'Kirchliche Reformen bei uns beginnen – leider – beim Geld'

21. September 2012 in Kommentar


„Die heilige Kirche Jesu Christi ist bei uns in Gefahr, scheinheilig zu werden“ – Ein aktueller KATH.NET-Kommentar zum „Allgemeinen Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt“ von Professor Hubert Windisch


Regensburg (kath.net) Kurz vor der Verhandlung der Causa Zapp beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig legt die Deutsche Bischofskonferenz ein Allgemeines Dekret zum Kirchenaustritt vor, das letztlich das bisherige System der Verbindung von Kirchensteuer und Kirchenaustritt zementiert.

Damit vergibt die Deutsche Bischofskonferenz mit dem Segen des Vatikans eine große Chance, Reformen in der katholischen Kirche Deutschlands einzuleiten. Das vorliegende Dokument ist in gewissem Sinn sogar ein Schmähdokument, weil es weder die in letzter Zeit vorgebrachten pastoralen, theologischen und juristischen Einwände gegen das geltende Kirchensteuersystem noch die Sorge von vielen Gläubigen ernst nimmt, die aus Liebe zur Kirche etwas an diesem System ändern möchten.

Nach wie vor kann man also an der hiesigen Kirchenfinanzierung nicht rütteln, ohne aus der Kirche auszutreten. Und nach wie vor wird ein Kirchenaustritt vor einer staatlichen Stelle hart bestraft. Auch wenn das Wort Exkommunikation im Dekret nicht mehr fällt, der Sachverhalt der Wirkungen eines Kirchenaustritts bleibt derselbe.

Wahrscheinlich will man damit ablenken und beschwichtigen, verkauft aber eigentlich die Gläubigen nur für dumm. Hier liegt die alte Drohbotschaft der Exkommunikation in etwas aufgehübschtem Mäntelchen vor.

Eine Kirche aber, die sich bis in Führungskreise hinein in substanzialen Dingen des Glaubens und der Moral (etwa in bezug auf den Sühnetod Jesu am Kreuz, die Sicht und die Feier der Eucharistie, die Sicht der Ehe, die Einstellung zu Donum Vitae oder zur Homosexualität) gehen lässt, und gleichzeitig zeitbedingte staatskirchliche Fragen quasidogmatisiert, ist nicht mehr glaubwürdig.

Die heilige Kirche Jesu Christi ist bei uns in Gefahr, scheinheilig zu werden.

Es drängt sich einem der begründete Verdacht auf, man wolle mit diesem Dekret mit allen Mitteln ein System aufrecht erhalten, an das immer öfter von Gläubigen mit gutem Recht die Anfrage gestellt wird, ob es nicht weithin eine mit Kirchensteuermitteln hochdotierte Selbstzerstörung der Kirche fördert.

Eine solche Kirche aber, die unter dem Drohschutzschild einer de-facto-Exkommunikation sich selbst mit Zwangsfinanzierung erhält, brauchen die Menschen von heute immer weniger. Die rapide Abnahme der Kirchenmitglieder in deutschen Landen spricht diesbezüglich eine untrügliche Sprache.

Warum vertraut man nicht der Freiheit eines Christenmenschen wie etwa in Italien oder in der Schweiz? Es gäbe sicher viele Gläubige, die ihren Pflichten nach c. 222 § 1 CIC auch in finanzieller Hinsicht mehr als genügend nachkämen, und es entstünde über eine formale Kirchenzugehörigkeit hinaus Identifikation mit der Kirche, ja sogar kirchliche Identität.

Aus dem vorliegenden Dokument hingegen spricht Mißtrauen und Kleinglaube, schlimmer noch, die Mißachtung eines strengen Wortes Jesu in Mt 6,24, wo er sagt: Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon (Geld).

Was kann man tun? Man kann resignieren und warten, bis der Staat von sich aus diese unselige Klammer zwischen Staat und Kirche in Bezug auf die Kirchensteuer löst.

Man könnte natürlich auch darauf hoffen, dass sich viele Laien verbünden und sich gemäß c. 212 § 3 CIC gegen dieses Dekret wehren, damit in der katholischen Kirche Deutschlands endlich Reformen eingeleitet werden, die sich nicht auf dem Weg eines lächerlichen Dialogprozesses einstellen.

Kirchliche Reformen bei uns beginnen – leider – beim Geld.


Professor Hubert Windisch hatte bis zu seiner Emeritierung im April dieses Jahres den Lehrstuhl für Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg inne.


Foto Prof. Hubert Windisch: © Universität Freiburg


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