Kein Respekt vor dem Christentum?

3. Oktober 2012 in Weltkirche


Christen sind die am meisten diskriminierte Gruppe in Europa - Von Nina Schmedding (KNA)


Brüssel (kath.net/KNA) Darf man eine Madonna aus einer Kirche auf die Straße werfen? In einem Theaterstück das Antlitz Jesu mit Kot beschmieren? Oder den Papst als inkontinenten Mann darstellen? Mit der Frage, welche Haltungen hinter solchen Handlungen stecken und welche Signalwirkung von ihnen für religiöse Gruppen und die Gesellschaft ausgehen, beschäftigten sich am Dienstag in Brüssel Vertreter aus Religion und Politik. Die Diskriminierung von Christen in Europa stand im Mittelpunkt des vom EU-Parlament und der EU-Bischofskommission COMECE gemeinsam veranstalteten Symposiums.

Einen deutlich negativen Trend sieht die Wiener Beobachtungsstelle gegen Intoleranz und Diskriminierung von Christen in Europa. Laut Statistik seien Christen die am meisten diskriminierte religiöse Gruppe Europas: 84 Prozent des Vandalismus in Frankreich richten sich demnach gegen christliche Gebetsstätten. 48 Prozent aller Geistlichen in Großbritannien machten innerhalb eines Jahres diskriminierende Erfahrungen. Und in Schottland würden 95 Prozent aller anti-religiös motivierten Gewalttaten gegen Christen verübt.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Europa fordere deshalb schon seit Jahren einen öffentlichen Dialog über die Diskriminierung von Christen in Europa, betonte der Vertreter der Beobachtungsstelle, Martin Kugler. Außerdem empfehle sie die Überarbeitung von Gesetzen mit möglichen negativen Auswirkungen für Christen. Dabei gehe es nicht um Privilegien, die Christen einforderten, so Kugler. Es gehe nur um gleiche Rechte.

Auffällig sei, dass Medien und Politik über Diskriminierung oder Intoleranz gegenüber Christen nicht oder nur ansatzweise berichteten, kritisierte Florian Kolfhaus, vatikanischer Vertreter aus dem Staatssekretariat. «Man stelle sich einmal vor, aus einer Synagoge würde eine Menorah von Vandalisten auf die Straße geworfen. Was gäbe das für einen europaweiten Aufschrei - und zu Recht», sagt Kolfhaus. Ein ähnlicher Vorfall in einer katholischen Kirche im vergangen Jahr in Italien habe dagegen nahezu keine Aufmerksamkeit erregt. Nicht jedes Graffiti an Kirchenmauern oder auf christlichen Grabsteinen sei Ausdruck des Hasses, stellte Kolfhaus fest. Aber es zeige mangelnden Respekt und mangelndes Verständnis gegenüber der Religion.

Der Sekretär der EU-Bischofskommission COMECE, Piotr Mazurkiewicz, erklärte, es sei überraschend, dass im liberalen demokratischen Kontext Europas Diskriminierung von Christen diskutiert werden müsse. Von Politik und Gesellschaft würden säkulare Sichtweisen bevorzugt, weil man meine, sie seien neutral. Wenn man ein Kreuz aus einem Klassenzimmer entferne, habe dies aber eine Bedeutung. Auch säkulare Bewegungen könnten schließlich intolerant sein: Als Beispiel nannte Mazurkiewicz die Schließung katholischer Adoptionsagenturen in Schottland aufgrund von politischem Druck, weil sie homosexuellen Paaren keine Kinder vermitteln wollten. Toleranz bedeute aber doch, auch Gegenmeinungen zuzulassen.

Einig waren sich EU- und Kirchenvertreter vor allem darin, dass dem Schutz der christlichen Gewissensfreiheit im europäischen Recht eine größere Bedeutung zukommen müsse. Es müsse erlaubt sein, dass ein Mediziner nicht an einer Abtreibung mitwirken oder ein Apotheker keine «Pille danach» verkaufen wolle. «Wortmeldungen von Christen, die ihren Glauben verteidigen, werden dagegen zusehends als unpassend empfunden», kritisierte Kolfhaus. Die EU-Abgeordneten sicherten zu, sich im Parlament verstärkt für eine Thematisierung der Diskriminierung von Christen einsetzen zu wollen. Für eine Aussprache im EU-Plenum sei es allerdings noch zu früh; für viele Abgeordnete stelle eine offene Debatte darüber eine Bedrohung dar, weil sie sich mit dem Thema nicht auskennen würden, bedauerte der konservative EU-Abgeordnete Jan Olbrycht (EVP).

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