Das glühende Herz der Religion

23. Juni 2011 in Österreich


Kardinal Christoph Schönborn bei Fronleichnamspredigt: Aus der „Haltung der selbstlosen Anbetung“ erfolgt eine „innere Freude, die Freude an Gott selber, die hilft alle Widrigkeiten zu ertragen.


Wien (kath.net/PEW)
Kardinal Christoph Schönborn erinnerte in seiner Predigt am Josefsplatz in der Wiener Innenstadt an die Tradition des auf Kaiser Joseph II. zurückgehenden Josephinismus. Die „Versuchungen des Josephinismus“, so der Kardinal, seien uns heute noch nahe, nämlich „Religion nach dem Maß ihrer ersichtlichen sozialen und gesellschaftlichen Nützlichkeit zu bewerten“. „Und dabei spielen wir als Kirche durchaus eifrig mit, indem wir die Wichtigkeit der Kirche vor allem nach ihrem Nutzen für Staat und Gesellschaft anpreisen.“

Dafür ließe sich zwar „durchaus eine Erfolgsbilanz“ vorweisen – der Kardinal nannte unter anderem die katholischen Schulen, die Leistung der Caritas, die kirchlichen Kulturgüter und den Lobbyismus für Entwicklungshilfe – weshalb „wir auch mit Dankbarkeit Zeichen der Wertschätzung und der Anerkennung von Seiten des Staates wie etwa die jüngst beschlossene wesentliche Erhöhung der Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages“ sehen (die „kein Privileg für die Kirchen darstellt, sondern die Anerkennung ihres Beitrages zum Wohl des Ganzen“).

„Zwecklos, aber höchst sinnvoll“

Es gebe jedoch ein „großes Aber: Religion, Glauben, Kirche als Glaubensgemeinschaft, darf sich nicht selbst nur von ihrem Nutzen her verstehen. Das glühende Herz der Religion ist das zweckfreie Geheimnis, und wenn sie nicht mehr aus diesem Geheimnis lebt, dann ist ihr glühender Kern erloschen.“ Die eucharistische Anbetung, also der in der Monstranz mitgetragenen Hostie, in der nach katholischem Verständnis Christus selbst bleibend gegenwärtig ist sei, so Kardinal Schönborn, „zwecklos, aber höchst sinnvoll“. „Das Geheimnis anzubeten, das in diesem kleinen Stück Brot Gegenwart ist… bedarf keiner Nützlichkeitsbilanz.“ „Gott um Gottes Willen suchen! Jesus Christus verehren und anbeten in der Gestalt seiner eucharistischen Gegenwart: Das ist der Sinn des heutigen Tuns“, der „lebendige Kern“ der Fronleichnamstradition.

„Loslassen vom Selbstrechtfertigungsritual“

Abschließend nannte Kardinal Schönborn in seiner Predigt auf dem Josefsplatz zwei „nicht beabsichtigte aber umso wichtigere Nebeneffekte“ der „Haltung der zweckfrei geschenkten Anbetung“: Erstens, „dass wir loslassen von diesem manchmal peinlichen Selbstrechtfertigungsritual“. Hier erinnerte der Kardinal daran, dass die vielen Leistungen der Kirche für die Gesellschaft zwar zahlreich und dankenswert seien und anerkannt werden müssten, „aber wir dürfen uns nicht einbilden, dass wir deshalb die Einzigen und die Besten sind.“ Auch die säkulare Gesellschaft habe „hervorragende Schulen, gute Spitäler, großartige Sozialeinrichtungen - ohne religiöse Motivation.“

„Frei für den Dienst am Nächsten“

Zweitens folge aus der „Haltung der selbstlosen Anbetung“ eine „innere Freude, die Freude an Gott selber, die hilft alle Widrigkeiten zu ertragen. Letztlich macht die selbstvergessene Anbetung des Geheimnisses frei, frei von sich selbst, frei vor Gott, frei für den hingebungsvollen Dienst am Nächsten.“ „Unser Tun“ am Fronleichnamstag, „diese zweckfreie Prozession, diese Momente der Anbetung halten die Quelle zugänglich, aus der unserer Gesellschaft frische, neue Kraft zufließt“, schloss Kardinal Schönborn seine Predigt.


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