Keine Pille auf Kirchenkosten

31. Jänner 2012 in Weltkirche


US-Katholiken protestieren gegen eine neue Gesundheitsverordnung. Von Burkhard Jürgens (KNA)


Washington (kath.net/KNA) Über der Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama ist eine neue Gewitterfront aufgezogen. Die katholische Kirche stellt sich quer gegen neue Richtlinien, nach denen Arbeitgeber eine Gesundheitsfürsorge gewährleisten müssen, die auch Empfängnisverhütung und Sterilisation einschließt. Seit der Plan im August verabschiedet wurde, wuchs der Chor der Kritiker in Kirchenkreisen. Am vergangenen Sonntag hörten Katholiken landesweit in den Gottesdiensten Hirtenschreiben und Predigten, die die neue Regelung verurteilen.

Zwar sind Kirchen und andere «religiöse Arbeitgeber» von der Verpflichtung ausgenommen. Dies gelte jedoch nur für Religionsinstitute im engeren Sinn, wenden Gegner ein. Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft wie Schulen, Krankenhäuser und Wohlfahrtsorganisationen seien sehr wohl an das Gesetz gebunden.

Aus Sicht von Washingtons Kardinal Donald Wuerl ist das ein beispielloser Vorgang: Noch nie habe ein US-Bundesgesetz irgendjemanden verpflichtet, eine Gesundheitsvorsorge anzubieten oder anzunehmen, die gegen sein Gewissen gehe. Jetzt aber hätten «praktisch alle» katholischen Einrichtungen, die sich um eine soziale Absicherung für ihre Studenten und Angestellten in Übereinstimmung mit der kirchlichen Morallehre kümmern wollten, ein Problem. Sie fänden sich in der «unhaltbaren Position, zwischen einem Verstoß gegen das Gesetz oder einem Verstoß gegen ihr Gewissen wählen zu müssen».

Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Erzbischof Timothy Dolan von New York, kritisiert zudem die Finanzierung von Sozialleistungen, die nach katholischer Auffassung unstatthaft sind, durch die Allgemeinheit. Künftig müssten praktisch alle ungeachtet ihrer ethischen oder religiösen Einwände «über ihre Steuern für Sterilisierung und Verhütung bezahlen - inklusive solcher Mittel, die abtreibende Wirkung haben», so Dolan: «Das sollte nicht geschehen in einem Land, in dem die freie Ausübung der Religion das erste der in der Verfassung garantierten Rechte ist.»

Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius versuchte, die Wogen zu glätten. Man wolle «in der Umsetzungsphase eng mit religiösen Gruppen zusammenarbeiten und ihre Anliegen erörtern». Sie verwies zugleich auf Studien, nach denen Empfängnisverhütung der Gesundheit der Frauen und ihrer Familien zugutekomme und Gesundheitskosten senke. Überdies sei die Pille das «am häufigsten eingenommene Präparat» von Amerikanerinnen im gebärfähigen Alter.

Selbst prominente katholische Unterstützer Obamas distanzieren sich derzeit von seiner Gesundheitspolitik. Die Ordensfrau Carol Keehan, Leiterin der «Catholic Health Association», hatte sich zeitweilig mit den Bischöfen angelegt, weil sie die Gesundheitsreform des Präsidenten verteidigte. Nun erklärte sie, sie sei «enttäuscht», dass die Regierung in Washington keinen «angemessenen Schutz des Gewissens» für religiöse Beschäftigte sicherstelle.

Medien des Landes deuten auch verschiedene Äußerungen von Papst Benedikt XVI., die er einigen US-Bischöfen bei ihrem Vatikanbesuch Mitte Januar mitgab, als Rückendeckung. Die «legitime Trennung» von Kirche und Staat sei nicht dahin zu wenden, dass die Kirche «in bestimmten Fragen den Mund zu halten habe». Keinem Katholiken könne man verbieten, sich auf die Gewissensfreiheit zu berufen, um nicht an «in sich bösen Praktiken mitwirken» zu müssen. Auch Kardinal Wuerl bezog sich auf den Papst mit der Aufforderung, mutig die «Achtung vor Gottes Geschenk des Lebens» zu bezeugen.

Inzwischen hat das Gesundheitsministerium die Frist zur Umsetzung der Regelung von August dieses Jahres auf 2013 ausgedehnt. Kritiker sehen darin einen Versuch, die heikle Frage bis nach der Präsidentschaftswahl zu vertagen. Die katholischen Bischöfe finden unterdessen Mitstreiter für ihren Widerstand: vom betont katholischen republikanischen Präsidentschaftsbewerber Rick Santorum bis zur Vereinigung der Evangelikalen Kirchen. Vor allem aber mobilisieren sie die eigenen Leute, den Protest bei Abgeordneten zu verstärken.

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