11. August 2011 in Spirituelles
Für das Verhältnis von Judentum und Christentum ist es ganz entscheidend zu wissen, daß das Judentum heute an die Auferstehung glaubt. Es haben sich die Pharisäer durchgesetzt - Ein Kommentar zum Sonntagsevangelium von P. Bernhard Sirch
Linz (kath.net)
A - 20. Sonntag im Jahreskreis, Betrachtung zur 1. Ls.: Jes. 56, 1.6-7; 2. Ls.: Röm. 11, 13-
Ev.: Mt 15, 21-28
Matthäus schreibt sein Evangelium für die Judenchristen. Die Streitfrage ist, in-wieweit auch die Heiden in die juden-christliche Gemeinschaft aufgenommen werden können. Matthäus formuliert diese Auseinandersetzung wesentlich schärfer als es Markus (Mk 7, 24-30) tut. Die kanaanäische Frau, die Jesus um Hilfe für ihre Tochter bittet, ist eine Heidin und erkennt in Jesus den Sohn Davids, den Messias und erfährt Heil wegen ihres großen Glaubens. "Von dort zog sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück. Da kam eine kanaanäische Frau aus jener Gegend zu ihm und rief: "Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! " (Mt 15, 21.22).
Diese Heidin weiß nur eines, wenn jemand ihr helfen kann, dann ist es Jesus. Auch wir sollen, wenn wir in Not sind, zu Jesus gehen und unablässig rufen: "Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids!" (Mt 15, 21.22). Die Frau trägt nun Jesus ihr Leid vor: "Meine Tochter wird von einem Dämon gequält. Jesus aber gab ihr keine Antwort" (Mt 15, 23). Wie oft erhalten wir keine Antwort auf unsere Bitten und geben auf. Die Frau gibt aber nicht auf. Sie ist voll von einem unumstürzlichen Vertrauen. Sie schreit so laut, daß auch die Apostel als Fürsprecher eintreten: "Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Befrei sie (von ihrer Sorge), denn sie schreit hinter uns her. Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt. Doch die Frau kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir!" (Mt 15, 23-25).
Matthäus möchte für die Judenchristen klar herausstellen, daß es für Jesus nicht selbstverständlich war, daß er auch zu den Heiden gesandt ist. Deswegen auch die unwirsche Auseinandersetzung Jesu mit der kanaanäischen Frau: "Jesus er-widerte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen. Da entgegnete sie: Ja, du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen.
Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt" (Mt 15, 26-28). Es wird hier zweierlei ausgesagt: Einmal der große Glauben der Frau, ferner: das absolute Vertrauen der Frau auf den Herrn, den Sohn Davids, wobei dieses Vertrauen durch die Heilung der Tochter gekrönt wird, und, daß sich Jesus auch den Heiden zuwendet.
1. Lesung: Jes. 56, 1.6-7
Ob die Heiden ins Judentum aufgenommen werden können, ist auch die Proble-matik der 1. Lesung. Nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil sammeln sich in Jerusalem die Juden um den neu eingeweihten Tempel (ca. 515 v.Chr.). Die Frage ist aber: Wer gehört nun zu dieser Gemeinde, wer darf im Tempel beten und Opfer darbringen? "So spricht der Herr: ... Die Fremden, die sich dem Herrn angeschlossen haben, die ihm dienen und seinen Namen lieben, um seine Knechte zu sein, alle, die den Sabbat halten und ihn nicht entweihen, die an mei-nem Bund festhalten, sie bringe ich zu meinem heiligen Berg und erfülle sie in meinem Bethaus mit Freude. Ihre Brandopfer und Schlachtopfer finden Gefallen auf meinem Altar, denn mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Völker ge-nannt" (Jes 56, 1.6-7). Jeder, der vor Gott "recht" ist und sich zu ihm bekennt, darf am Gottesdienst teilnehmen. Die Einhaltung des Sabbat, der im Exil zum entscheidenden Bekenntniszeichen geworden war, wird zum Zeichen der Rechtgläubigkeit bis zur Zeit Jesu. Es sind also klare Forderungen aufgestellt. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch an das 1. Kirchengebot erinnern: "Du sollst an Sonn- und Feiertagen der heiligen Messe andächtig beiwohnen (Sonntagspflicht).
2. Ls.: Röm. 11, 13-15.29-32
Das Herz des Heidenapostels Paulus blutet und möchte mit allen Mitteln die An-gehörigen seines Volkes dazu bewegen, daß sie sich retten lassen: "Euch, den Heiden, sage ich: Gerade als Apostel der Heiden preise ich meinen Dienst, weil ich hoffe, die Angehörigen meines Volkes eifersüchtig zu machen und wenigstens einige von ihnen zu retten" (Röm 11 13-14). Auch unser Herz muß auf das Judentum ausgerichtet sein: "Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt" (Röm 11, 29). Der Völkerapostel argumentiert: "Denn wenn schon ihre Verwerfung für die Welt Versöhnung gebracht hat, dann wird ihre Annahme nichts anderes sein als Leben aus dem Tod" (Röm 11,15).
Die Kirche hat vor allem die Sendung für das "Haus Israel".
Wir können uns fragen, inwieweit unser Bestreben darauf ausgerichtet ist, das jüdische Volk, das auserwählte Volk Gottes für Christus zu gewinnen. Wenn die Mutter Gottes in Fatima 1917 aufgerufen hat für die Bekehrung Rußlands zu be-ten, wobei noch kurze Zeit vor dem Fall der Berliner Mauer niemand ernstlich da-ran gedacht hat, daß sich ein Wechsel so unblutig vollzieht, so wäre es heute an der Zeit für das auserwählte Volk zu beten. Jesus selber möchte uns zurufen: "Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt" (Mt 15,24). Da die Kirche die Sendung Jesu übernommen hat, hat die Kirche vor allem die Sendung für das "Haus Israel".
Die Theologie der Auferstehung bei Juden und Christen
als einigendes Band. Ein Weg zur Verständigung.
Pharisäer und Sadduzäer zur Zeit Jesu
Zur Zeit Jesu waren die jüdischen Theologen gespalten: Die Pharisäer glaubten an die Auferstehung, die Sadduzäer leugneten die Auferstehung (Lk 20,27). Die entscheidenden Ämter hatten aber die Sadduzäer.
Die Sadduzäer stellen Jesus eine Fangfrage und benützen dazu die Heilige Schrift. Nach dem Gesetz des Mose muß, wenn eine Frau Witwe wird, der Bruder des Ehemanns die Frau heiraten. Nun bringen die Sadduzäer ein Beispiel aus dem zu schließen ist, daß die Auferstehung nicht der Heiligen Schrift entspricht: Es mußten sieben Brüder eine Frau heiraten; wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung? Jesus biegt die Frage ab und sagt: In jener Welt wird nicht mehr geheiratet, da sie durch die Auferstehung zu Söhnen Gottes geworden sind (Lk 20, 35.36).
Jesus geht aber dennoch auf die Frage "Auferstehung und Heilige Schrift" ein und bringt aus der Heiligen Schrift ein Beispiel: "Daß aber die Toten auferstehen, hat schon Mose in der Geschichte vom Dornbusch angedeutet, in der er den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt. Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn sind alle lebendig" (Lk 20,38). Das Thema "Auferstehung" war das Thema der Theologen im Judentum zur Zeit Jesu.
Nun zu dem Bericht über das Martyrium der Makkabäischen Brüder in 2 Makk 7, 1-14. Er gehört bei den Juden nicht zur heiligen Schrift, sondern nur zu den sie-ben sogenannten deuterokanonischen (griechisch: deuteros, kanón = 2. Kanon), nur griechisch überlieferten Bücher der Bibel. Von den griechisch sprechenden Juden der Diaspora in Ägypten übernahm die christliche Kirche die deuteroka-nonischen Bücher. Das 2. Buch der Makkabäer dürfte nach 160 vor Christus entstanden sein. Dieses Buch ist wichtig vor allem wegen seiner fortgeschrittenen Lehre über die Auferstehung der Toten. Am Ende des Be-richtes über das Martyrium der Makkabäer steht: "Gott hat uns die Hoffnung gegeben, daß er uns wieder auferweckt. Darauf warten wir gern, wenn wir von Menschenhand sterben" (2 Makk 7, 14).
Da also das Makkabäerbuch nicht zur Schrift der Juden gehörte, war auch die Frage der Auferstehung offen, nicht eindeutig entschieden. Für Jesus ist der Glaube an die Auferstehung auch in der hl. Schrift grundgelegt, wie wir gesehen haben.
Pharisäer und Christen in der Apostelgeschichte
Die Theologie der Auferstehung bei Juden und Christen als einigendes Band hat bereits unmittelbar nach der Auferstehung Jesu begonnen. Es ist sonderbar, daß Jesus in den Evangelien die Pharisäer, die ja die Lehre Jesu über die Auferste-hung teilen, immer wieder scharf angreift. In der Apostelgeschichte, also nach der Auferstehung Jesus, kann man eine deutliche Zäsur in der Darstellung be-merken: nämlich eine wohlwollende Haltung der Pharisäer; dies kann vor allem an dem Pharisäer Gamaliel gezeigt werden. Er trat in einer entscheidenden Phase für die ersten Christen ein. In der Apostelgeschichte heißt es: "Als sie dies hörten - Gott hat Jesus auferweckt: Apg 5,30 - ergrimmten sie und sannen darauf, sie umzubringen. Da erhob sich im Hohen Rat ein Pharisäer namens Gamaliel, ein Gesetzeslehrer, angesehen beim ganzen Volke; er beantragte, sie möchten für kurz die Männer hinausführen, und sprach zu ihnen; 'Ihr Männer von Israel, überlegt euch wohl, was ihr mit diesen Menschen tun wollt... Und für diesmal sage ich euch: Steht ab von diesen Menschen und laßt sie in Ruhe; denn ist dieses Vorhaben oder dieses Werk von Menschen, wird es zunichte werden; ist es aber von Gott, könnt ihr sie nicht vernichten; ihr möchtet sonst gar als Widersacher Gottes gefunden werden.' Sie ließen sich von ihm überzeugen und riefen die Apostel herein, ließen sie züchtigen, geboten ihnen , nicht im Namen Jesus zu reden, und ließen sie frei." (Apg 5,34 - 40).
Von Paulus wissen wir, er war Pharisäer: Ich bin, im Hinblick auf das Gesetz ein Pharisäer (Phil 3,5). Er verkündet die Auferstehung: "Wenn es keine Auf-erstehung der Toten gibt, dann ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Predigt sinnlos, sinnlos auch euer Glaube" (1 Kor 15,13.14).
Kirche und Judentum in der Folgezeit.
Wir sehen, daß bereits zur Zeit der Entstehung der Heiligen Schrift ein Annä-herung, eine wohlwollende Auseinandersetzung in der Frage der Auferstehung, zwischen Pharisäern und Christen stattgefunden hat. Wenn in der Folgezeit Christenverfolgungen vornehmlich von Juden angestiftet worden sind, so wird in den Berichten nicht unterscheiden zwischen Pharisäer und Sadduzäer, etwa beim Martyrium des Bischofs von Smyrna, dem Hl. Polykarp, einem Schüler des Hl. Apostels Johannes. Immer wieder ist bei Christenverfolgungen vor allem im 2. Jahrhundert von einer Anstiftung von seiten der Juden die Rede.
Zu einer Wende von seiten der Kirche kam es seit dem 6. Jahrhundert. Raimund Kottje legt in seinem Buch "Studien zum Einfluß des Alten Testamentes auf Recht und Liturgie des Frühen Mittelalters" dar: "Seit etwa dem Beginn des 6. Jahrhunderts zeigt sich im Leben der abendländischen Kirche nicht nur ein zunehmendes Interesse an Gestalten und Ereignissen des Alten Testamentes, sondern vor allem die Tendenz, auf das alttestamentliche Gesetz und altte-stamentliche Bräuche als Quellen und Vorbilder christlichen Lebens zu-rückzugreifen." Nach Ex 28 muß der Priester nach Anordnung Gottes beim heiligen Dienst eine Kopfbedeckung tragen. Interessant ist es nachzuforschen, wie die Stelle Ex 28 ausgelegt wurde.
Die pseudoalkuinische Schrift "De divinis offiziis" aus dem 11. Jahrhundert be-handelt die alttestamentliche Priesterkleidung, wobei immer ausdrücklich Bezug genommen wird auf die neutestamentliche Priesterkleidung. Bereits in dieser Schrift trägt der Bischof die gesamte alttestamentliche Priesterkleidung mit Aus-nahme der Kopfbedeckung: "Dieses Kleidungsstück wird in der römischen Kirche oder in unseren Gegenden nicht benützt. Es ist nämlich nicht üblich, daß die heiligen Geheimnisse mit einer Kopfbedeckung gefeiert werden" (PL 101, 1239).
Was das Tragen von Kopfbedeckungen bei liturgischen Handlungen betrifft, so richtete sich die lateinischen Kirche nach dem Neuen Testament: "Jeder Mann, der mit bedecktem Haupt betet oder prophetisch redet, entehrt sein Haupt" (1 Kor 11,4). "Der Mann nämlich soll sein Haupt nicht verhüllen, weil er Gottes Bild und Abglanz ist" (1 Kor 11,7). Bereits in der Schrift des Robertus Paulus "De officiis ecclesiasticis" (PL 177, 405) betont: "Die bischöfliche Mitra ist aus dem Alten Testament übernommen... Die zwei "cornua" bedeuten die zwei Testamente". Daß ab dem Ende des 1.Jahrtausends auch die Hostien aus ungesäuertem Brot sind, geht ebenfalls auf den Einfluß des Alten Testamentes zurück.
Ab dem Mittelalter kann man dann wieder ein Auseinanderttriften von Judentum und Christentum feststellen, vor allem deswegen, weil die Juden keine Berufe ausüben durften und folglich gezwungen waren, Handel zu treiben. Die Auseinandersetzung mit dem Judentum, diesmal jedoch nicht aus religiösen Motiven von seiten des Christentums gipfelte in der Kristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938.
Heutiger Auferstehungsglaube im Judentum und Christentum.
Für das Verhältnis von Judentum und Christentum ist es ganz entscheidend zu wissen, daß das Judentum heute an die Auferstehung glaubt. Es haben sich also die Pharisäer durchgesetzt. Eines der ältesten und umfassendsten Gebete der jüdischen Liturgie, das der gläubige Jude jeden Tag sprechen soll, ist das Gebet der Achtzehn Segnungen. Die zweite Segnung preist Gott:
"Du bist mächtig in Ewigkeit, Herr.
Du belebst die Toten, du bist reich an Hilfe.
Du erhältst alles Lebende in Liebe,
belebst die Toten mit großer Barmherzigkeit...
Gelobt seist du, Herr, der die Toten belebt".
Es ist unerläßlich, Wege der Verständigung mit den Juden zu suchen: Ein einigendes Band könnte die Theologie der Auferstehung bei Juden und Christen sein.
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