Bischof Küng: Otto von Habsburg 'Gigant im Nebel unserer Zeit'

10. Juli 2012 in Österreich


St. Pöltner Bischof feierte in der Wiener Kapuzinerkirche Gedenkmesse zum ersten Todestag des Kaisersohnes


Wien (kath.net/KAP/dsp) Otto von Habsburg hat bis in sein hohes Alter hinein fasziniert, "weil in einer Zeit, in der alles verhandelbar erscheint, Menschen beeindrucken und anziehen, die ihre Aussagen nicht nach den Mehrheitsmeinungen schneidern, sondern wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen". Das betonte der St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng am Mittwoch bei der Gedenkmesse zum ersten Todestag des Kaisersohnes. Unter den Teilnehmern der Messe in der Wiener Kapuzinerkirche waren unter anderen Georg von Habsburg, der jüngere Sohn des Verstorbenen, und Walpurga Habsburg-Douglas, die jüngste der Töchter. In der Krypta - der Kapuzinergruft - befindet sich Otto von Habsburgs letzte Ruhestätte.

Küng hob hervor, dass Otto von Habsburg einer gewesen sei, der gewusst habe, wo er steht. In allen Wechselfällen seines "langen, großen Lebens" sei er fest in dem gestanden, aus dem er kam, nämlich "aus der Tradition einer großen Familie, eines Herrscherhauses." Der spätere EU-Politiker sei fest verwurzelt in seiner eigenen Familie gewesen; "er war ein christlicher Familienvater im besten Sinne, er hat Ja gesagt zu einer großen Familie mit vielen Kindern".

Wo heute "alles beliebig zu werden" scheine, wo Mehrheitsentscheidungen, die "wiederum oft, so scheint es, von Medien gesteuert werden", die Messlatte seien, "da sehnen sich die Menschen nach Halt und Werten, die wie Leuchttürme aus dem Nebel unserer Zeit herausragen", sagte Bischof Küng. Otto von Habsburg sei so ein Leuchtturm gewesen.

Der älteste Sohn Kaiser Karls I. sei "Gigant im Nebel unserer Zeit bis ganz zum Schluss seines Lebens" gewesen, betonte der St. Pöltner Bischof: "Er wusste, dass man sich verneigen konnte - vor dem Herrgott, vor allem vor unserer Lieben Frau von Mariazell, wo die Familie regelmäßig ihre Mitte suchte, wie man heute sagt".

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kath.net dokumentiert die Predigt von Bischof Klaus Küng, Bischof von St. Pölten, in der Wiener Kapuzinerkirche anlässlich der Gedenkmesse zum ersten Todestag von Otto von Habsburg

Liebe Familie und Freunde des Verstorbenen!
Lassen Sie mich mit einem Zitat des großen Verstorbenen beginnen, das für mich alles zusammenfasst, für das er stand:

„Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß nicht, wohin er geht, weil er nicht weiß, wo er steht.“

Warum hat Otto von Habsburg noch bis in seine hohen Neunziger Menschen gefesselt, man meint fast, in den letzten Jahren noch mehr als früher? Weil in einer Zeit, in der alles verhandelbar erscheint, Menschen beeindrucken und anziehen, die ihre Aussagen nicht nach den Mehrheitsmeinungen schneidern, sondern wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen: die daher wissen, wo sie stehen.

Otto von Habsburg stand in allen Wechselfällen seines langen, großen Lebens fest in dem, aus dem er kam: aus der Tradition einer großen Familie, eines Herrscherhauses. Er stand selber in seiner eigenen Familie fest verwurzelt, war ein christlicher Familienvater im besten Sinne: er hat Ja gesagt zu einer großen Familie mit vielen Kindern. Er stand fest im Glauben, hat, gemeinsam mit seiner Frau Regina, sich und seine Lieben von Anfang an und bis ins hohe Alter unter den Schutz der Gottesmutter gestellt; er war trotz seiner zahllosen Tätigkeiten seinen Kindern und seinen Enkeln Vorbild in Glauben und Pflichterfüllung und ein echter Gesprächspartner.

Nun, in all dem zu stehen könnte, ja eine sehr statische Angelegenheit sein, er hätte sich sozusagen auf seinem Thron ausruhen können, aber Otto wusste eben auch, wohin er geht – und das war immer Neuland. Er ruhte sich nicht aus auf seinen Errungenschaften und auf der Tradition, sondern „machte sich die Finger schmutzig“, mischte sich in die Niederungen der Politik ein, weil er glaubte, dass dort seine Aufgabe war; er sah immer einen neuen Horizont, bis zum Schluss, hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, war aber immer wendig genug, zuzuhören und seine Meinung zu etwas oder jemand auch zu ändern.

Lassen Sie mich den Blick noch mal auf unsere Zeit richten. Es scheint wirklich alles beliebig zu werden, Mehrheitsentscheidungen unterworfen, die wiederum oft, so scheint es, von Medien gesteuert werden. Gerade da sehnen sich die Menschen nach Halt, nach Werten, die wie Leuchttürme durch all den Nebel unserer Zeit herausragen. Solch ein Leuchtturm war Otto von Habsburg. Ich würde sogar sagen, er war ein Gigant im Nebel unserer Zeit bis ganz zum Schluss seines Lebens. Ein Gigant, der doch wusste, dass man sich neigen konnte – vor dem Herrgott, vor allem vor unserer Lieben Frau von Mariazell, wo die Familie regelmäßig ihre Mitte suchte, wie man heute sagt. Ein kleines Echo von seiner Bedeutung mögen die Beerdigungsfeierlichkeiten vor einem Jahr gegeben haben, wo ein ganzes Land zusah, wie der Sohn des letzten Kaisers zu Grabe getragen wurde. Und ein besonders schönes Signal war es auch, dass sich die Särge von Otto und seiner innig geliebten Frau Regina sich genau in diesem Mariazell wieder trafen bei dieser letzten Fahrt, die hier, in dieser Kirche, endete, zuerst bei der Zeremonie und dann in der Gruft unter unseren Füßen.

Also: verneigen wir uns noch einmal vor einem großen Mann, der zugleich ganz klein sein konnte vor Gott; denken wir daran, wo unsere eigenen Wege auch einmal enden werden, nicht in der Kapuzinergruft, aber im Angesicht von einem, der unser ganzes Leben darauf gewartet hat, uns endlich in die Arme zu schließen, weil er seine Arme für uns am Kreuz ausgebreitet hat. Möge die Fürsprache Mariens uns allen beistehen.

Foto: (c) Diözese St. Pölten


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