Ökumenisches Patriarchat verurteilt Vassula Rydén

16. April 2011 in Chronik


Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel hat ein neues Dokument über die griechisch-orthodoxe Vassula Rydén veröffentlicht.


Rom (kath.net/as/mc) Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel hat Vassula Rydén mit einer am 16. März veröffentlichten Entscheidung verurteilt. Über die Interpretation des Dokumentes werden verschiedene Angaben gemacht, bisweilen wird es als „Exkommunikation“ bezeichnet. Andere weisen dies als unzutreffend zurück und betonen, dass es sich bei dem Dokument um eine Verurteilung ihrer Lehre handelt sowie eine Aufforderung an ihre Befürworter, eine Verbreitung der Lehre zu unterlassen, um nicht ausgeschlossen zu werden. Auf eine entsprechende Anfrage an das Ökumenische Patriarchat hat kath.net leider bislang keine Antwort erhalten.

Vassula Rydén, 1942 in Ägypten in einer griechischen Familie geboren, lebte ein glaubensfernes, weltliches Leben, bis sie nach eigenen Angaben 1985 die Gabe erhielt, Jesus Christus innerlich zu hören und zu sehen. Bis 2003 schrieb sie diese Dialoge, die als „Botschaften Gottes an die Menschheit“ vorgestellt werden, in mehreren Büchern mit dem Titel „Das Wahre Leben in Gott“ (WLIG, englisch: TLIG) und „Mein Engel Daniel“ nieder. Vassula sah laut ihren Angaben seit dieser Zeit immer wieder auch ihren Schutzengel.

Die Botschaften laden Menschen ein, im Gebet eine ganz innige Beziehung der Liebe zum dreifaltigen Gott zu suchen und aus dieser heraus dann auch zu leben (ehrliche Umkehr). Ihr zweites Hauptanliegen ist die Einheit aller Christen bzw. der orthodoxen und der katholischen Kirche.

Die Echtheit des Charismas ist innerkirchlich umstritten und findet auch unter Bischöfen sowohl Befürworter als auch Gegner. Offiziell anerkannt sind die Schriften nicht, die Glaubenskongregation hat sich ablehnend geäußert.

Die Kongregation für die Glaubenslehre stellte am 6. Oktober 1995 eine negative Notifikation über die Schriften aus. Die Notifikation lautet: „Viele Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien wenden sich an diese Kongregation mit der Bitte um ein maßgebendes Urteil über die Tätigkeit der in der Schweiz ansässigen griechisch-orthodoxen Frau Vassula Ryden, die weltweit in katholischen Gebieten ihre Worte und ihre Schriften als angeblich vom Himmel offenbarte Botschaften verbreitet. Eine von dieser Kongregation vorgenommene aufmerksame und objektive Untersuchung in der Absicht, ‚die Geister zu prüfen, ob sie aus Gott sind’ (vgl. 1 Joh 4,1), hat — neben positiven Aspekten — ein Gesamtbild von wesentlichen Elementen gezeigt, die im Licht der katholischen Lehre als negativ betrachtet werden müssen. Abgesehen davon, dass der verdächtige Charakter der Art und Weise, mit der diese angeblichen Offenbarungen geschehen, im Auge zu halten ist, ist es geboten, auch einige in ihnen enthaltene doktrinäre Irrtümer hervorzuheben.

Unter anderem wird in zweideutiger Ausdrucksweise von den Personen der Heiligsten Dreifaltigkeit gesprochen. Das geht so weit, dass die kennzeichnenden Namen und Funktionen der göttlichen Personen verwechselt werden. In diesen angeblichen Offenbarungen wird eine drohende Periode der Vorherrschaft des Antichristen innerhalb der Kirche angekündigt. In chiliastischer Weise wird ein entscheidendes und glorreiches Eingreifen Gottes prophezeit, der im Begriff sei, auf Erden noch vor der endgültigen Ankunft Christi ein Zeitalter des Friedens und des allgemeinen Wohlergehens zu errichten. Im übrigen wird in nächster Zukunft eine Kirche erwartet, die eine Art pan-christlicher Gemeinschaft wäre im Gegensatz zur katholischen Lehre.

Die Tatsache, dass in den späteren Schriften der Ryden die oben genannten Irrtümer nicht mehr erscheinen, ist ein Zeichen dafür, dass es sich bei den angeblichen ‚himmlischen Botschaften’ nur um die Frucht privater Meditationen handelt.

Im übrigen ruft Frau Ryden, die gewöhnlich an den Sakramenten der katholischen Kirche teilnimmt, obschon sie griechisch-orthodox ist, mancherorts in katholischer Umgebung nicht wenig Verwunderung hervor. Sie scheint sich über jede kirchliche Jurisdiktion und jede kirchenrechtliche Regelung zu stellen und verursacht faktisch eine ökumenische Unordnung, die bei nicht wenigen Autoritäten, Geistlichen und Gläubigen ihrer eigenen Kirche Missfallen hervorruft, da sie sich außerhalb der Disziplin dieser Kirche stellt.

In Anbetracht dessen, dass, trotz einiger positiver Aspekte, die Aktivitäten von Vassula Ryden sich negativ auswirken, ersucht diese Kongregation, dass die Bischöfe einschreiten, ihre Gläubigen angemessen informieren und in ihren Diözesen keine Ausbreitung der Ryden´schen Ideen gestatten. Sie fordert schließlich alle Gläubigen auf, die Schriften und die Interventionen von Frau Vassula Ryden nicht als übernatürlich zu betrachten und den Glauben, den der Herr der Kirche anvertraut hat, rein zu bewahren“.

Im Dezember 1996 hatte die Kongregation für die Glaubenslehre mitgeteilt:

„Die Kongregation für die Glaubenslehre hat verschiedene Anfragen bezüglich des Wertes und der Autorität ihrer Notifikation vom 6. Oktober 1995 erhalten (veröffentlicht im „L’Osservatore Romano“ am Montag/Dienstag 23./24. Oktober 1995), welche Bezug nimmt auf die Schriften und Botschaften von Frau Vassula Ryden, der angebliche Offenbarungen zugeschrieben werden und die in katholischen Kreisen rings um die Welt Verbreitung finden. In dieser Hinsicht möchte die Kongregation feststellen:

1) Die Notifikation, welche an die Hirten und Gläubigen der Katholischen Kirche gerichtet ist, behält ihre volle Kraft. Sie wurde von den zuständigen Autoritäten approbiert und wird in den Acta Apostolicae Sedis, dem offiziellen Organ des Heiligen Stuhls, mit den Unterschriften des Präfekten und des Sekretärs der Kongregation publiziert werden.

2) Was die durch einige Medien verbreiteten Berichte bezüglich einer restriktiven Interpretation dieser Notifikation betrifft, welche Seine Eminenz der Kardinalpräfekt in einem privaten Gespräch einer Gruppe von Menschen gegeben hat, denen er am 10. Mai 1996 eine Audienz gewährte, möchte derselbe Kardinalpräfekt feststellen:

a) Er sagte, die Gläubigen dürfen die Botschaften von Vassula Ryden nicht als göttliche Offenbarungen ansehen, sondern nur als ihre persönlichen Meditationen;
b) diese Meditationen schließen so, wie es die Notifikation erklärte, zusammen mit positiven Aspekten auch Elemente ein, welche im Licht der katholischen Lehre negativ sind;
c) darum sind Hirten und Gläubige aufgefordert, ernsthafte geistliche Unterscheidung in dieser Sache anzuwenden und die Reinheit des Glaubens, der Sitte und des geistlichen Lebens zu erhalten, indem sie sich nicht auf angebliche Offenbarungen verlassen, sondern dem geoffenbarten Wort Gottes folgen sowie den Weisungen des Lehramtes der Kirche.

II. Was die Verbreitung der Texte von angeblichen privaten Offenbarungen betrifft, stellt die Kongregation fest:

1) Jene Interpretation, wie sie von manchen Personen gegenüber einer von Papst Paul VI. am 14. Oktober 1966 gegebenen und am 15. November dieses Jahres promulgierten Entscheidung gegeben wurde, wonach Schriften und Botschaften aus angeblichen Offenbarungen frei in der Kirche verbreitet werden dürften, ist absolut unbegründet. Diese Entscheidung bezog sich tatsächlich auf die „Abschaffung des Index der verbotenen Bücher“, und bestimmte, daß nach Aufhebung der entsprechenden Zensuren die sittliche Verpflichtung aufrecht bleibe, diese Schriften, welche den Glauben und die Sitten gefährden, weder zu verbreiten noch zu lesen.

2) Es sollte jedoch in Erinnerung gerufen werden, daß in Bezug auf die Verbreitung von Texten angeblicher Privatoffenbarungen Canon 823 §1 des gegenwärtigen Rechtsbuches in Kraft bleibt: Die Hirten der Kirche „können ... verlangen, daß von Gläubigen herauszugebende Schriften, die den Glauben oder die Sitten berühren, ihrem Urteil unterworfen werden“.

3) Angebliche übernatürliche Offenbarungen und Schriften, welche diese betreffen, unterstehen in erster Instanz dem Urteil des Diözesanbischofs und in bestimmten Fällen dem Urteil der Bischofskonferenz sowie der Kongregation für die Glaubenslehre.“

In einem Interview mit dem Magazin „30 Tage“ erklärte Kardinal Joseph Ratzinger 1999, dass die Notifikation als „Warnung“ vor Missverständnissen, nicht als „Verurteilung“ zu sehen sei, da eine Verurteilung im strengen Sinne nicht ohne Verfahren gemacht werden dürfe und ohne dass die betreffende Person sich äußern dürfte, was vor der Notifikation nicht der Fall gewesen war.

Am 10. Juli 2004 schrieb Kardinal Ratzinger in einem Brief an fünf Bischofskonferenzen, dass nach der ablehnenden Notifikation ein gründlicher Dialog mit Vassula Rydén geführt wurde, und dass Frau Rydén „hilfreiche Klarstellungen“ hinsichtlich einiger Schwierigkeiten dargelegt habe, die in der genannten Notifikation bezüglich ihrer Schriften vorgebracht wurden. Die Anfragen der Glaubenskongregation und die Antworten Frau Rydéns sind auf der Website www.tlig.org nachzulesen.

Am 25. Januar 2007 schrieb Kardinal William Levada, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, dass der „Bescheid von 1995 betreffend das Urteil der Kongregation über die untersuchten Schriften weiterhin gültig“ sei, dass Frau Rydén allerdings problematische Punkte klargestellt habe und ihre Schriften auch im Licht dieser Klarstellungen gelesen werden müssten. Levada ergänzt, dass es für Katholiken „unpassend“ bleibe, an Gebetstreffen des „Wahren Leben in Gott“ teilzunehmen.

Nun hat das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel eine scharfe Verurteilung der in den Schriften von Vassula Rydén verbreiteten Lehre ausgesprochen und Verbreitern der Lehre angedroht, dass „die nötigen Sanktionen, wie sie die Heiligen Kirchengesetze vorschreiben“, anwendbar seien. Das Patriarchat hat das Dokument nur in Griechisch verfasst, die folgende (inoffizielle) deutsche Übersetzung beruht auf einer englischen Übersetzung:

Ökumenisches Patriarchat, Pressemitteilung bezüglich Vassiliki Paraskevi Pentaki-Rydén - 16.03.2011

Die Orthodoxe Kirche, die dem leuchtenden Beispiel und der Lehre der Heiligen Apostel, der Lehre ihrer Nachfolger, der Kirchenväter, sowie der Lehre der göttlich erleuchteten Entscheidungen der Ökumenischen Konzile unfehlbar nachfolgt, bewahrt als wertvolle Perle den Glauben der Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche. Durch die Versammlung im Namen Jesu Christi wird der Glaube beseelt auf Grund der Teilhabe am ganzen geistlichen Leben und Mysterium des Leibes der Kirche, die von Gott errichtet wurde.

Daher wurde stets öffentlich als inakzeptable Neuheit jede selbst kreierte Strömung oder Bewegung gerügt, sei sie individuell oder kollektiv, die den dogmatischen Glauben der Orthodoxen Christen und das Leben in Christus gering schätzt oder dagegen verstößt. Das Leben in Christus wird in der Kirche als der einzige Weg zu unserem Seelenheil gefunden, ganz zu schweigen von solch selbst propagierten „charismatischen” Personen.

In diesem Geist und um den orthodoxen Gläubigen den nötigen Schutz vor gefährlichen geistigen Verwirrungen zukommen zu lassen und diejenigen zu schützen, die nicht viel Erfahrung haben bezüglich der aus Irrtümern erwachsenden Gefahren, missbilligt die Mutter Kirche die Lehren der Vassiliki Paraskevi Pentaki-Rydén, weithin bezeichnet als „Vassula“, und die von ihr errichtete Organisation, bekannt als „Wahres Leben in Gott“, sowie die Einführung ihrer Binsenlehren, denen es an Scharfsinn mangelt und die vorgeblich als „direkte Dialoge mit dem Herrn Jesus Christus, dem Gründer unserer Kirche“ dargestellt werden. Sie missbilligt ebenfalls, dass sie Anhänger von „Wahres Leben in Gott“ an sich zieht, die eigenmächtig von den Gott gegebenen Lehren der Kirche abweichen und darüber hinaus noch bei den ehrwürdigen Gläubigen und ihren Überzeugungen Anstoß erregen.

Daher rufen wir die auf, die solch inakzeptable Neuheiten einführen, und jene, die sie weiterhin unterstützen und demzufolge nicht mehr annehmbar für die kirchliche Gemeinschaft werden, dass sie sich nicht nur in die Hirtentätigkeit der Heiligen Mutterstadt nicht einmischen sollen, ganz gleich wo, sondern dass sie auch ihre neuen Lehren verwerfen sollen und sich bewusst machen, dass die nötigen Sanktionen, wie sie die Heiligen Kirchengesetze vorschreiben, anwendbar sind.

Abschließend wollen wir die tiefe Sorge des Ökumenischen Patriarchates zum Ausdruck bringen bezüglich der Aktionen gewisser – glücklicherweise weniger – Kleriker der Orthodoxen Kirche, die an den von Vassula organisierten Veranstaltungen teilgenommen und ihr somit ein „Zertifikat der Orthodoxie“ verliehen haben.

Im Patriarchat am 16. März 2011aus dem Hauptsekretariat der Heiligen Kirchensynode

Foto: © www.tlig.org


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