Lässliche Sünde, schwere Sünde, Todsünde

13. Dezember 2012 in Kommentar


Ohne die Todsünde als reale Möglichkeit wegzureden, ganz so leicht ist es gar nicht, eine wirkliche Todsünde zu begehen. - Ein kath.net-KLARTEXT von Weihbischof Andreas Laun (Salzburg)


Salzburg (kath.net) „Todsünden und lässliche Sünden“, diese Unterscheidung der christlichen Verkündigung ist in die Sprache eingegangen und wird auch von überzeugten Atheisten benützt! Sie scheint ziemlich leicht verständlich zu sein, aber der Schein trügt.

Vor allem ist auch denen, die in der Verkündigung stehen, zu sagen: Man muss von der Todsünde sprechen, gerade weil sie ist, was sie ist: Etwas Grauenhaftes, sie trennt von Gott!

Aber darum sollte man auch nur mit großem Ernst und Vorsicht über sie sprechen. Todsünde ist ja nicht nur ein „Streit“ mit Gott, sondern die radikale, von Stolz und Gotteshass verhärtete, nach dem Tod endgültige Trennung von Gott, der das ganze und das einzige Glück des Menschen wäre!

Ohne die Todsünde als reale Möglichkeit wegzureden, ganz so leicht ist es gar nicht, eine wirkliche Todsünde zu begehen. Und außerdem: Solange der Mensch lebt, wird Gott bis zur letzten Sekunde des Lebens dieses Menschen ihm „nachzulaufen“, und ihn, wenn er es zulässt, neu in die Arme zu schließen - wie anschaulich beschrieben, in der Geschichte vom barmherzigen Vater. Und zudem: Zur Todsünde, „nach der nichts mehr geht“, wird die schwere Sünde erst mit dem Tod, bei dem die Verhärtung endgültig wird.

In der Seelsorge ist es gut, nicht nur von lässlicher oder Todsünde zu reden, sondern auch von schwerer Sünde, die eigentlich eine „schwere lässliche Sünde“ ist, weil sie von Gott noch nicht ganz trennt, aber doch der Trennung näher ist als die alltägliche lässliche Sünde! Wer zu schnell von Todsünde redet, nimmt dem Begriff den Ernst oder, je nach Veranlagung eines Menschen, erzeugt er Ängste, die nicht der Wahrheit entsprechen.

Zu reden ist auch über die Frage: Wie sind sie zu unterscheiden, was ist eine schwere oder vielleicht sogar eine Todsünde und was ist „nur“ eine lässliche Sünde?

Gut verständliche Vergleiche sind rasch zur Hand: Die schwere Sünde bringt die Gottesbeziehung in ernste Gefahr oder bricht als Todsünde ganz mit Gott, die lässliche Sünde belastet nur die Beziehung zu ihm. Oder auch: Der Unterschied ist wie der zwischen einer kleinen und einer tödlichen Verletzung, zwischen einer Verkühlung und einer tödlichen Krankheit. Der Katechismus Nr. 1857 beschreibt den Unterschied so: „Eine Todsünde ist jene Sünde, die eine schwerwiegende Materie zum Gegenstand hat und die dazu mit vollem Bewusstsein und bedachter Zustimmung begangen wird!“

So weit ziemlich klar, aber nicht mehr ganz so klar ist diese Beschreibung der Todsünde, wenn man an Hand dieser Lehre eine konkrete Sünde „bewerten“ will. Erstens deswegen nicht, weil da man in den Menschen nicht hineinschauen kann und daher immer ein Rest an Unsicherheit bleibt, ob der Betreffende wirklich gewusst hat, was er tut, und auch, ob oder wieweit er bei seinem objektiv sündigen Verhalten wirklich frei war.

Diese letzten beiden Fragen zu beantworten gehört vor allem in die Kompetenz des Gewissens des Einzelnen, aber nicht einmal dieses kann in jedem Fall mit letzter Sicherheit sagen, wie frei und wie wissend die sündige Tat begangen wurde. Das letzte Urteil bleibt bei Gott allein.

Die nächste und besonders schwierige Frage lautet: Freiheit und Einsicht vorausgesetzt, was ist eine Materie, die „leichte“ Sünden begründet und was ist eine, die eine schwere oder gar Todsünde verursacht? Eine gut gemeinte, in Wirklichkeit aber verunglückte Erklärung dieser Frage nach der Materie von lässlichen und schweren Sünden steht heute in einem katholischen, noch weit verbreiteten Lehrbuch (das aber in der nächsten Auflage korrigiert sein wird). Dort heißt es nämlich: „Eine schwere Sünde schneidet den Menschen von Gott ab. Eine solche Sünde hat zur Voraussetzung, dass sie sich auf einen bedeutsamen Wert bezieht, also sich gegen das Leben oder gegen Gott selbst richtet (z.B. Mord, Gotteslästerung, Ehebruch etc.) und dass sie in voller Erkenntnis und mit voller Zustimmung begangen wurde. Lässliche Sünden sind Sünden, die sich auf nachgeordnete Werte (Ehre, Wahrheit, Eigentum usw.) beziehen, oder Sünden, die nicht in voller Erkenntnis ihrer Tragweite bzw. nicht mit voller Zustimmung geschehen sind. Solche Sünden stören die Beziehung zu Gott, aber sie brechen nicht mit ihm.“

Die jeweils genannten Beispiele für Materie, die schwere Sünden begründen, und Materie, die nur lässliche Sünden bewirken könne, sind falsch, und zwar aus folgendem Grund: Auch Sünden gegen das Leben und sogar gegen Gott können leichte Sünden sein, und umgekehrt können Sünden gegen Ehre, Wahrheit und Eigentum besonders schwere Sünden sein.

Materie, die angeblich nur schwere Sünden begründet:

Überraschenderweise ist die jeweils genannte „schwere Materie“, um bei dieser zunächst zu bleiben, sachlich nicht einfach zu benennen, sondern wird erst durch die Umstände zu einer „schweren Materie“, gegen die sich zu verfehlen immer schwere Sünde oder im schlimmsten Fall sogar Todsünde ist.

Verstöße gegen das menschliche Leben

Nicht jeder Verstoß gegen das menschliche Leben ist schwere Sünde, sondern erst die absichtliche Tötung eines Unschuldigen (vgl. Evangelium vitae 57), und auch diese nur unter bestimmten Bedingungen! Natürlich ist Mord Todsünde, aber nicht jede Handlung, die zum Tod eines Menschen oder zur Verletzung eines Anderen führt, ist Mord und Todsünde!

Verstöße gegen die Ehe

Ähnliches gilt für Ehebruch: Ehebruch nennt man den Geschlechtsverkehr mit einem Partner, der mit einer anderen Person verheiratet ist. Jesus sagt (Mt 5,28): „Wer eine Frau auch nur lüstern anschaut, hat mit ihr die Ehe schon gebrochen!“ und redet dabei sicher nicht nur von Menschen, die verheiratet sind! Kein Christ wird dieses Wort in Zweifel ziehen, aber es ist nicht „zweifeln“, sondern wichtig, über den Sinn des Wortes nachzudenken! Denn nicht jeder Blick ist ein schwer sündhafter „lüsterner Blick“ im Sinn des Jesus-Wortes, es gibt auch einen Blick der liebenden Sehnsucht, der überhaupt keine Sünde ist, und einen anderen Blick, der einen kleinen oder auch größeren Schritt zu weit geht, der es eher bei der Freude an der Versuchung beließ und sicher nicht als schwere Sünde zu werten ist! Wenn der Blick die Grenze überschreitet, ist er zunächst wohl eine lässliche Sünde und erst dann im größeren Abstand von dieser Grenze eine schwere Sünde.

Sogar Gott gegenüber gibt es nicht nur schwere Sünden: Ein unpassender Witz, der auch Gott selbst zum Gegenstand des Lachens macht, ist wohl in den meisten Fällen nur eine lässliche Sünde und nicht eine schwere Sünde.

Umgekehrt ist es genauso! Das zitierte Buch nennt als Materie lässlicher Sünden „untergeordnete Werte“ und zählt als solche auf die Ehre, die Wahrheit und das Eigentum.

Genau genommen führt diese Aufzählung zur absurden Folgerung, Verstöße gegen diese „Werte“ seien grundsätzlich höchstens lässliche Sünden! Aber auch das ist falsch und lässt sich leicht widerlegen:

Zum angeblich untergeordneten Wert der Ehre: „Ehrabschneidung“ kann einen anderen Menschen in den Ruin, in Verzweiflung treiben und grauenhafte Folgen haben: Die ungerechte Beschuldigung eines Richters, eines Priesters oder Lehrers, er hätte Kinder sexuell missbraucht, ist sicher keine nur „lässliche Sünde“! Ein literarisches Beispiel wäre Jago im Shakespearedrama Othello, ein biblisches ist Susanna (Dan 13,1ff): Die Verleumdung der drei Alten hätte der Frau beinahe das Leben gekostet!

Zum angeblich untergeordneten Wert der Wahrheit: Wodurch hat die „Schlange“ den Menschen verführt? Nicht durch eine „lässliche“, sondern durch eine Lüge unvorstellbarer Bosheit, eine unüberbietbar schwere Sünde (wenn man in Bezug auf den Teufel noch so reden kann)! Es gibt viele Beispiele für schwer sündhafte Lügen. Ein besonders tragisches Beispiel ist die Lüge der US-Abtreibungslobby: Mit einer Lüge bezüglich der Zahlen über der illegale Abtreibungen und deren Folgen setzten sie jenes liberale Gesetz durch, das seither Millionen Kindern das Leben gekostete. Kein Mensch wird daran zweifeln, dass diese Lüge eine Todsünde war!

Zum angeblich untergeordneten Wert des Eigentums: Jemandem ein Stück Schokolade zu „stehlen“ ist sicher eine bloß lässliche Sünde. Aber weder ein Bankraub noch eine Finanzspekulation, durch die tausende Menschen ihre Arbeit, Ersparnisse, ihre Häuser verlieren, kann man eine lässliche Sünde nennen!

Übrigens erzählt die Bibel Geschichten, in denen die Handelnden nicht nur gegen das Leben, sondern zugleich gegen die Wahrheit, gegen die Ehe und gegen das Eigentum schwer gesündigt haben: David ist ein Beispiel (2 Sam 11,1), König Ahab und seine Frau Isebel (1 Kön 21,1ff) ein anderes!

Wie man sieht: Von der Materie, von ihrem Gegenstand her, kann man nicht ohne weiteres entscheiden, ob eine Tat schwere oder nur lässliche Sünde war. Wer so folgert, gerät in Gefahr, entweder rigoristisch zu übertreiben oder umgekehrt laxistisch zu verharmlosen. Für beide Fehler gibt es Beispiele in der Geschichte der Kirche. Es gab Theologen, die meinten, im Bereich des 6. Gebotes, also bei allen Handlungen, die mit Sexualität zu tun haben, könne es „grundsätzlich“ keine lässlichen Sünden geben, Verstöße gegen das 6. Gebot seien immer und zudem besonders schwere Sünden! Und umgekehrt: Es gab laxistische Moraltheologen, die sich rühmten, die „enge Pforte“ (Lk 13,24), von der Jesus gesprochen hatte, ein wenig „verbreitert zu haben“, indem sie schwere Sünden in lässliche oder gar keine Sünde umdeuteten. Sowohl die rigoristischen als auch die laxistischen Irrtümer belasten die Menschen und schaden der Kirche. Wahr ist vielmehr: In allen Bereichen des Lebens gibt es lässliche und schwere Sünden, erst die genauere Beschreibung dessen, was geschehen ist, und die Umstände der Tat machen eine gewisse Zuordnung möglich.

In der Frage nach der „schweren Sünde“ verbirgt sich noch eine Schwierigkeit: Biologisch gesehen ist man tot oder lebendig, und man kann nicht „mehr“ oder „weniger“ tot sein, tot ist tot!

Bei der Todsünde ist es anders: Die Sünde des Gotteshasses ist ihrer Natur nach weit schlimmer ist als etwa ein Ehebruch. In diesem Sinn kann man vorsichtig sagen: Der Ehebrecher ist seelisch „weniger tot“, das heißt, er ist nicht so weit von Gott getrennt wie derjenige, der sich bewusst zum Gotteshass bekennt. Und zudem: Solange er Todsünder auf dieser Erde lebt, ist seine Sünde noch nicht endgültig, er kann umkehren. Trotz aller Trennung von Gott begleitet ihn wie ein heller Schatten eine ihm vielleicht nicht bewusste Hoffnung! Erst nach dem Tod ist die Todsünde dann jener wirklich endgültige Zustand des Menschen, der Hölle heißt.

Die hier beleuchtete Frage ist wichtig für die Seelsorge. Es gibt den Unterschied zwischen lässlicher Sünde, schwerer Sünde und Todsünde, und man muss in Hinblick auf die Bildung der Gewissen unbedingt über diesen Unterschied sprechen. Von der Todsünde muss man reden einerseits, weil es dabei wirklich um Sein und Nichtsein eines Menschen, um sein ewiges Schicksal geht, andererseits gilt: Eine Gefahr, die man kennt, ist nicht so belastend wie diejenige, die unbekannt und darum viel unheimlicher, viel ängstigender bleibt. Aber man darf niemals vorschnell reden oder als „Drohargument“ einem Anderen gegenüber, weil der Gedanke an die Hölle einen gläubigen und sensiblen Menschen übermäßig schwer belasten kann. Auch von der lässlichen Sünde muss gesprochen werden. Sie ist häufiger als die Todsünde, aber deswegen hört sie nicht auf, Sünde zu sein. Der KKK zitiert zu diesem Thema Augustinus: „Halte aber diese Sünden, die wir als leicht bezeichnen, nicht für harmlos. Falls du sie für harmlos ansiehst, wenn du sie wägst, zittere, wenn du sie zählst. Viele kleine Dinge bilden eine große Masse; viele Tropfen füllen einen Fluß; viele Körner bilden einen Haufen. Welche Hoffnung haben wir also? Zuerst das Bekenntnis!“

Das Zeugnis der Schrift über Sünde und Vergebung:

Die Sünde beruht auf einer Lüge! (Gen 3,1ff)
Die Sünde führt ins Unglück! (Gen 3,14ff)
Der Sünder kann zurück zum Vater! (Lk 15,11ff)
Der Sünder kann nicht teilnehmen am Fest Gottes ohne das Hochzeitsgewand! (Mt 22,11).
Todsünde führt ins endgültige Verderben (Mt 25,31).

Gott ist bereit zu verzeihen:
Isaiah 1:18 „Wären eure Sünden auch rot wie Scharlach, sie sollen weiß werden wie Schnee. Wären sie rot wie Purpur, sie sollen weiß werden wie Wolle“ (Jes 1,18).
„Du hast mich aus meiner bitteren Not gerettet, du hast mich vor dem tödlichen Abgrund bewahrt; denn all meine Sünden warfst du hinter deinen Rücken“ (Jes 38,17).
„Er wird wieder Erbarmen haben mit uns und unsere Schuld zertreten. Ja, du wirfst all unsere Sünden in die Tiefe des Meeres hinab“ (Mi 7.19).


© 2012 www.kath.net