Pakistan: ,Zu viele christliche Kinder werden Opfer von Gewalt’

27. August 2012 in Weltkirche


Dominikanerpater: Immer mehr christliche Mädchen werden entführt, vergewaltigt und müssen zum Islam übertreten oder sie werden sogar ermordet - Appell an die Vereinten Nationen um eine Mission des Sonderbeobachters für Religionsfreiheit


Lahore (kath.net/Fidesdienst) „Berichte über Gewalt gegenüber christlichen Kindern nehmen zu und dies ist beunruhigend.“ Das betont der Dominikanerpater James Channan, der das "Peace Center" in Lahore leitet und sich insbesondere für den interreligiösen Dialog engagiert, gegenüber dem Fidesdienst.

„Das Leben scheint in Pakistan für christliche Kinder zunehmend schwierig zu werden. Viele christliche Mädchen werden entführt, vergewaltigt und müssen zum Islam übertreten oder sie werden sogar ermordet wie im Fall von Amaria Masih, der so genannten 'pakistanischen Maria Goretti'. Nicht selten werden sie Opfer dunkler Geschäfte, wie jüngst im Fall von Sunil Masih oder Shazia Bashir. Kinder werden heute sogar der Blasphemie angeklagt, wie Rimsha Masih. Wenn nun auch Kinder zur Zielscheibe werden, dann ist damit eine Grenze des Missbrauchs und der Unmenschlichkeit überschritten, die wir nicht tolerieren können."

Mit Blick auf den Fall Rimsha Masih betont der Ordensmann, der lange Jahre die bischöfliche Kommission für Dialog leitete, zum so genannten Blasphemieparagraphen: "Dieses umstrittene Gesetz, das in Pakistan zu viel Blutvergießen geführt hat, wird weiterhin als Instrument der Verfolgung von Christen, aber auch von Hindus und Muslimen benutzt. Es ist ungerecht und missverständlich. Als Christen fordern wir seit langem die Abschaffung oder eine Änderung, damit der Missbrauch, zu dem es immer wieder kommt, vermieden werden kann. In diesem Kampf werden wir von vielen Menschenrechtsorganisationen und auch von muslimischen Bürgern unterstützt."

Im Namen der pakistanischen Christen fordert der Dominikanerpater deshalb: "Wir bitten die Regierung mit Nachdruck darum, dass sie die eigene Verantwortung übernimmt und den Respekt der Menschenwürde und der grundlegenden Rechte aller Bürger garantiert.

Ich bin der Ansicht, dass auch die internationale Gemeinschaft dieser Frage mehr Augenmerk schenken sollte: wir bitten deshalb um eine Mission des Sonderbeobachters der Vereinten Nationen für Religionsfreiheit."

Christliche Minderjährige in Punjab vergewaltigt und ermordet

So wurde die junge Christin Muqadas Kainat in der Nähe von Sahiwal (Punjab) von mindestens fünf Männern vergewaltigt und grausam ermordet. Die Episode ereignete sich bereits am vergangenen 14. August, doch erst heute berichten einheimische Beobachtern dem Fidesdienst von dem Vorfall, während die Gerichtsverhandlung für das 11jährige wegen Blasphemie angeklagte Mädchen bevorsteht.

Die 15jährige Muqadas Kainat ist Tochter des christlichen Arbeiters Rafique Masih, der in einem der vielen Ziegelbrennereien in Punjab angestellt ist. In der Brennerei der Gesellschaft "Al-Ghani Bricks Company" in Sahiwal arbeiten auch die Frau von Rafique Masih und seine sieben Kinder, darunter die Tochter Puqadas. Die Familie wohnt in der Nähe der Fabrik.

Am 14. August kehrte Muqadas nicht nach Hause zurück. Die Suche der Familie blieb erfolglos. Am 15. August berichtete ein Arbeiter der Fabrik von einem anonymen Anrufer, der mitteilte, das Mädchen befinde sich auf einem Feld in der Nähe. Bei der folgend Suchaktion der Polizei wurde die Leiche von Muqadas gefunden. Aus der Autopsie geht hervor, dass das Mädchen mehrfach vergewaltigt und dann erwürgt wurde.

Es wurde Anzeige (First Information Report) gegen Unbekannte erstattet, doch "es konnten noch keine Verdächtigen festgenommen werden", so der Pastor und Anwalt Mushtaq Gill, Vorsitzender der christlichen Nichtregierungsorganisation LEAD ("Legal Evangelical Association Development") zum Fidesdienst. LEAD leistet der Familie in diesem Fall Rechtsbesitand. Die unter Schock stehende lokale christliche Gemeinde befürchtet jedoch, dass auch dieses Verbrechen unbestraft bleiben wird.

Die Liste der vergewaltigten und ermordeten christlichen Minderjährigen ist lang

Der jüngste Fall, zu dem dem Fidesdienst ein Bericht vorliegt, ist der Fall des 14jährigen Christen Waiz Mashi, der von jungen Muslimischen Männern nach einer „Diskussion über religiöse Fragen" ermordet wurde. Der Jugendliche wurde brutal niedergeschlagen und bewusstlos in einen Kanal geworfen.

Die internationale Presse berichtet von weiteren Fällen, in denen minderjährige Christen Opfer von Gewalt wurden: die Leiche des 14jährigen katholische Waisen Sunil Yaqobb Masih wurde mit zahlreichen Verstümmelungen und fehlenden Organen aufgefunden und die 11jährige Rimsha Masih wurde auf der Grundlage falscher Blasphemievorwürfe inhaftiert.

Die Reihe der christlichen Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen getötet wurden ist lang: Hass gegenüber Minderheiten, versuchte Bekehrung zum Islam (insbesondere bei über 700 Mädchen pro Jahr), Menschenhandel und Handel mit Organen, Sklaverei verbergen sich dahinter.

Alle Delikte haben dabei einen gemeinsamen Nenner: christliche Kinder werden als "Ware" betrachtet und ihrer Würde beraubt. Fides dokumentiert einige herausragende Fälle aus den vergangenen Jahren seit 2010:

- die 18jährige Katholikin Maria Manisha aus Faisalabad wurde am 27. November 2011 von einem muslimischen Mann, Arif Gujjar ermordet, der sie in der Absicht sie zu heiraten und zum Islam zu konvertieren verschleppt hatte. Die Familie hat dem Mörder vergeben.

- der christliche Jugendliche Sabir Bashir wurde im Oktober 2011 im Distrikt Khanewal (Punjab) gefoltert und ermordet. Hintergrund war das so genannte "land grabbing": Kriminelle versuchen in den Besitz des Ackerlandes von Christen zu gelangen, wobei es zu dem Angriff gegen Kinder kam. Mehrere Kinder wurden verletzt.

- die 12jährige Anna (Name von der Redaktion geändert), Tochter des Straßenkehrers Arif Masih aus Shahdra in der Nähe von Lahore (Punjab) wurde von einer Gruppe radikaler Islamisten verschleppt und acht Monate lang immer wieder vergewaltigt. Gedemütigt und traumatisiert und schließlich zur Bekehrung und Heirat mit einem Muslim gezwungen.

- vier christliche Kinder wurden 2011 zusammen mit ihrer Mutter in der Nähe von Jehlum (Punjab) ermordet, weil sie sich geweigert hatten, ihr mehrheitlich von Muslimen bewohntes Dorf zu verlassen.

- Im Fall der jungen Katholikin Farah Hatim, die in der Stadt Rahim Yar Khan (Punjab) zur Eheschließung und zur Bekehrung zum Islam gezwungen wurde, versuchten mehrere Nichtregierungsorganisationen in Pakistan und im Ausland das Interesse der Vereinten Nationen auf den Fall zu lenken

- die Schwestern Rebbecca und Saima Masih aus dem Distrikt Jhung in der Nähe von Faisalabad wurden von einer Gruppe Muslime verschleppt und gezwungen zwecks einer Zwangsheirat mit dem reichen Muslim Muhammad Waseem zum Islam zu konvertieren.

- die 12jährige Shazia Bashir wurde im Januar 2010 von ihrem Arbeitgeber misshandelt, vergewaltigt und ermordet. Der Täter Chaudhry Naeem, ein reicher muslimischer Anwalt, wurde freigesprochen. Die Tat geschah vermutlich im Zusammenhang mit Verbindungen zum Handel mit Minderjährigen und deren Versklavung.

- die 12jährige Lubna Masih wurde von einer Gruppe muslimischer Männer in Rawalpindi vergewaltigt und ermordet.

- die junge Kiran George aus Sheikhupura (Lahore) starb am 10. März 2010 an den Verbrennungen. Ahmad Raza, Muslim und Polizeibeamter, hatte sie mit Benzin übergossen und bei lebendigem Leib verbrannt. Das junge Mädchen war als Sklavin an eine Frau verkauft worden, die junge Mädchen als Prostituierte oder Dienstmägde vermittelt.


Rimsha: Anhörung zur möglichen Freilassung

Einen Antrag auf Freilassung aus der Haft für die elfjährige behinderte Rimsha Masih legte der christliche Anwalt und Abgeordnete Tahir Naveed Chaudhry am Freitag beim erstinstanzlichen Gericht in Islamabad im Namen der "All Pakistan Minorities Alliance" (APMA) vor. Dies bestätigt der Vorsitzende der APMA und Sonderberater der pakistanischen Regierung für Nationale Harmonie, Paul Bhatti, gegenüber dem Fidesdienst. Rimsha soll Seiten mit Koranversen aus einem Buch für muslimischen Religionsunterricht verbrannt haben.

Wie Beobachter dem Fidesdienst berichten, soll die Anhörung am 28. August stattfinden. Man hofft auf die Freilassung des christlichen Mädchens. Dafür soll in den kommenden Tagen eine medizinische Sonderkommission gebildet werden, die die Minderjährigkeit des Mädchens bestätigt (radikalislamische Gruppen behaupten, sie sei 16 Jahre alt) und bescheinigt, dass Risha am so genannten Down-Syndrom leidet.

"Diese Elemente", so Bhatti, "werden dem Richter die Möglichkeit geben, die Anklage zurückzuziehen" und er wird sich damit auch vor Racheakten seitens muslimischer Extremisten schützen können. Der Antrag sieht also keine Kautionszahlung, sondern eine Freilassung vor.

Bhatti beklagt in diesem Zusammenhang, dass die Nichtregierungsorganisation "World Vision in Progress Foundation" ohne offizielle Beauftragung durch die Familie des Opfers bereits einen Antrag auf Kautionszahlung gestellt hat, was seiner Ansicht nach zu "Missverständnissen und Verwirrung führt". Nach Aussage von Bhatti, wurde dieser Antrag vom Richter bereits annulliert.

"Diese Organisationen versuchen solch tragische Fälle zu instrumentalisieren und zu kommerziellen Zwecken zu nutzen", so Bhatti. Auch P. Emmanuel Yousaf, Leiter der Justitia-et-Pax-Kommission der Bischofskonferenz vertritt diese Ansicht: "Eine Kautionszahlung ist keine gute Idee, da sie das Mädchen der Gefahr einer außergerichtlichen Hinrichtung aussetzt". Eine endgültige Entlassung aus der Haft würde hingegen auch eine Ausreise aus dem Land ermöglichen.

„Free Rimsha Masih": Kampagne von in Europa lebenden pakistanischen Staatsbürgern

Im Rahmen der Kampagne „Free Rimsha Masih" treten in Europa lebende pakistanische Staatsbürger für die Freilassung von Rimsha Masih ein. Morgen wird ein Gericht in London über die Freilassung entscheiden, nachdem im Auftrag der Familie und der „All Pakistan Minorities Alliance" ein entsprechender Antrag bei Gericht eingereicht wurde.

Die in Italien lebenden pakistanischen Christen brachten eine Unterschriftensammlung ([email protected]) auf den Weg, die dem pakistanischen Präsidenten Ali Zardari vorgelegt werden soll. In einer Verlautbarung, die dem Fidesdienst vorliegt, bringt die „Associazione Pakistani Cristiani in Italia" die eigene Verbundenheit mit der Familie von Rimsha und den religiösen Minderheiten in Pakistan zu Ausdruck und fordert ,,die sofortige Freilassung".

Die in Italien lebenden pakistanischen Christen unterstützen „alle christlichen und anderen religiösen Organisationen, die sich für die Abschaffung oder Änderung des Blasphemieparagraphen einsetzen". "Alle, die an Religionsfreiheit und die Achtung des religiösen Bekenntnisses glauben, dürfen angesichts dieser Gewalt nicht gleichgültig bleiben", so Adan Farhay, Vorsitzender der ,,Al Pakistan Christian Leage" in Italien, die gestern eine öffentliche Konferenz in Porto Sant'Elpidie veranstaltete, bei der ebenfalls die Freilassung von Rimsha im Zeichen der Solidarität mit allen Opfern der religiös motivierten Gewalt forderten.

Die „British Pakistani Christian Association" veranstaltete in den vergangenen Tagen eine Protestkundgebung vor dem Sitz des britischen Premierministers in der Downing Street und brachte ebenfalls eine Unterschriftenaktion (http://www.petitionbuzz.com/petitions/freerimshamasih) auf den Weg. Die in England lebenden pakistanischen Christen bitten die britische Regierung, die Europäische Union und die Vereinten Nationen um Engagement für die Freilassung des Mädchens. Die Petition soll der „Menschenrechtskommission" der pakistanischen Regierung vorgelegt werden.


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