Wenn die Kirche Pornos vertreibt

15. November 2011 in Kommentar


Für viele in Deutschland gilt die katholische Kirche als letztes Bollwerk gegen Pornografie. Doch das riesige Verlagsunternehmen der katholischen Kirche „Weltbild“ bietet selbst Pornografisches an. Ein Kommentar von Alexander Kissler


München (kath.net/idea) Für viele in Deutschland gilt die katholische Kirche als letztes Bollwerk gegen Pornografie. Umso überraschter dürften sie gewesen sein, dass Papst Benedikt XVI. Anfang November die deutsche Kirche kritisierte. Er forderte, sie müsse „entschiedener und deutlicher“ gegen die „Verbreitung von Material erotischen oder pornografischen Inhalts“ vorgehen. Der Hintergrund: Das riesige Verlagsunternehmen der katholischen Kirche – „Weltbild“ – bietet selbst Pornografisches an. Dazu ein Hintergrundbeitrag von Alexander Kissler:


Ist der Teufel in die katholische Kirche gefahren? Diesen Eindruck kann fast gewinnen, wer in diesen Tagen die sich überschlagende Berichterstattung zum sogenannten „Weltbild-Skandal“ verfolgt. Laut dem Chefredakteur der überregionalen katholischen Zeitung „Die Tagespost“ stehen die Bischöfe „in aller Öffentlichkeit als Händler und Produzenten von Pornografie da“. Das „System Weltbild und der Ehrgeiz seiner Macher“ seien mit der kirchlichen Lehre unvereinbar. Im ebenfalls katholischen „Pur Magazin“ lautet die Titelzeile der November-Ausgabe „Bischöfe als Porno-Produzenten?“. Die Kirche sei „in ziemliche Erklärungsnot geraten“. Kaum schmeichelhafter berichtet die säkulare Presse.

Ein Riesenkonzern

„Weltbild“ ist ein in Augsburg ansässiges Verlags- und Handelshaus mit gewaltigem Umsatz und weit verzweigtem Beteiligungsnetz. Es gehört komplett der katholischen Kirche. Zwölf deutsche Bistümer halten Anteile zwischen 13 und 2 %, der Rest ist über den Hauptgesellschafter VDD (den „Verband der Diözesen Deutschlands“) mit im Boot. Gleiches gilt von den 100-prozentigen „Weltbild“-Töchtern „Hugendubel“, einem Buchhändler mit 54 Filialen, und „jokers“. Letzterer bietet in Läden und im Internet Restauflagen von Büchern an, die zuvor eigens aufgekauft wurden. Außerdem ist „Weltbild“ mit 50 % an der Verlagsgruppe „Droemer Knaur“ beteiligt und zu einem Drittel am Internetshop „buecher.de“. Von den ausländischen Allianzen ganz zu schweigen.

1.700 Millionen Euro Umsatz

„Weltbild“ erwirtschaftet mit über 6.000 Angestellten einen Jahresumsatz von rund 1,7 Milliarden Euro. Die deutschen Bistümer sind hierdurch „big player“ im Medien- und Handelsgeschäft geworden. „Weltbild“-Chef Carel Halff, ein konfessionsloser Top-Manager, versteht offenbar sein Handwerk. Um welchen Preis aber? Wer im „Weltbild“-Katalog blättert oder sich auf der Homepage umsieht, stößt auf allerlei Schnickschack: Schmutzfangmatten, Tierhaar-Entferner und Boxhandschuhe liefern die Augsburger gern. Keine Berührungsängste hat man mit Erotik jedweder Spielart. „Perfekt im Bett“, „Sex vom Feinsten“, eine Schule für „unvergessliche Orgasmen“ oder „Wie Sie jede Nacht eine andere Frau rumkriegen“ können via „Weltbild“ geordert werden.

Eine eigene Erotik-Sparte

Noch fragwürdiger ist das Wirken von „Droemer Knaur“ und „Jokers“. Bei der Verlagsgruppe „Droemer Knaur“ gibt es eine eigene Erotik-Sparte, werden Bücher also nicht nur vertrieben, sondern produziert mit Titeln wie „Wilde Obsession“, ein Roman über „nie geahnte sexuelle Erfüllung“, oder das „Handbuch für Sexgöttinnen“ mit „696 Tipps für den besten Sex Ihres Lebens“. „Jokers“ wiederum, das eben zu 100 Prozent den Bistümern gehört, bedient sich aus eigenem Antrieb und mit vollen Händen bei der Bückware im Grenzbereich von Erotik und Pornografie. Zur Renditesteigerung der katholischen Eigner kaufte „Jokers“ etwa die Bücher „Perfekt im Bett“ oder „Seitensprünge“. Auch ein Plädoyer für die „Vereinbarkeit von Homosexualität und christlichem Glauben“ ließ sich „Jokers“ willentlich in die Regale liefern.

„Buddhas ewige Gesetze“

Damit nicht genug. Problemlos besorgen die vermeintlich katholischen Händler die Werke der antikirchlichen Gegenseite zwischen Dan Brown, Richard Dawkins, Karlheinz Deschner. Die Kirche verdient mit, wenn die Kirche gescholten wird. Und im Juli 2010 übernahm „Droemer Knaur“ einen Fachverlag für buddhistische Literatur, O. W. Barth. Über die „Urkraft Kundalini“ kann man sich dank des katholischen Medienengagements ebenso informieren wie über den „direkten Weg zur Erleuchtung“ und „Buddhas ewige Gesetze“.
Geschehen ist nichts

Halten wir fest: Mit Sex, Esoterik und Tinnef treibt die katholische Kirche Geschäfte. Vermutlich heißt kein einziger Bischof diese kommerzielle Entgrenzung gut – niemand aber hat auch bisher Gegenmaßnahmen ergriffen. Man ließ sich offenbar einlullen von den Sirenengesängen des Managements und versäumte seine Aufsichtspflicht. Bereits 2008 schickte die „Initiative Katholisches Weltbild“ den Bistümern eine ausführliche Darstellung über „Sexbücher, Esoterik, Magie und Satanismus“ bei „Weltbild“. Geschehen ist seitdem nichts.

Was passiert am 21. November?

Diese Ignoranz werden die Bischöfe sich nicht länger leisten können. Spätestens seit der Ermahnung durch Benedikt XVI. ist das halbseidene Milliardengeschäft Chefsache geworden. Beim Empfang des neuen deutschen Botschafters am Heiligen Stuhl erklärte der Papst Anfang November: Die katholische Kirche in Deutschland müsse „entschiedener und deutlicher“ gegen die „Verbreitung von Material erotischen oder pornographischen Inhalts, gerade auch über das Internet“, vorgehen. Wenn die Ortsbischöfe am 21. November zusammenkommen, steht die gesamte Medienbeteiligung auf dem Prüfstand. Alles andere als ein chirurgisch sauberer Schnitt wäre unglaubwürdig.

Der führende Mann schwieg

Vorab geriet die graue Eminenz der katholischen Medienpolitik, Hans Langendörfer, ins Feuer der Kritik. Der Jesuit ist nicht nur als Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz omnipräsent. Auch müsste er als Aufsichtsratsmitglied von „Weltbild“ und Geschäftsführer des Verbandes der Diözesen Deutschlands wie kein Zweiter über die Schmuddelware informiert gewesen sein. Ob sich auf ihn der Zorn bisher allzu passiver Bischöfe entlädt?

Der Papst warnt

Die letzte Rede des Papstes auf deutschem Boden gilt als sein Vermächtnis an die Deutschen. Im Freiburger Konzerthaus rief er vor sieben Wochen die Kirche auf, sich beherzt zu entweltlichen: „Die von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein.“ In einem System, in dem die Heuchelei Struktur geworden ist, steht diese Entwelt(bild)lichung dringend an. Sonst weitet sich die neuerliche Glaubwürdigkeitskrise zum existenziellen Flächenbrand aus – zum Nachteil der gesamten Christenheit und zum Schaden all jener, die durch ihre Steuern und Spenden die Kirche so gewaltig haben anwachsen lassen, dass sie an ihrem Reichtum irrezuwerden droht.

Zur DOKUMENTATION. Was der Weltbild-Droemer-Knaur ua. anbietet:




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