Wie man heute junge Priester verheizt

17. August 2002 in Deutschland


In einer gespaltenen Gemeinde kann Treue zur Kirchenlehre verhängnisvoll sein: Im Erzbistum Freiburg traten zwei Pfarrer zurück Von Guido Horst/DIE TAGESPOST


Würzburg (DT)
Kleriker der Erzdiözese Freiburg machen hin und wieder von sich reden. So geschehen vor gut einem Jahr, als sich etwa fünfzig Priester des Erzbistums weigerten, das von den Bischöfen verlangte Treueversprechen samt erweitertem Glaubensbekenntnis abzulegen. Eine entsprechende Protesterklärung sorgte für Schlagzeilen und machte den Erzbischof „sehr betroffen“, einige Unterzeichner zogen ihre Unterschrift wieder zurück, die Angelegenheit verlief dann im Sande.

Sicherlich nicht zu dieser Gruppe der Eid-Verweigerer, doch aber zu den „Sorgenpfarrern“ des Ordinariats gehören zwei andere Priester, über die jetzt die Zeitungen schrieben. „In der Pfarrei alles andere als Einigkeit“, hieß es im „Pforzheimer Ku-rier“, und auch die „Pforzheimer Zeitung“ berichtete von Streit und Spaltung in der großen Seelsorgeeinheit rund um die Pfarrei Heilige Dreieinigkeit. Idyllisch gelegen, dort, wo der Kraichgau in den Nordschwarzwald übergeht. Zu ihr gehören etwa 7300 Katholiken in Örtchen mit den sympathischen Namen Bilfingen, Eisingen, Stein, Königsbach, Wilferdingen, Singen und Nöttingen. Den beiden Seelsorgern der Pfarrei, Ewald Billarz (35) und Claus Michelbach (34), wirft das Freiburger Ordinariat vor, „den Dienst der Einheit, der wesentlich zum priesterlichen Dienst gehört“, nicht so ausgeübt zu haben, „dass die Gemeinde nicht zerbricht“, wie in einem Schreiben an die Verantwortlichen der Pfarrgemeinde zu lesen ist. Es geht um Fragen der Sakramentenpastoral, der Liturgie, der Ökumene. Inzwischen kursieren Dutzende von Protestschreiben, Beschwerdebriefen, Dossiers und fotokopierten Leserzuschriften. Selbst Kardinal Joseph Ratzinger in Rom hat Post bekommen – allerdings von den Symphatisanten und Unterstützern der beiden Priester.

Das auf diese Art entstandene Schrifttum verschafft Einblicke in den Alltag einer Pfarrei, die Spaltungen im Kirchenvolk „ausbaden“ muss, die nicht erst in Bilfingen entstanden sind. Bevor Billharz und Michelbach im September 2000 ihren Dienst dort antraten, pflegte man zum Beispiel in einer Filialgemeinde die Sitte der Interkommunion. In einer überwiegend protestantischen Umgebung gelegen, lud die katholische Pfarrei einmal im Jahr die evangelische Gemeinde ein und machte auch einen Gegenbesuch – die jeweilige Einladung der Gäste zur Kommunion beziehungsweise zum Abendmahl eingeschlossen. Billharz und Michelbach haben das abgeschafft – und das immerhin im Einverständnis mit dem protestantischen Pfarrer. Dafür führten sie eine Marienmesse am Samstag und besondere Andachten im Advent und in der Fastenzeit ein. Die zu Bilfingen gehörende Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau zog wieder in großer Zahl Besucher an. Dass Billharz und Michelbach priesterliche Kleidung trugen, war auch vielen neu – und sorgte gleich zu Beginn für manchen Unmut. Als die beiden Priester dann im Gemeindeblatt Ende Oktober 2000 dazu einluden, Allerseelen und in den Tagen danach für die Verstorbenen den Ablass zu gewinnen und die entsprechenden Bedingungen zu erfüllen (unter anderem Gebet in den Anliegen des Heiligen Vaters), wurden aus dem Unmut kritische Worte. Zunächst mündlich nach der Sonntagsmesse, dann im Pfarrblatt der zur Seelsorgeeinheit gehörenden Gemeinde in Remchingen. „Ich glaube, dass Gott mir diese von den Pfarrern publizierten Limits und Bedingungen nicht stellt, um mir und den mir nahe stehenden Verstorbenen seine Gnade (Ablass) zu schenken“, beschwerte sich eine Gemeindemitarbeiterin.

Wer hat in der Gemeinde welche Befugnisse?Die Lager, in die die Großgemeinde bereits vor der Ankunft von Michelbach und Billharz aufgespalten war, begannen sich neu zu formieren. Die Pfarrbücherei wurde zum Hort des Widerspruchs, im Pfarrgemeinderat artikulierte sich der Protest. Beschwerdebriefe erreichten das Ordinariat Doch auch die Sympathisanten wurden tätig. Bereits im März 2001 ging die erste Unterschriftenliste mit über hundert Unterzeichnern an den Erzbischof in Freiburg. Tenor: Nehmt uns diese Pfarrer nicht. Man habe von verschiedenen Seiten gehört, „dass diese Schritte unternehmen wollen oder schon unternommen haben, unsere beiden Pfarrer Ewalf Billharz und Claus Michelbach ,loszuwerden‘.“ In weiteren Zuschriften wurde das Ordinariat gebeten, klarzustellen, wer in der Pfarrgemeinde welche Befugnisse habe und dass die beiden Pfarrer nichts anderes als die Lehre der katholischen Kirche verträten.

Aus dem nun begonnenen Kleinkrieg wurde eine Schlammschlacht, als Pfarrer Billharz am vergangenen Weißen Sonntag der mit den Kommunionkindern versammelten Gemeinde einige Hinweise zum Empfang der Eucharistie gab, da sich „an einem solchen Tag“, wie der Priester sagte, immer wieder Unsicherheit breit mache, „wie die Heilige Kommunion empfangen werden soll und wer sie empfangen darf“. Billharz gab Normen der katholischen Kirche wieder: Bei schwerer Sünde habe man vorher zu beichten, wiederverheiratete Geschiedene, evangelische Christen und Andersgläubige dürften „so schmerzlich das im Einzelfall ist“ – nicht zum Tisch des Herrn treten. Das genügte, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. „Viele Gläubige haben dies ein Stück weit als lieblos und ungeschickt empfunden“, kommentierte später der Pforzheimer Dekan. Es folgten Empörung, Aufruhr, Kirchenaustritte. Ein Ehepaar schrieb am Tag darauf, dass es, da konfessionsverschieden, immer abwechselnd in die katholische oder evangelische Kirche und dort auch gemeinsam zur Kommunion oder zum Abendmahl gegangen sei. Bisher seien die katholischen Pfarrer damit einverstanden gewesen, doch nun sei die Ökumene wohl „gestorben“. Ein anderer begründete seinen Kirchenaustritt mit Unmenschlichkeit, „Seelterrorismus“ und dem Latein in der Kirche. Eine öffentliche Sitzung des Gesamt-Pfarrgemeinderats der Seelsorgeeinheit gab schließlich Anfang Juni Gelegenheit zur Aussprache.

Der auf Vermittlung des Ordinariats zur „Moderation“ angereiste Dekan einer anderen Seelsorgeregion des Erzbistums konnte auch keinen Frieden stiften. Wortreich schilderte er die Wunden und tiefen Verletzungen von Pfarrgemeinderäten und Beschwerdeführern, deren Briefe ihm das Ordinariat zugeleitet hatte. In den Sachfragen hielt sich der moderierende Dekan eher bedeckt. Von einer Unterstützerin der beiden Pfarrer gefragt, ob man denn noch beichten müsse, ob eucharistische Tischgemeinschaft erlaubt sei oder nicht und ob Priester gegen Weisungen der Kirche und geltendes Kirchenrecht verstoßen dürften, entgegnete er ausweichend, aber doch vielsagend: „Mir machen solche Leute Angst, die auf alles eine klare Anwort wollen.“

Eine weitere Liste mit gut zweihundert Unterzeichnern, die den Erzbischof in Freiburg wieder um Hilfe für die beiden Pries-ter baten, ging Mitte Juni nach Freiburg. Am 21. Juni fanden sich Billharz und Michelbach bei Erzbischof Saier ein, am 30. Juni gaben die beiden Pfarrer nach dem Sonntagsgottesdienst ihren Amtsverzicht bekannt. In einer öffentlichen Erklärung der Diözesanleitung hieß es dazu, angesichts „der vorhandenen Spannungen und aufgetretenen Konflikte, die trotz allen Bemühens nicht aufgearbeitet werden konnten“, hätten die beiden Pfarrer dem Erzbischof ihren Verzicht auf die Pfarrstelle Bilfingen angeboten. Saier habe diesen zum kommenden 12. September angenommen.

Wie es mit Billharz und Michelbach persönlich weitergeht, ist ungewiss. „Der Amtsverzicht war nie eine Perspektive für uns“, erklären beide und deuten damit an, dass es wohl nicht ganz freiwillig dazu kam. Die beiden Priester sind enttäuscht. Im Ordinariat habe man gewusst, dass man sie in eine Gemeinde schicke, in der die Polarisierung innerhalb der Kirche besonders deutlich abgebildet ist. Hätten da die Verantwortlichen des Bistums nicht „denen, die sie da hineinschicken, Unterstützung und Rückendeckung geben müssen?“, fragen Billharz und Michelbach. Ihnen werde nun vorgeworfen, dass es ihnen nicht gelungen sei, die Spaltung in der Seelsorgeeinheit zu überwinden. „Das heißt klar, die Spaltung in der Pfarrei war vor uns schon vorhanden“, so die Priester.

„Ihre Anweisungen sind korrekt und präzise“Unterdessen fragen sich Unterstützer der beiden, was Billharz und Michelbach hätten anders machen sollen. In einem Brief aus dem Freiburger Ordinariat an eine ehrenamtlich Mitwirkende in der Pfarrei heißt es: „Es geht nicht so sehr um die Inhalte der Verkündigung beider Priester, sondern um deren Art und Weise. Auch Mitglieder der Gemeinde, die sich für einen Verbleib beider ausgesprochen haben, geben zu, dass ein allzu forsches und übereifriges Auftreten zu Verletzungen geführt hat.“ Dem widerspricht das Urteil eines weiteren Mitarbeiters in der Gemeinde: Der Umgang der beiden Priester „mit den Mitarbeitern, einschließlich den Ministranten, ist geprägt von Freundlichkeit, Verständnis, Offenheit, Herzlichkeit und kooperativem Führungsstil. Auf Fragen werden höfliche, freundliche Auskünfte erteilt, ihre Anweisungen sind korrekt und präzise“. Korrekt und präzise: Vielleicht sind das die beiden Eigenschaften, mit denen man in einer polarisierten Kirche unweigerlich Anstoß erregt.

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