20. April 2012 in Aktuelles
Trierer Bischof Ackermann: Echtheit nicht im Sinne des historischen Gewandes Jesu gegeben, sondern im Sinne einer "einzigartigen Reliquie, die es nur in Trier gibt"
Mainz (kath.net/KAP) Nach Ansicht des Trierer Bischofs Stephan Ackermann wollen Menschen durch Reliquien wie den "Heiligen Rock" mit dem Heiligen in Kontakt kommen. "Wir Menschen brauchen Konkretes, Anfassbares, Sinnliches", sagte Ackermann am Mittwoch in Trier dem "Südwestrundfunk" (SWR). Die traditionell von mehreren Hunderttausend deutschen, belgischen und Luxemburger Pilgern aufgesuchte Reliquie des "Heiligen Rocks" in Trier - der Tradition zufolge die Tunika Jesu - ist seit einer Woche Ziel einer Wallfahrt, zu der bis 13. Mai 500.000 Pilger erwartet werden. Wallfahrten zu dem im Dom der Stadt ausgestellten "Heiligen Rock" fanden erstmals im Jahr 1512 und danach weitere 17 Mal statt, zuletzt 1996.
"Der Heilige Rock ist echt", so Ackermann im SWR-Interview. "Allerdings" sei er das nicht im Sinne des historischen Gewandes Jesu, sondern als "eine einzigartige Reliquie, die es nur in Trier gibt". Untersuchungen von Textilarchäologinnen hätten ergeben, dass die ältesten Stoff- und Gewebeteile aus dem Heiligen Land stammten.
Bezüglich der Echtheit "bleibt eine Offenheit, eine Schwebe", sagte Ackermann. Entscheidend sei, den Heiligen Rock als ein Symbol zu verstehen, das auf Jesus Christus verweise.
Das Spektrum der Heilig-Rock-Pilger reicht nach Worten Ackermanns bis hin zu Gruppen aus den Philippinen und Brasilien. Als besondere, ganzheitliche Erfahrung ziehe das Pilgern auch junge Leute an. "Leib und Seele werden angesprochen", sagte der Bischof im Gespräch mit SWR-1-Moderatorin Katja Heijnen. Die Wallfahrt richte sich auch an kirchenferne Menschen. Für die Weitergabe des Glaubens, die Mission, seien glaubhafte Zeugen wichtig: "Nachbarn, Kollegen, Freunde, die den Mut haben, über den Glauben zu sprechen und das Thema nicht tabuisieren."
Die Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 wird ökumenisch begangen. Eigentlich lehnen evangelische Christen die Verehrung von Reliquien ab. Trotzdem ruft auch die Evangelische Kirche im Rheinland zu der Wallfahrt auf, zu der die katholische Diözese Trier noch bis zum 13. Mai in den Dom der Moselstadt lädt.
Auch evangelische Beteiligung
Für die evangelischen Pilger ist Oberkirchenrätin Barbara Rudolph zuständig. Sie sagte am Donnerstag in einem Interview mit dem Online-Portal der WAZ-Mediengruppe www.derwesten.de, der evangelischen Kirche gehe es nicht um Reliquienverehrung. Gegenstände hätten nach reformatorischem Verständnis keine Heilsbedeutung. Martin Luther habe "alles infragegestellt, was von Christus ablenkt".
Die Diözese Trier stelle aber Jesus in den Mittelpunkt der Wallfahrt und lade alle Kirchen "zur Christus-Wallfahrt ein", begründete Rudolph die evangelische Beteiligung. In der römisch-katholischen Deutung des "Heiligen Rockes" seien "entscheidende Schritte vollzogen worden", die der evangelischen Kirche ermöglichen, ihr Profil nicht zu verleugnen.
Zwar habe Luther von der "Bescheißerei zu Trier" gesprochen, aber er habe damit auf die Behauptung Papst Leos X. reagiert, der 1515 erklärt habe, dass der Rock das echte Gewand Jesu sei. "Inzwischen muss kein Katholik mehr an die Echtheit des 'Rockes' glauben", sagte Rudolph.
Die biblische Auslegung der alten Kirchenväter aus dem 1. Jahrtausend, dass das Gewand auf die Einheit der einen Kirche verweist, stehe heute im Mittelpunkt der Deutung. Diese Auslegung stamme aus der Zeit, als die Kirchen noch nicht getrennt waren. Es könne von der evangelischen Bibeldeutung gut nachvollzogen werden. "Der 'Heilige Rock' ist darum kein Gegenstand der Verehrung, sondern Anlass zum gemeinsamen ökumenischen Bibellesen in Gottesdienst und Andacht", sagte die Oberkirchenrätin.
Sie wies auch auf den Trend hin, "sich wieder zu Fuß auf den Weg zu machen". Die "Entschleunigung" des Lebens bringe Menschen "näher zu sich selbst und zu Gott". Dabei werde "sicher die Ausnahme bleiben", dass die evangelische Kirche zu einer katholischen Wallfahrtsstätte einlade. Eher entstünden eigenständige Pilgerwege wie der Lutherweg in Sachsen und Thüringen, wo "auf dem Wege reformatorische Grunderkenntnisse neu erfahren" würden.
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Foto Heilig Rock: © http://www.heilig-rock-wallfahrt.de
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