Bundesversammlung: Warum nominiert die CDU Alice Schwarzer?

28. Februar 2012 in Deutschland


Scharfe Kritik von Lebensrechtlern – CDL: Die Feministin ist Merkels Freundin


Düsseldorf (kath.net/idea) Konservative reiben sich verwundert die Augen: Ausgerechnet die CDU entsendet die Feministin und Abtreibungsbefürworterin Alice Schwarzer (Köln) in die Bundesversammlung. Die 69-Jährige soll am 18. März mithelfen, den neuen Bundespräsidenten zu wählen – wahrscheinlich den von Union, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagenen früheren DDR-Bürgerrechtler und evangelischen Pfarrer Joachim Gauck.

Die CDU in Nordrhein-Westfalen wolle mit der Berufung Schwarzers Lebenswerk anerkennen, teilte Generalsekretär Oliver Wittke (Düsseldorf) am 25. Februar mit. Doch vor allem wegen Schwarzers Haltung zur Abtreibung kommt Kritik von Lebensrechtlern – auch aus der Union. Die 69 Jahre alte Gründerin und Herausgeberin der Zeitschrift „Emma“ habe „zur Abtreibung aufgerufen, als wäre es ein Verdienst“, sagte die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), Mechthild Löhr (Schlossborn im Taunus), auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Schwarzer selbst werde es als eines der größten Errungenschaften bezeichnen, dass Abtreibung für Frauen zum Alltag geworden sei.

Löhr vermutet, dass hinter der Berufung in die Bundesversammlung „die persönliche und enge Freundschaft” mit der CDU-Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel, stehe. Bereits im Jahr 2005 habe Schwarzer das Bundesverdienstkreuz erster Klasse erhalten. Löhr: „Überzeugte Christen können nur staunen, welche ethischen Richtungswechsel in der CDU unter Frau Merkel schmerzfrei inszeniert werden.“ Die CDL ist eine Initiative in den Unionsparteien. Unter den 5.000 Mitgliedern sind zahlreiche Bundestags-, Landtags- und Europa-Abgeordnete.

Lebensrechtler: Haarsträubende Lebensleistung

Auch andere Lebensrechtsverbände kritisieren Schwarzers Berufung scharf. Die Vorsitzende des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL), die Ärztin Claudia Elisabeth Kaminski (Köln), sagte gegenüber idea: „Bei ihr von Lebensleistung zu sprechen, ist in meinen Augen haarsträubend, weil sie viel auch gegen die Frauen getan hat.“ Mit ihrem Eintreten für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch trage Schwarzer „ein gerütteltes Maß an Mitschuld“ an der dadurch verursachten Traumatisierung vieler Frauen. Ihre Berufung in die Bundesversammlung „zeigt die Unsensibilität der CDU für das Thema“, so Kaminski, die zugleich Vorsitzende der größten deutschen Lebensrechtsorganisation AlfA (Aktion Lebensrecht für Alle) ist.

Aktion „Wir haben abgetrieben“

Schwarzer erregte 1971 mit einer Aktion im Hamburger Magazin „Stern“ Aufsehen, bei der 374 Frauen bekannten: „Wir haben abgetrieben.“ Die Aktion richtete sich gegen den Paragrafen 218 StGB, der Abtreibung unter Strafe stellt. Später gaben Schwarzer sowie die meisten anderen beteiligte Frauen zu, dass sie die Öffentlichkeit getäuscht und gar keine Abtreibung hinter sich hatten. Schwarzer zur Süddeutschen Zeitung: „Aber das spielte keine Rolle. Wir hätten es getan, wenn wir ungewollt schwanger gewesen wären.“ Auch ihr 1977 erstmals erschienenes Frauenmagazin Emma tritt für ein Recht auf Abtreibung ein.

CDU-geführtes Ministerium fördert feministisches Archiv

Für Aufsehen sorgte in jüngster Zeit die 1984 von Schwarzer initiierte Stiftung „FrauenMediaTurm“, die in Köln ein feministisches Archiv betreibt. Dort sind in einem mittelalterlichen Turm rund 15.000 Bücher, 25.500 Zeitschriften und 33.000 Aufsätze zur Geschichte der Frauenbewegung untergebracht. Das Thema „Abtreibung“ bildet einen Schwerpunkt des Archivs. Die nordrhein-westfälische Landesregierung aus SPD und Grünen kürzte die Förderung für dieses Archiv zum Jahresanfang 2012 von 210.000 Euro auf 70.000 Euro jährlich. Um dessen Bestand zu sichern, kündigte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) daraufhin eine Förderung von 150.000 Euro jährlich für die nächsten vier Jahre aus Bundesmitteln an. Aufsehen erregte der Vorgang auch deshalb, weil die CDU-Ministerin und Schwarzer zwei Jahre zuvor öffentlich heftig über feministische Ideen gestritten hatten.

Schröder warf dem „frühen Feminismus“ in einem Spiegel-Interview vor, er habe übersehen, „dass Partnerschaft und Kinder Glück spenden“. Schwarzer hatte daraufhin in einem Offenen Brief die Kompetenz der Ministerin in Frage gestellt. Zur Begründung für die jetzige Entscheidung, das feministische Archiv zu fördern, teilte Schröder am 20. Februar mit: „Ich mache das aus Freude und Überzeugung, denn bei der Förderung von Projekten geht es nicht um die Übereinstimmung in jeder Tonlage oder Argumentationsweise, sondern um den Grundkonsens, dass wir bedeutende Zeugnisse dieser bedeutenden Bewegung als Gesellschaft erhalten“. Schwarzer schrieb am folgenden Tag im Internet: „Das finde ich echt souverän, Frau Schröder!“


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