Kroatien: Terra Sancta

4. Juni 2011 in Chronik


Kleine Anmerkungen zu einem katholischen Land. Von Georg Schimmerl


Rom (kath.net/sg) Wenn man Kroatien hört, denkt man (leider) zunächst an Jugoslawien, Krieg, Kommunismus, „Religions“- und „Stammes“-Fehden, eine nicht wirklich gleich ins Ohr gehende schwierige Sprache ... Tatsächlich vergisst man aber nur allzu leicht, dass Kroatien ein durch und durch vom Christentum, und zwar schon vom frühen Christentum geprägtes Land ist.

Man besuche nur einmal die frühchristliche Kathedrale von Porec in Istrien. Zwei Heilige, die im Römischen Kanon genannt werden – Chrysogonus und Anastasia –, stammen aus dieser Gegend. Letztere wurde vor allem berühmt, weil sie nach dem Großen Schisma 1054 von der griechischen und von der römischen Kirche beansprucht wurde. Der Brauch, dass die zweite Weihnachtsmesse des Papstes in der Kirche Santa Anastasia gefeiert wurde, geht schlicht darauf zurück, dass ihr Festtag, der 25. Dezember, älter als das Weihnachtsfest selber ist und sie daher in der zweiten Weihnachtsmesse in der „forma extraordinaria“ nicht nur im Römischen Kanon erwähnt wird, sondern in einer zweiten Oration.

Sodann verdanken wir diesem Land den großen heiligen Hieronymus und damit indirekt sein bedeutendes Opus. Sein genauer Geburtsort in Dalmatien lässt sich nicht mehr exakt rekonstruieren. Man nimmt heute an, dass er sich wohl im dalmatinischen Hinterland im heutigen Bosniens auf dem Gebiet der durch den leidvollen Krieg der 90er Jahre fast zerstörten Diözese Banja Luka befindet. Manchmal scherzhaft wird von ihm das Stoßgebet überliefert: „Verzeih mir, Gott, - ich bin ein Dalmatiner!“.

Nach dem Eindringen der slawischen Stämme – vermutlich aus der Gegend der heutigen Westukraine – ist Kroatien das erste große Betätigungsfeld der heiligen Cyrill und Methodius. Auf sie geht die Entwicklung der glagolitischen Schrift und die Verbreitung des Kirchenslawischen in der Liturgie zurück.

Der heilige Gregor von Nin, der nunmehr erste slawische Bischof, gründete um das Jahr 900 das erste slawische Bistum Nin in der Nähe von Zadar. Die von Cyrill und Methodius durchgesetzte kirchenslawische Kultsprache wurde bis zur Liturgiereform durch die aus einer lokalen Büßerbewegung hervorgegangenen „Franziskaner vom dritten Orden“ (Franziskus hatte sie persönlich auf einer Reise aus Italien hier angetroffen), aber auch von den heute nur mehr spärlich präsenten Paulinern gepflegt. Heute versucht das einzig verbliebene Benediktinerpriorat auf der Insel Pasman dieses alte Erbe zu hüten.

Zur Präsenz der Benediktiner: Praktisch die gesamte dalmatinische Küste war lange vor den Franziskanern von einer großem Zahl vonBenediktinerabteien geprägt, im Binnenland gab es zahlreiche Zisterzienserklöster. Geblieben sind einige wenige Frauenklöster und jeweils eine kleine Mönchskommunität von Benediktinern sowie eine noch kleinere von Zisterziensern.
Fast verschwunden ist heute auch das im Mittelalter blühende dominikanische Leben in dieser Gegend. Der heilige Augustin Kazotic war einer von ihnen.

Zahlreiche Heilige hat dieses Land hervorgebracht. Einer der Berühmtesten ist genaugenommen zwar ein Dalmatiner, sein Geburtsort liegt heute aber im nördlichen Montenegro: es ist der heilige Leopold Bogdan Mandic, ein Kapuziner, der mit Ausnahme einiger kurzer Jahre in seiner Heimat praktisch ausschließlich in Italien und dort wiederum vor allem in Padua als Beichtvater wirkte. Noch heute kann man in und um Padua Leute treffen, die als Kinder diesem sympathischen Heiligen persönlich begegnet sind. Aber auch die „neueren“ Seligen Ivan Merz, Marija vom gekreuzigten Jesus und Kardinal Stepinac sind jeder auf seine Art Zeugen eines lebendigen und sympathischen Katholizismus.

Der Papst kommt an diesem Wochenende also auf keinen Fall in ein geistlich dürres Land. Ganz im Gegenteil. Dennoch kommt er in ein modernes Kroatien, das in dieser Form geschichtlich eigentlich ein Novum ist. Denn politisch war es nur kurz eine Einheit und – wenn überhaupt – dann nicht in der heutigen Konstellation. Von daher ist dieser Staat, der sich nun mühsam etabliert hat, in einem Veränderungsprozess, der sich auch auf die religiöse Praxis und das Leben der Kirche nachhaltig auswirkt.

Der Katholizismus war von jeher der gemeinsame Nenner dieses Landes. Man kann dies durchaus auch kritisch betrachten, aber man kann die Bedeutung des Besuchs Papst Benedikts XVI. für Kroatien nur vor diesem Hintergrund verstehen.


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