Studie: Deutsch-Türken wollen muslimische Mehrheit

21. August 2012 in Deutschland


Für fast drei Viertel ist der Islam die einzig wahre Religion. „Die jüngste Generation zeigt insgesamt gerade bei religiösen Aspekten etwas radikalere Ansichten als die Älteren“, sagte Liljeberg, der Leiter der Studie.


Berlin (kath.net/idea) Für die in Deutschland lebenden Türken gewinnt der Islam immer mehr an Bedeutung. Fast jeder Zweite (46 Prozent) wünscht sich, dass hier irgendwann mehr Muslime als Christen leben. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts „Info GmbH“ (Berlin) mit dem Titel „Deutsch-Türkische Lebens- und Wertewelten“. Dafür wurden 1.011 aus der Türkei stammende Migranten telefonisch befragt. Bei der letzten Umfrage 2010 hatten nur 33 Prozent den Wunsch geäußert, dass die Zahl der Muslime die der Christen in Deutschland übersteigen solle.

Für den Leiter der Studie, Holger Liljeberg, ist das nur ein Indiz für eine zunehmende Bedeutung des Islam für in Deutschland lebende Türken. Diese spiegelt sich auch in anderen Antworten wider. So stimmten 72 Prozent der Aussage zu, der Islam sei die einzig wahre Religion; 2010 waren es 69 Prozent.

Acht Prozent stimmten der Aussage zu „Christen empfinde ich als minderwertige Menschen“ (2010: 10 Prozent). Über Juden sagten das sogar 18 Prozent der Befragten (2010: 14 Prozent), über Atheisten 25 Prozent (2010: 22 Prozent).

Über die Hälfte der Befragten (55 Prozent) ist der Ansicht, in Deutschland müssten noch mehr Moscheen gebaut werden; vor zwei Jahren sagten das 49 Prozent.

Die Zahl derer, die sich selbst als „streng religiös“ einstuft, ist seit 2009 von 33 Prozent auf 37 Prozent gestiegen. Diejenigen, die sich als „streng religiös“ bzw. „ziemlich religiös“ bezeichnen, sind am stärksten in der Altersgruppe der unter 30-Jährigen vertreten (64 Prozent).

Fast zwei Drittel der jungen Deutsch-Türken (63 Prozent) befürworten auch die Koran-Verteilaktion der radikal-islamischen Salafisten in deutschen Großstädten, während sie knapp 70 Prozent der älteren Türken ablehnten.

„Die jüngste Generation zeigt insgesamt gerade bei religiösen Aspekten etwas radikalere Ansichten als die Älteren“, so Liljeberg. Das sei möglicherweise auf die Entwicklung eines neuen Selbstbewusstseins zurückzuführen, das wiederum aus einem empfundenen gesellschaftlichen Druck hervorgegangen sein könnte.

Deutschland für immer weniger „Heimat“

Die Zahl der Türken, die Deutschland als Zuhause empfinden, ist seit 2009 von 21 Prozent auf jetzt 15 Prozent zurückgegangen. Am stärksten (26 Prozent) sehen die unter 30-Jährigen Deutschland als ihre Heimat. 79 Prozent der Befragten halten Deutschland für ein weltoffenes Land, „in dem es jeder unabhängig von seiner Herkunft zu etwas bringen kann“ (2010: 77 Prozent). Andererseits stimmten 87 Prozent (2010: 83 Prozent) der Aussage zu: „Die deutsche Gesellschaft sollte stärker auf die Gewohnheiten und Besonderheiten der türkischen Einwanderer Rücksicht nehmen.“

Insgesamt ist der Wille zur Integration aber gestiegen. So gaben 78 Prozent an, sich „unbedingt und ohne Abstriche in die deutsche Gesellschaft integrieren“ zu wollen (2010: 70 Prozent).

Evangelischer Experte: Ergebnisse keine Überraschung

Der Vorsitzende des Arbeitskreises Islam der Deutschen Evangelischen Allianz, der Theologe Ulrich Neuenhausen (Bergneustadt), sieht in den Ergebnissen der Studie keine Überraschung. Dass sich vor allem jüngere Muslime dem konservativen Islam zuwendeten, habe mit der „gefühlten Diskriminierung“ zu tun. In keiner anderen Zuwanderungsgruppe sei die Arbeitslosigkeit so groß und der Anteil der Abiturienten so niedrig. Hier habe die Integrationspolitik noch große Aufgaben vor sich: „Sie lassen sich aber nicht bewältigen, indem man Muslimen erlaubt, unabhängige eigene Lebenswelten inmitten von Deutschland zu schaffen, in denen Kinder schon in der Koranschule auf einen Kurs gebracht werden, der alle Muslime als Opfer und die übrigen als Täter klassifiziert.“ Diese Mentalität werde dann deutlich, „wenn Muslime lautstark gegen Islamophobie wettern“ und jede Kritik am Islam als Verfolgung und Diskriminierung verstünden. So gelinge weder Integration noch komme es zu einer Mäßigung politischer Vorstellungen im Islam. Neuenhausen leitet das Forum Wiedenest (früher Missionshaus Bibelschule Wiedenest).


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