Licht der Götter

21. Dezember 2011 in Chronik


Wenn Heiden Weihnachten feiern: ‚Neben der völkischen Traditionslinie aus dem 19.Jahrhundert gibt es seit den 1970er Jahren eine neue Szene, die aus der Esoterik- und Ökobewegung kommt.’ Von Christoph Schmidt (KNA)


Bonn (kath.net/KNA) Kennen Sie Loki und Fulla? Heimdall oder Fjölnir? Bei Odin (siehe Foto) und Freya klingelt es? - Nordische Götter, jahrhundertelang bevölkerten sie die Vorstellungswelt der Germanen, bevor Missionare und fränkische Soldaten das Christentum in die Wälder jenseits des Rheins trugen.

Bis heute sind nicht nur Skandinavisten und Fantasy-Autoren den Bewohnern Asgards auf der Spur. Wer abseits der Wege über Heide oder Lichtungen streift, stößt dieser Tage womöglich auf Grüppchen bekennender Verehrer der Geistwesen. Sie nennen sich selbst Heiden und ihr Julfest steht vor der Tür.

Was für Christen die Geburt Jesu an Heiligabend, ist für sie die «Wiedergeburt» der Sonne am 21. Dezember. Zur Wintersonnenwende erreicht sie ihren tiefsten Stand - die Tage werden wieder länger, der Jahreskreislauf beginnt erneut.

Jul, germanisch für «Rad», steht für ein zirkulares Weltbild, ähnlich dem fernöstlicher Kulturen. «Für uns ist das Leben keine lineare Heilsgeschichte mit Jüngstem Gericht, sondern ein ewiges Neu-Werden und Vergehen», erklärt der Vorsitzende des Vereins für Germanisches Heidentum (VfGH), Haimo Grebenstein, 52, Vater von drei Kindern.

Dahinter weben und wüten für die Heiden unablässig die Götter der isländischen Edda-Saga. Erfahrbar vor allem in der Natur. Wenn sich auch nicht beweisen lasse, dass der Weihnachtsbaum heidnische Wurzeln hat, hält der selbstständige IT-Berater den christlichen Weihnachtstermin für eine Art Markenpiraterie. Schließlich hätten Christen erst Ende des 4. Jahrhunderts Jesu Geburt in die Zeit der Wintersonnenwende verlegt.

Bäume, Steine oder Quellen - «zu Materie verdichteter Geist» - können Heiden magische Orte und Kultplätze sein, an denen sie den Göttern besonders nahe kommen. Bei den Licht- und Opferritualen zur Winter- und Sommersonnenwende und an den beiden Tag- und Nachtgleichen steht besonders die Erinnerung an die Ahnen im Mittelpunkt. «Jul ist außerdem das Fest der Mütter, die künftige Generationen hervorbringen», so Grebenstein.

Ein Teil der Szene vertritt offen völkisch-rassistische Anschauungen, so die «Artgemeinschaft» oder der «Armanen-Orden» des inzwischen verstorbenen NPD-Anwalts und Holocaustleugners Jörg Rieger. Schon die Nationalsozialisten versuchten, den christlichen Gehalt von Weihnachten durch einen heidnischen Jul-Kult zu ersetzen.

«Neben der völkischen Traditionslinie aus dem 19.Jahrhundert gibt es seit den 1970er Jahren eine neue Szene, die aus der Esoterik- und Ökobewegung kommt», berichtet Ann-Laurence Marechal. Vereine wie der «Eldarring» oder der VfGH suchten sich energisch vom okkulten Rechtsextremismus abzugrenzen, so die Tübinger Religionswissenschaftlerin.

Allerdings seien unter Heiden die Vorstellungen vom Reich der Götter sehr individuell. Der eine sieht sie als Metaphern für die in der Welt waltenden Kräfte, andere glauben an die reale Existenz der germanischen Heldengestalten; manche Gruppen kennen die Priesterkaste der «Goden», andere lehnen jede Hierarchie ab.

Ihn störe der «Wahrheitsanspruch» der monotheistischen Religionen, meint VfGH-Vorstand Grebenstein, der aus der evangelischen Kirche austrat. Gerade eine «ethnische Religion» wie das germanische Heidentum erlaube Pluralität und Toleranz, so der Polytheist: «Für Heiden ist die ganze Welt voller Götter, in jeder Region und Landschaft gibt es andere, die auch nur von den dort lebenden Menschen verehrt werden können.» An einen aufgezwungenen «Wüstengott» könne er dagegen nicht glauben.

Einige tausend Heiden soll es in Deutschland geben, Tausende weitere in Skandinavien, Großbritannien - hier mit stark keltischem Einschlag - und den USA. «Ihre Zahl wächst», so Forscherin Marechal. Meist besser Gebildete, die spirituell auf der Suche seien, klopften dort an. Ihre Kinder haben die Grebensteins indes nicht heidnisch erzogen. Nach dem Jul-Ritual, bei dem traditionell das Trinkhorn mit Met kreist, zog es Haimo Grebenstein bislang stets ins heimatliche Weihnachtszimmer. «Da wurde immer mit den Kindern und den Großeltern Heiligabend gefeiert.»

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