21. September 2012 in Deutschland
Mit einem offenen Brief an Außenminister Guido Westerwelle kritisierte der Wiesbadener CDU-Kommunalpolitiker Bernhard Lorenz die ungleichen Reaktionen auf Ehrverletzungen von Muslimen und Christen
Wiesbaden (kath.net) Die Signalwirkung Ihrer bisherigen Position erscheint mir verheerend. Dies schrieb Bernhard Lorenz, Fraktionsvorsitzender der CDU-Stadtverordnetenfraktion Wiesbaden, in seinem offenen Brief an Bundesaußenminister Guido Westerwelle unter Bezugnahme auf die aktuellen Diskussionen um den Schutz religiöser Bekenntnisse nach den gewalttätigen Ausbrüchen vielerorts wegen eines Mohammed-Schmähfilms. Wer Gewalt ausübt, unschuldigen Menschen das Leben nimmt, darf auf eine schnelle Reaktion des Staates in seinem Sinne hoffen, doch wer, wie Christen angesichts von Ehrverletzungen hierzulande, im Rahmen der Gesetze handelt, wird mit dem Verweis auf Meinungsfreiheit abgespeist. Lorenz bezeichnete es als nicht hinnehmbar, dass für unterschiedliche Religionen unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe angesetzt werden, wann eine Ehrverletzung vorliegt.
kath.net dokumentiert den offenen Brief des Fraktionsvorsitzenden der CDU-Stadtverordnetenfraktion Wiesbaden, Bernhard Lorenz, an Bundesaußenminister Guido Westerwelle vom 20.9.2012 zum Thema: Gewalt ist nicht zu rechtfertigen!:
Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Westerwelle,
mit großem Interesse habe ich Ihre Interviews und Stellungnahmen im Zusammenhang mit dem umstrittenen Film über den Propheten Mohammed verfolgt.
Zunächst möchte ich Ihre Aussagen bekräftigen, dass Gewalt nicht gerechtfertigt werden kann. Unschuldige Personen wurden in Reaktion auf das Video getötet oder verletzt eine Tatsache, die Deutschland nicht einfach hinnehmen kann.
In diesem Zusammenhang ist mir jedoch wichtig, dass zu der von Ihnen angesprochenen Meinungsfreiheit auch gehört, dass alle Religionen gleich behandelt werden müssen. Ein wichtiges Element, welches ich in Ihren Aussagen vermisse.
Es ist nicht hinnehmbar, dass für unterschiedliche Religionen unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe angesetzt werden, wann eine Ehrverletzung vorliegt.
Es ist bezeichnend, dass gerade deshalb ein Verbot für ein Video gefordert wird, weil sich Menschen in extremer und nicht zu rechtfertigender Weise hiergegen zur Wehr setzen. Frei nach dem Motto Je größer der zu erwartende Widerstand ist, desto eher scheinen die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland geneigt, demokratische Grundrechte einzuschränken.
Christen müssen Theaterstücke wie Über das Konzept des Angesichts bei Gottes Sohn gefallen lassen, in dem eine Jesusfigur mit Kot beschmiert und das Kreuz bespuckt wird.
Auch hier ist es zwar zu Tumulten gekommen. Protestler haben die Bühne gestürmt, Stinkbomben in den Zuschauerraum geworfen, die Besucher mit Tränengas attackiert und mit Motoröl begossen. Das Stück wurde fortan unter Polizeischutz aufgeführt.
Hier hat niemand laut ein Verbot und damit die Einschränkung von Kunst- und Meinungsfreiheit gefordert. Stattdessen durfte die Aufführung unter dem Schutz staatlicher Gewalt stattfinden.
Hätte es auch in diesem Fall einer brennenden Botschaft oder eines Todesopfers bedurft, damit sich die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland schützend vor das Ehrgefühl der Christen stellen?
Die Signalwirkung Ihrer bisherigen Position erscheint mir verheerend:
Wer Gewalt ausübt, unschuldigen Menschen das Leben nimmt, darf auf eine schnelle Reaktion des Staates in seinem Sinne hoffen.
Wer dagegen im Rahmen der Gesetze handelt, wird mit dem Verweis auf Meinungsfreiheit abgespeist.
Wir müssen für uns deshalb klären, welchem Grundrecht wir den Vorrang einräumen. Die verbindliche Einigung auf eine Position und keine Von Fall zu Fall Betrachtung, muss das erklärte Ziel sein.
In Deutschland, bis in die Kommunen hinein, ist es deshalb wichtig, einen gemeinsamen Verhaltenskodex zu erarbeiten und zu achten. Dieser Maßstab muss unabhängig für alle gelten und darf keine Sonderbehandlungen bei Gewalttätigkeit zulassen.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Lorenz
Fraktionsvorsitzender der CDU-Stadtverordnetenfraktion Wiesbaden
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