Das italienische System der Kirchenfinanzierung

21. September 2012 in Aktuelles


Die italienische Kirche ist im Verhältnis zur deutschen eine arme Kirche mit armen Priestern, bescheidenen Apparaten und einer großen Präsenz von "volontari" - Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Aus Anlass des „Allgemeinen Dekrets zum Kirchenaustritt“ der Deutschen Bischofskonferenz vom 20.9.2012 wiederholt kath.net einen Beitrag aus dem Jahr 2007:

Die Finanzen stimmen nicht mehr. In einer Zeit forcierter „Kirchenaustritte“ leiden die Kirchen Deutschlands, ob protestantisch oder katholisch, zunehmend unter finanziellen Problemen. Der Geldhahn schließt sich immer mehr. Das auf der Welt einzigartige deutsche Kirchensteuersystem sieht vor, dass acht bis neun Prozent des Einkommenssteueraufwands eines „Kirchenmitglieds“ an die Kirche abgeführt werden. Dieses System hat die deutsche katholische Kirche, neben der Kirche der Vereinigten Staaten von Amerika (die sich allerdings anders finanziert), zur reichsten Ortskirche der Welt werden lassen. Um es an einem Bild klar zu machen: allein der Finanzaufwand der Erzdiözese Köln wäre mehr als ausreichend, um den Finanzaufwand des gesamten Vatikanstaates zu bestreiten.

Trotz allen Jammerns, trotz der in den letzten Jahren sich objektiv immer verschlechternden Situation ist festzuhalten, dass es vom Finanziellen her keiner Kirche, keiner kirchlichen Institution, keinem Priester, keinem Mitarbeiter der Kirche auf der Welt so gut geht, wie in Deutschland. Sich dafür nur zu schämen, wäre heuchlerisch, etwas daraus zu machen ist geboten.

Diese finanzielle Kraft der deutschen Kirche ist von großer sozialer und politischer Relevanz und sollte in erster Linie Verantwortung mit sich bringen. Es verwundert nicht, dass die Geldfrage angesichts der Notwendigkeit einer Wiederevangelisierung auf breiter Ebene sich immer wieder mit der Besinnung auf eine Neugründung der Aufgaben und der sozialen Wirklichkeit der Kirche in Deutschland trifft. Die im Spiel stehenden Interessen sind groß.

So versäumt es der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner seit Jahren nicht, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es für die Mission in Europa angesichts der Vielzahl von Sinn und Orientierung suchender Menschen, die auf eine neue Welt hoffen, notwendig sei, sich von der „Sklaverei der Kirchensteuer“ zu verabschieden.

Für Zulehner ist es zu wünschen, dass die Gemeinden sich selbst finanzieren, Pfarrer und Pastoren zunehmend „ehrenamtlich“ tätig sind, um so zu einem wahren Zeugnis des Glaubens werden zu können. Der notwendige Strukturwandel der Kirche hat für Kommentatoren wie Zulehner in erster Linie eine spirituelle Bedeutung der Neubesinnung. Auch aus dem protestantischen Lager kommen oft ähnlichen Aussagen.

Die Kirchen sollten sich zunehmend auf freiwillige Spenden und Beiträge der Gläubigen basieren, so zuletzt der der evangelische Kirchentagspräsident Eckhard Nagel im Mai 2005. Nagel selbst nahm dann aber in der Presse diese Aussage wieder zurück: die Kirchensteuer sei bewährt und unverzichtbar für die Kirchen und die Gesellschaft.

All diese durch weniger Geld (!) provozierten Kritiken und Wunschsituationen für die Zukunft verweisen dann gern auf andere Systeme, wie zum Beispiel das Italiens. Wie finanziert sich die italienische Kirche? Stimmt es, dass in Italien ein alternatives, dem Prinzip der „Freiwilligkeit“ unterstelltes, aber im Ergebnis äquivalentes System der Kirchenfinanzierung existiert?

Die Antwort ist: nein. Zahlen die Italiener für die Kirche, wenn ja wie und wie viel? Um es gleich vorweg zu nehmen: ein Italiener zahlt aus eigener Tasche (sprich: als steuerähnliche Abführung) keinen einzigen Cent an die Kirche. Und: die italienische Kirche ist im Verhältnis zur deutschen eine arme Kirche mit armen Priestern, bescheidenen Apparaten und einer großen Präsenz von „volontari“, von Freiwilligen, die in der Kirche engagiert sind und für sie arbeiten. Diese „volontari“ mit „Ehrenamtliche“ zu übersetzen wäre falsch, da es weder um Ehre noch um „Amt“ geht, sondern um den konkreten Einsatz in den verschiedensten Bereichen und Stellen.

Die italienische Kirchenfinanzierung ist durch das Gesetz Nr. 222 vom 20. März 1985 geregelt: „Bestimmungen über die kirchlichen Einrichtungen und Güter in Italien und für den Unterhalt des in den Diözesen Dienst tuenden katholischen Klerus“. Es ist unter dem Namen „ Legge dell’Otto per Mille“ (Gesetz der Acht Promille) bekannt und seit dem Haushaltsjahr 1990 praktiziert.

Was bedeuten diese „acht Promille“, das heißt 0,8 Prozent? Im Konkordat von 1929 zwischen dem Königreich Italien und dem Heiligen Stuhl verpflichtete sich der italienische Staat, direkt für die Gehälter des katholischen Klerus und andere Bedürfnisse der Kirche aufzukommen. Dieses Verhältnis des Staates zur Kirche wurde im Zug der Verhandlungen zum neuen Konkordat von 1984 als veraltet und wenig transparent beurteilt und mit dem neuen Mechanismus der „Acht Promille“ ersetzt, der auch auf andere Religionen, Religionsgemeinschaften und den Staat selbst zu sozialen Zwecken und besonderen Hilfsmaßnahmen ausgedehnt wurde.

Im Gesetz Nr. 222 wurde festgelegt, dass der Staat pro Jahr acht Promille (0,8 Prozent) der gesamten Lohn- und Einkommensteuereinnahmen an die katholische Kirche, die anderen Konfessionen und den Staat selbst abtritt. Im Artikel 47 des Gesetzes wird der Mechanismus, der einer großen Volksabstimmung ähnelt, definiert: jeder Bürger kann bei der Lohn- oder Einkommenssteuererklärung per Unterschrift die Bestimmung der 0,8 Prozent der gesamten Lohn- und Einkommenssteuereinnahmen wählen. Im Moment stehen sieben Wahlmöglichkeiten zur Verfügung: 1. Staat, 2. katholische Kirche, 3. Vereinigung der christlichen adventistischen Kirchen des siebten Tages, 4. Versammlungen Gottes in Italien, 5. Vereinigung der Methodisten- und Valdenserkirchen, 6. Evangelisch-lutheranische Kirche Italiens, 7. Vereinigung der jüdischen Gemeinschaften Italiens.

Das Wesentliche ist, dass kein Steuerzahler die Zuweisung der 0,8 Prozent seines eigenen Steueraufkommens entscheidet: „Die Bestimmungen (der 0,8 Prozent der Steuereinnahmen) werden entsprechend der von den Steuerzahlern zum Ausdruck gebrachten Präferenzen …. festgelegt“ (Artikel 47). Sollte für keine der Bestimmungen unterschrieben worden sein, so werden diese „Leerstimmen“ proportional auf die ausgedrückten Stimmen verteilt.

Die 0,8 Prozent der eingenommen Steuergelder werden entsprechend der ausgedrückten Prozentualsätze vergeben.

Es ist leider mehr als bekannt, dass der italienische Fiskus bürokratisch aufgebläht, wenig kommunikativ und langsam ist. So gehen die letzten offiziellen Daten über die Verteilung der 0,8 Prozent der Gesamtsteuereinnahmen auf das Steuerjahr 1999 zurück. Die statistische Verteilung war die folgende: 87, 17%: katholische Kirche; 10,35%: Staat; 1,21% Methodisten und Valdenser; 0,46% Jüdische Gemeinschaften; 0,32% Lutheraner; 0,28% Adventisten; 0,21% Vereinigungen Gottes in Italien.

Das Interessante dabei ist, dass nur 38,33% der Steuerzahler ihre Wahl zum Ausdruck gebracht haben. Die restlichen 61,67%, die sich nicht für eine der sieben Gruppen äußerten, wurden dem Gesetz entsprechend proportional auf die sieben Gruppen verteilt. Da die Kirche und die anderen religiösen Gemeinschaften die Gelder nicht von den Mitgliedern selbst, sondern vom Staat auf der Basis eines ausgedrückten Konsenses erhalten, liegt ihnen daran, sowohl die Einnahmen als auch die Verwendung der Gelder zu dokumentieren. So veröffentlichte die italienische Bischofskonferenz im März 2005 die Acht-Promille-Einnahmen und die vorgesehenen Ausgaben. Der italienische Staat überweist an die katholische Kirche für das Kalenderjahr 2005 € 984.111.165,49. Von dieser Gesamtsumme gehen € 315.000.000,00 an das „Institut für den Unterhalt des Klerus“, das für die Gehälter der Priester zuständig ist. Die Pensionen der Priester werden aus einem eigenen Fond bestritten (der, wie jede Pensionskasse heute, rote Zahlen schreibt. So wurden im Jahr 2000 die Pensionsbeiträge kräftig aufgestockt und das Mindestpensionsalter auf 68 Jahre erhöht). € 471.250.000,00 werden für pastorale und kultische Zwecke aufgewandt. Von diesen gehen 155 Millionen an die Diözesen. 200 Millionen sind für Bauarbeiten vorgesehen. 10 Millionen für Pfarrhäuser im Süden Italiens. 70 Millionen für Restaurationsarbeiten und die Kulturschätze der Kirche. 60 Millionen für den Fond für christliche Erziehung und Katechese. 7 Millionen für die Regionalgerichte. 49 Millionen 250 tausend für pastorale Notwendigkeiten auf nationaler Ebene. 195 Millionen für wohltätige Einrichtungen und Zwecke.

Angesichts derartiger Zahlen ist es offensichtlich, dass die katholische Kirche Italiens ohne den aktiven Beitrag und die freiwilligen Tätigkeiten nicht arbeiten könnte. Diese Zahlen offenbaren ebenso, dass ein Pfarrer ohne andere Einnahmen (Schule und ähnliches) oft auch mit € 800 im Monat auskommen muss. Sicher, es ist bekannt, dass die Höhe der Gehälter in Italien wesentlich niedriger ist als in Deutschland, und das bei einer bedeutend angespannteren Preis- und Inflationssituation mit ungleich weniger Bequemlichkeiten. Um es konkret zu machen: ein dreißigjähriger Gymnasiallehrer mit dreijähriger fester Anstellung (was an sich schon eine Seltenheit ist) kommt auf circa € 1250 Nettogehalt im Monat. Ein derartiger Betrag dürfte seinen deutschen Kollegen erschaudern lassen.

Bei einem solchen monatlichen Nettoeinkommen beläuft sich die jährliche Lohnsteuer auf circa € 4800. Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen nimmt die Kirche für diesen Steuerzahler ungefähr € 33 jährlich ein. Dazu kommt, dass die Einführung der Gemeinschaftswährung für die Italiener (Kirche eingenommen) in der Regel die faktische Halbierung ihrer Einkünfte (d.h. die Verdoppelung der Preise) zur Folge hatte. Das Land ist ärmer geworden. Die Kirche auch. Deshalb arbeitet die Kirche um so konzentrierter.

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