auch ihren Vater. Ich verstehe nicht, dass man diese Erkenntnisse ignoriert.

PUR: Uneinigkeit innerhalb der Kirche über grundsätzliche Fragen, priesterliche Aufrufe zum Ungehorsam, Niedergang des sonntäglichen Kirchenbesuchs, Verrat im Vatikan. Was ist eigentlich mit der katholischen Kirche in Westeuropa los?

Bischof Mixa: Die Kirche befindet sich in einer schweren Krise. In den letzten Jahrzehnten hat der Relativismus in unserer Gesellschaft immer stärker zugenommen. Leider ist dieser Virus auch in die Kirche eingedrungen. Statt in einer Zeit der gesellschaftlichen Säkularisierung in der Verkündigung Glaubensinhalte in einer verständlichen Weise zu vermitteln, haben wir leider viel zu oft nur über allgemein sozialkritische, ethische oder caritative Themen gesprochen.

Die katholische Kirche darf sich nicht zu sehr ablenken lassen von ihrem göttlichen Auftrag, die frohmachende und erlösende Botschaft Jesu zu verkünden, die sieben Sakramente zu spenden und sich um das Seelenheil der Menschen zu sorgen. Statt der fortdauernden innerkirchlichen Diskussionen um Frauenpriestertum, Zölibat und so fort, gilt es die Schätze des Glaubens wieder zu heben.

PUR: Papst Benedikt XVI. hat während seines Deutschlandsbesuchs im September 2011 eine „Entweltlichung“ der Kirche in Deutschland gefordert. Ist die Kirche zu verweltlicht?

Bischof Mixa: Für uns in der katholischen Kirche muss immer die entscheidende Frage bleiben: Was wollte Jesus wirklich, wie und welche Kirche wollte er? Papst Benedikt hatte mit seiner Forderung nach einer Entweltlichung der Kirche absolut Recht. Und nach den ersten Auftritten von Papst Franziskus ist offensichtlich, dass er den von Benedikt eingeforderten Weg der Entweltlichung der Kirche fortsetzen und umsetzen wird.

Wir werden uns in den nächsten Jahrzehnten wohl auch in kleineren Gemeinschaften zusammentreffen und die Kirche wird wahrscheinlich finanziell nicht mehr so gut ausgestattet sein. Vor allem scheint mir vieles in der Kirche überbürokratisiert zu sein.

Gerade in diesem Bereich braucht die Kirche eine Reform. Es geht nämlich nicht um bürokratische Strukturen, sondern es geht um den einzelnen Menschen, dem die Sorge der Kirche gelten muss. Das ist der Auftrag der Kirche.

Eine Rückbesinnung darauf ist dringend nötig. Jesus ist der Arzt und der Freund der Menschen, Jesus ist ihr Retter. Dies zu verkünden ist Auftrag der Kirche. Deshalb ist es auch so wichtig, um Priester- und Ordensberufe zu beten und geeignete junge Leute darauf aufmerksam zu machen.

PUR: Wie muss sich die Kirche in Zukunft in der Welt verstehen?

Bischof Mixa: Als Jesus vor seiner Verurteilung von Pilatus gefragt wurde: „Bist du ein König?“ antwortete er: „Ja, ich bin ein König. Aber mein Königreich ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen. Aber mein Königtum ist nicht von hier. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ Damit ist vieles von dem beantwortet, was Aufgabe der Kirche in der Welt von heute ist.

PUR: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das empfehlenswerte „Pur Magazin“ kann im preiswerten Abo bezogen werden.


© 2013 www.kath.net