Alles ist anders

13. März 2013 in Aktuelles


Nicht nur der Rauch ist anders, der diesmal schwärzer ist als damals beim Konklave 2005 und – hoffentlich – beim letzten Wahlgang auch weißer. Von Paul Badde (Die Welt)


Vatikan (kath.net/Die Welt) Bei diesem Konklave ist alles anders als im April 2005. Es sind nicht nur die Riesenbildschirme, die den Kamin auf der Sixtina viermal auf dem Petersplatz im XXL-Format vergrößern. Es ist nicht nur der Rauch, der diesmal schwärzer ist als damals und – hoffentlich – beim letzten Wahlgang auch weißer.

Vor allem der Rücktritt Benedikt XVI. scheint bei vielen Beteiligten in der Sixtina und auf dem Platz noch immer vollkommen unverdaut. „Wer ein 40-minütige freie Rede halten kann wie Benedikt neulich beim Abschied vom römischen Klerus, der kann nicht für sich beanspruchen, dass man ihm seine Schwäche oder sein Alter als plausiblen Grund für seinen Amtsverzicht abnimmt,“ sagt ein erfahrener Kardinal, der so alt ist, dass er an der Wahl nicht mehr teilnehmen kann: „Der Apostel Petrus war doch selber schwach. Wie will er sich da mit Schwäche entschuldigen?“ Auch ein anderer jüngerer Kardinal, der jetzt mit im Konklave sitzt, macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Das durfte Benedikt einfach nicht. Das Amt gehörte ihm doch nicht. Er gehörte dem Amt. Hatte er in all seiner theologischen Brillanz denn den Herrn selbst vergessen, der zu Petrus sagte: ‚Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst.’ – Wie konnte er da nun sagen: Nein, ich gehe jetzt da hin, wo ich will? Was sollen wir da vom Rest all seiner schönen Worte halten?!“ Der Kirchenfürst ist sichtlich erschüttert und das sah man ihm auch bei seinem Gang in die Sixtinische Kapelle noch an, der von den Kameras des Vatikanischen Fernsehens in die ganze Welt übertragen wurde.

Tatsächlich ist der Gedanke mehr als gewöhnungsbedürftig, dass diesmal auch der Ex-Papst den Gang des Konklaves an seinem Fernseher in Castel Gandolfo verfolgte und nicht wie sein Vorgänger vom „Fenster im Haus des Vaters, von wo er uns sieht und segnet“, wie Joseph Ratzinger in seiner bewegenden Predigt beim Requiem für Johannes Paul II. vor acht Jahren sagte. Nichts von dem Heute. Deshalb fehlt jetzt vielen auch ganz offensichtlich bis jetzt noch das Mitleiden mit dem letzten Papst, auch die Trauer über seinen Tod, das Requiem, und die Predigt, die gesamte Trauerarbeit, die die Luft für einen wahren Neuanfang klärt.

Diesmal ist da bis jetzt nur eine unbestimmte Leere und Unsicherheit: nichts. Es regnet heftiger als im April 2005. Die Erwartung ist weniger heiter, der Ausgang ungewisser, die Nervösität bei vielen größer – wie nach einem Erdbeben und der beängstigenden Erfahrung, dass der feste Grund unter den Füßen nachgegeben hat. Dass auf den großen Johannes Paul II. ein großer Papst folgen würde, schien damals völlig gewiss. Nach dem Pontifikat Johannes Paul II. hatte auch eine große Gelassenheit den Petersplatz erfüllt, wo sich damals viele Gruppen zum Gebet nieder ließen. Dazu ist es diesmal einfach zu nass. Diesmal ist alles ist anders.

All dies scheint nach „dem leuchtenden Pontifikat Benedikt XVI.“ (Angelo Sodano) heute auch Erzbischof Gänswein, dem Sekretär Benedikt XVI. ins Gesicht geschrieben, der die Kardinäle noch bis zur Messe begleiten durfte und dann umkehren musste. Von der Tageszeitung „La Repubblica“ kursiert ein erschütterndes kleines Video von ihm im Netz, wo er schluchzend mit Benedikt den Palast verlässt. Jetzt steht ihm nur und immer noch der Schock ins Gesicht geschrieben. Bei diesem Anblick will man sich das Gesicht des alten Papstes gar nicht vorstellen, wenn ihn vielleicht in diesen Tagen die Erkenntnis überfallen mag, dass er wohl doch nicht alle Konsequenzen bedacht haben mag, die sein Schritt zur Folge hatte. Es gibt Afrikaner und Mexikaner, die dem deutschen Beobachter vor den Kolonnaden immer noch wegen des „heiligmäßigen“ Papstes gratulieren, den Deutschland der Welt in Benedikt geschenkt hatte – und die den „Papa emeritus“ für seinen Lebensabend am liebsten nach Guinea oder Mexico-City einladen möchten.

Ein alter Mann aus Vietnam wünscht sich Robert Sarah aus Guinea als Nachfolger – und nach ihm Kardinal Tagle aus Manila, „wenn der etwas älter geworden ist“. Der Mann denkt in großen Zeiträumen.

Diesmal ist auch von viel mehr Kandidaten die Rede als 2005 - und die Zeitungen sind noch voller mit wilden Spekulationen. Auch die Medien sind viel nervöser – und das Netz bricht unter den unvorstellbar großen Datenmengen dauernd zusammen, die in diesen Stunden vom Petersplatz abgesetzt werden.

„Warten wir es doch ab,“ sagt ein junger Priester aus Portugal am Obelisken. „Der Schritt Benedikt XVI. ist noch gar nicht vollendet. Zu dieser Vollendung kommt es erst mit der Wahl seines Nachfolgers.“ Er lacht. „Oder zu einer Art Revision dieses Schrittes.“ Auch das ist heute anders. Im Frühjahr 2005 gab es zwei Schritte. Der erste bestand im Sterben und im Tod Johannes Paul II. – der zweite in der Wahl und dem Neubeginn durch Benedikt XVI. Diesmal überlebt Benedikt XVI. die Wahl seines Nachfolgers. „Ja“, lacht der Mann aus Lissabon noch einmal, „das ist die gute Nachricht: Benedikt lebt!“ – Doch leider sehen auch das nicht alle so.


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