'Sich von aktuellen Problemen nicht erdrücken lassen'

1. Dezember 2011 in Deutschland


Taizé-Prior Frère Alois zum Europäischen Jugendtreffen in Berlin. Von Gregor Krumpholz (KNA)


Taizé (kath.net/KNA)Weit über 25.000 junge Christen werden zum 34. Europäischen Taizé-Jugendtreffen in Berlin erwartet. Vom 28. Dezember bis 1. Januar erklingen in den Messehallen und Kirchengemeinden die meditativen Gesänge und Gebete der ökumenischen Gemeinschaft, deren Zentrum in Frankreich seit Jahrzehnten Jugendliche aus aller Welt anzieht. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) äußerte sich der Leiter der Gemeinschaft, Frere Alois, am Mittwoch in Taizé zu seinen Erwartungen an das Treffen.

KNA: Frère Alois, freuen Sie sich auf Berlin?

Alois: Sehr, wir freuen uns sehr darauf, in Berlin erstmals ein wirklich europäisches Treffen zu haben. Seit 1980 konnten wir in der DDR offizielle Treffen ausrichten, aber unter der Auflage, dass niemand aus dem Westen teilnimmt. So haben sich 1986 in Ost-Berlin 6.000 Jugendliche zusammen mit Frère Roger ein ganzes Wochenende versammelt. Diesmal können wir, zusammen mit den örtlichen Kirchengemeinden, erstmals Jugendliche aus ganz Europa nach Berlin einladen.

KNA: Warum hat die Gemeinschaft von Taizé nach Rotterdam im vergangenen Jahr nun Berlin gewählt?

Alois: Es ist schon einige Jahre im Gespräch, dass wir wieder ein Jugendtreffen in Deutschland haben sollten. Von dort kommen so viele Jugendliche nach Taize, dass sich die Frage stellt, wie wir sie in ihrer Heimat mehr begleiten können.

KNA: Wie oft waren Sie selbst schon in Berlin?

Alois: Häufig, vor allem in den Jahren nach dem Ende des Kommunismus. Damals war es wichtig, unsere Besuche im Osten noch zu intensivieren.

KNA: Welche Eindrücke haben Sie von der Stadt mitgenommen?

Alois: Es sind ganz verschiedene, die man nicht auf eine Reihe bringen kann. Berlin ist eine Stadt, die der Zukunft zugewandt ist und die gleichzeitig versucht, auch Schmerzliches und Schwieriges aus der Vergangenheit zu integrieren.

KNA: Was soll das Treffen den Berlinern bringen?

Alois: Es soll auch den vielen Berlinern, die der Kirche nicht nahe stehen, Hoffnung für die Zukunft geben, dass wir uns nicht erdrücken lassen von den aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Problemen. Zudem soll es die Jugendlichen ermutigen, sich in Kirche und Gesellschaft zu engagieren.

KNA: Wie interpretieren Sie das Motto «Wege des Vertrauens»?

Alois: Keine Gesellschaft kann ohne Vertrauen bestehen. Zusammen mit den Teilnehmern des Treffens wollen wir deutlich machen, dass wir solche Wege bahnen wollen. Wichtig ist auch, dass wir uns fragen, wo die Quelle unseres Vertrauens liegt. Diese Frage bricht heute wieder neu auf, und wir wollen sie mit der Kirche in Verbindung bringen. Jugendliche sollen wissen, dass es diesen Ort gibt, wo sie ihre existenziellen Fragen stellen können, wo sie auch neu die Frage nach Gott stellen können.

KNA: Welche Bedeutung hat es für das Treffen, dass die Jugendlichen möglichst bei privaten Gastgebern übernachten?

Alois: Diese Gastfreundschaft spielt eine ganz entscheidende Rolle. Unser Treffen ist kein Kongress, auf dem wir über Vertrauen nur nachdenken. Wir wollen es einige Tage leben. Wenn Familien Jugendliche aufnehmen, die sie nicht kennen und deren Sprache sie vielleicht nicht sprechen, benötigen beide Seiten ein sehr großes Maß an Vertrauen. Aber die Gastfreundschaft in den Familien und Kirchengemeinden kann das Klima des ganzen Treffens prägen. Sie ist eine Erfahrung, die eine neue Sicht auf Kirche eröffnen kann und die Fragen weckt, was Glaube und Kirche eigentlich bedeuten.

KNA: Wie steht es um die Gastfreundschaft der örtlichen Kirchen und des Landes Berlin?

Alois: Sehr gut. Als wir das erste Mal die Möglichkeit eines solchen Treffens in Berlin angesprochen haben, kamen sofort positive Antworten sowohl von beiden großen Kirchen als auch vom Land. Auch deshalb haben wir uns auf dieses Abenteuer eingelassen. Es stimmt, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch viele Gastgeber suchen, aber wir sind guter Hoffnung.

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