Häresien im Theologiestudium

8. April 2011 in Chronik


Wenn während meines Theologiestudiums „die kirchliche Lehre vorkam, dann meist nur um sie zu kritisieren“ - Ein Insiderbericht von einer katholischen Fakultät in Österreich von N.N.


Linz (kath.net)
N.N. hat vor einigen Jahren einer österreichischen Universität Theologie studiert, inzwischen ist er als Religionslehrer aktiv. N.N. schreibt über seine Erfahrungen im Rahmen des Theologiestudims folgendes:

Lehrende und Inhalte

In meinem Studium wurde die Lehre der Kirche nicht rezipiert. Der Katechismus und kirchliche Dokumente spielten in meinem Studium fast keine Rolle. Sie wurden von den Lehrenden nicht angeführt und ich wurde niemals dazu angehalten, den Katechismus oder ein kirchliches Dokument (Enzyklika, ...) zu lesen.

Wenn die kirchliche Lehre vorkam, dann meist nur um sie zu kritisieren ohne wirklich zu verstehen, warum die Kirche das lehrt. Besonders auffällig war dies in der Dogmatik und Fundamentaltheologie sowie der Moraltheologie. Am Beginn des Studiums steht ein dogmatischer Einführungskurs in die Grundlagen des Katholischen Glaubens.

Der Katechismus wurde, obwohl die Teilnehmenden zum Großteil kein Glaubenswissen mitbrachten, niemals verwendet. Dafür wurde gezielt der Opfertod Jesu umgedeutet. „Opfer“ war demnach zu verstehen wie ein Verkehrsopfer. Jesus sei Opfer von gewalttätigen Umständen geworden und nicht ein Opfer, um ein höheres Gut (Erlösung) zu erlangen.

Der Sühnegedanke, die Gerechtigkeit, die Aussagen des Katechismus wie auch das biblische Zeugnis wurden ignoriert und abgelehnt. Bei allen Professoren war klar, wo sie kirchenpolitisch stehen. Lediglich zwei oder drei waren kirchentreu. In der Dogmatik und Fundamentaltheologie, die eigentlich die Wahrheit des Katholischen Glaubens aufzeigen und verteidigen soll (Apologetik), herrschte Relativismus vor. Beide Fächer waren nicht in der Lage, die kirchliche Lehre intelligibel zu machen und zu verteidigen. Ich hege heute auch Zweifel, ob meine Lehrenden in diesen Fächern in der Lage waren, in der Tiefe die Lehre der Kirche zu verstehen. Denn philosophisch betrachtet lehnten sie die klassische und mittelalterliche Philosophie ab, d.h. v.a. die Metaphysik. Die Lehre der Kirche ist nämlich stark metaphysisch gefasst (z.B. Transsubstantiation). Ich denke, die Krise der Kirche ist u.a. begründet in der wissenschaftlichen Krise der Metaphysik.

Während meines Theologiestudiums galten folgende zwei „Dogmen“: (1) Immanuel Kant hatte recht, indem er das Ende der klassischen Metaphysik (Ontologie) einleitete, d.h. klassische Metaphysik mit einem gegenwärtigen Wahrheitsanspruch ist nicht mehr möglich. (2) Ein zurück hinter Karl Rahner, der als Ikone moderner Theologie und Superstar der Konzilstheologie idealisiert worden ist, ist unmöglich.

Heute, da ich mich mit der Lehre der Kirche beschäftigt habe, sehe ich klar, wie defizitär in den systematischen Fächern meine Ausbildung war. Zudem wurden Häresien verbreitet. Einmal behauptete ein Professor, dass wir froh sein könnten, dass das Christentum aufgrund der Trinität eine polytheistische Religion (!) sei, denn alle monotheistischen Religionen seien immanent gewaltbereit. Auch in der Moraltheologie wurde die Lehre der Kirche nicht vermittelt, sondern im Extremfall explizit als falsch und im Widerspruch zur Bibel stehend dargestellt.

In der Bibelwissenschaft wurde fast nur die historisch-kritische Methode in überzogener, relativierender Weise verwendet. Allegorien, die Auslegungsmethode der Kirchenväter, spielte so gut wie keine Rolle. Die historisch-kritische Methode ist nicht grundsätzlich falsch, doch sollte sie durch allegorische Schriftauslegung ergänzt werden. Zudem darf sie niemals die Schrift entmythologisieren und relativieren, was allerdings vorkam. Zudem war diese Art der Schriftauslegung mit feministischen und kirchenkritischen Anliegen kombiniert. Die Schrift wurde verwendet, um aufzuzeigen, wie sehr sich die Kirche in von der Bibel entfernt hat.

Problematisch war auch die praktische Theologie, allen voran die Religionspädagogik und die Pastoraltheologie. In ihnen wurden die modernen Humanwissenschaften (Psychologie, Soziologie, ...) herangezogen, um die Lehre der Kirche zu widerlegen. Eine Rezeption dieser Wissenschaften müsste im Gegensatz dazu auf gläubige Weise erfolgen, d.h. sie sollte dazu dienen die Wahrheit des Glaubens aufzuzeigen.

Auch griffen nicht nur Lehrende dieser Fächer die Kirche und den Papst öffentlich im Hörsaal an. Auch musste ich verpflichtend feministische Theologie absolvieren, die derartig ideologisiert war, dass es noch schwer ist von Wissenschaftlichkeit zu sprechen. Dort wurde den Studierenden präsentiert, wie die Kirche Kinder in ihre Machtstrukturen und ihre Geschlechterrollen sozialisiert. Ein wenig ausgenommen von dieser Kirchenkritik und den angesprochenen Häresien war nur die Philosophie.

Kirchentreue Ausbildungsstätten wie Heiligenkreuz oder das ITI in Gaming wurden höchstens als frömmelnd-fundamentalistisch und unwissenschaftlich mitleidig belächelt. Einmal sah ich einen Anrechnungsbescheid eines Studierenden, der vom ITI in Gaming an meine Fakultät wechseln wollte. Dafür musste er seine Zeugnisse bei einem Theologieprofessor anrechnen lassen, um sie in das neue Studiensystem zu übernehmen. Im Bescheid stand wortwörtlich, dass das meiste nicht anrechenbar sei, weil in Gaming rechtskatholische Theologie gelehrt wird. Inhaltliche Fragen und die Leistungen dieses Studierenden spielten keine Rolle.

Zu erwähnen ist noch die diözesane Ausbildungsstätte für Laien und die Katholische Hochschulgemeinde (KHG). An der diözesanen Ausbildungsstätte für Laien, die an der Fakultät stationiert war, musste ich ein gewisses u.a. spirituelles Ausbildungsprogramm absolvieren. Die Zustände an dieser Ausbildungsstätte und der KHG spotteten einer jeden Beschreibung. Die liturgischen und eucharistischen Missbräuche waren so gravierend, dass ich teilweise die Gültigkeit der Eucharistiefeier anzweifelte. So wurden etwa für die Eucharistiefeier Tongefäße verwendet sowie bröselnde Brothostien. Einmal, wenn ich mich recht erinnere, konsekrierte der Priester sogar ein Kipferl vom Bäcker. Liturgischer Tanz und religionspädagogische Vereinnahmung natürlich inklusive: In gewissen Liturgien mussten sich die Teilnehmenden mit Spielzeug oder gewissen Symbolen identifizieren und man konnte dann freiwillig dazu etwas sagen. Die Messe wurde einfach für einen Anlass zusammengebastelt. Die Leseordnung der Kirche, die Regeln für die Feier und der Ablauf der Messe wurden meist nicht berücksichtigt.

Allerdings war es für diese beiden Einrichtungen schon ein großer Fortschritt, dass überhaupt die Messe gefeiert wurde. Denn eigentlich ist gemäß diesen beiden Einrichtungen die Wortgottesfeier der Gottesdienst der Laien. Es bestand eine Opposition zwischen Messe und Wortgottesfeier (!). Oft wurde in meiner Ausbildung dort und auch an der Fakultät das Rollenverständnis als Laie angesprochen, was nichts anderes meinte als über die schlimme Amtskirche und die Unterdrückung der Laien und Frauen zu jammern. Selbstverständlich hatten beide Einrichtungen sehr viel Personal zu Verfügung. Ich frage mich heute, was all diese Leute arbeiteten. Denn Auswirkungen davon sah man so gut wie keine.

Beide Einrichtungen waren nicht in der Lage Einfluss und Initiativen zu entfalten sowie missionarisch tätig zu sein. Neue Leute wurden dadurch fast keine angezogen und neben einigen rein gesellschaftlichen Anlässen waren die Aktivitäten dort eine spirituelle und dogmatische Bankrotterklärung. Soviel zur wirkungsvollen Verwendung des Kirchenbeitrags.

Das Studiensystem

Das Studiensystem war defizitär und im Grunde genommen autoritär. Es bestand zum Großteil aus Vorlesungen, bei denen man mitschrieb, in der Prüfung den Inhalt reproduzierte und danach wieder vergaß. „Vorlesung“ bedeutet, dass man meist nur die Meinung des Professors und seine Sicht der konkurrierenden Meinungen vorgelegt bekam. Das System regte nicht zum selbständigen Denken und Argumentieren an. Das war der Motivation nicht gerade förderlich. Zudem wurde man überhaupt nicht augefordert zu lesen und die Anforderungen (z.B. für Seminararbeiten) waren zum Großteil extrem niedrig. Ich hätte dort - mit Ausnahme der Diplomarbeit - mein Studium abschließen können ohne jemals ein Buch zur Gänze gelesen zu haben - nicht einmal die Bibel. Das Studiensystem ließ für das Lesen fast keine Zeit. Ich hatte derartig viele Vorlesungen (da ich in der Mindestdauer durchkommen wollte), dass ich dauernd für eine Prüfung lernen musste und sehr viel Zeit an der Universität verbrachte. Möglicherweise wird die Einführung des Bologna-Systems das verändern.

Durch diese Strukturierung des Systems in Vorlesungen war es für die Professoren sehr leicht, ihre Lehrmeinung gemäß ihren kirchenpolitischen Anliegen an die Studierenden weiterzugeben.

Zudem waren die meisten Professoren hochschuldidaktisch inkompetent. Man kann es leider nicht anders sagen. Medieneinsatz, Selbsttätigkeit der Hörer und Diskussionen kamen kaum vor. Oft wurde ein vorformulierter Text vorgelesen und vielleicht noch passagenweise erklärt, was langweilig ist. Viele Studierende lernten deshalb einfach das Skriptum, das oft schon Jahre lang oder sogar im Extremfall Jahrzehnte (!) lang dasselbe war, und gingen dann zur Prüfung. Man lernte also nicht mit Texten umzugehen, sie zu interpretieren und selbst Texte zu verfassen.

Noch als Beispiel ein extremer Fall: Ein Professor, dessen Lehrveranstaltungsevaluationen durch die Studierenden stets katastrophal ausfielen, entschloss sich schließlich seine Vorlesung, die ein ziemlich umfangreiches Fach betraf, zu reformieren. Er führte ca. 1600 (!) Power-Point-Folien vor, die ausschließlich Zitate enthielten. Das Lesen und Lernen der Folien reichte allerdings für die Prüfung nicht aus.

Zwar konnten die Studierenden Lehrveranstaltungen evaluieren, doch schlechte Evaluationen hatten keine Auswirkung auf die Lehre. Kurz gesagt: Das Studiensystem, in dem ich mich Jahre lang bewegte, war ineffektiv, defizitär, teilweise unwissenschaftlich, konservativ, demotivierend und angesichts der geringen Studierendenzahlen sehr teuer.

Zudem hatte das System durch seine Aufsplitterung in eine Vielzahl von Vorlesungen und Fächern keinen inneren Zusammenhang. Man studierte immer von allem ein bisschen mit jeweils unterschiedlichen ideengeschichtlichen Grundlagen. Das Resultat ist denkerisches Chaos, ja sogar Oppositionen zwischen einzelnen Fächern (z.B. Bibelwissenschaft und Dogmatik).

Wünschenswert wäre zunächst eine philosophische Grundlegung und danach eine Anwendung derselben auf die Theologie. Abhilfe würde der Thomismus, der von der Kirche explizit für theologische Studien empfohlen wird, schaffen. Er vermag wie kein anderes Denksystem die Katholische Wahrheit in Philosophie und Theologie auf einheitliche Weise verständlich zu machen. Leider findet man im deutschen Sprachraum so gut wie keine Rezeption des Thomismus in der Theologie an den staatlich finanzierten Fakultäten vor. Während Kant und Rahner idealisiert werden, wird Thomas von Aquin von den meisten Lehrenden als reaktionär und überholt abgelehnt.

Die Studierenden

Diejenigen unter meinen Kollegen, die die Lehre der Kirche glaubten und zu verstehen versuchten, waren eine kleine Minderheit. Der Großteil der Studierenden ignorierte die Lehre der Kirche sowohl theoretisch als auch praktisch. Es wurden blind die Positionen der Kirche in undifferenzierter Weise kritisiert ohne jemals verstanden zu haben, warum die Kirche Entsprechendes überhaupt lehrt. Vor Ende des Studiums musst ich in der schon genannten diözesanen Ausbildungsstätte noch einen Kurs absolvieren, der den Berufseinstieg betraf. Darin befanden sich Studierende, die mindestens fünf Jahre Theologie studiert hatten und kurz vor Ende des Studiums standen. Eine Studierende, die mittlerweile als Pastoralassistentin arbeitet, leugnete mir gegenüber während dieses Kurses die Heilsbedeutung des Kreuzes (!). Mehrere meiner Mitstudierenden waren öffentlich praktizierende Homosexuelle oder lebten mit jemandem zusammen. Mittlerweile arbeiten sie ebenfalls für die Kirche.

Schlussfolgerungen

Ich denke, die geschilderten Erfahrungen sind symptomatisch für die Lage der Theologie im deutschen Sprachraum. Zwar gibt es sicherlich Fakultäten, in denen in manchen Fächern oder in mancher Hinsicht die Lage besser ist, und es gibt auch noch einen Rest nicht-häretischer Professoren, aber im Allgemeinen zeigen meine Erfahrungen die Gesamtlage auf. Die Äußerungen des Professors für Religionspädadogik, Anton Bucher (Die Privatlehre des Anton Bucher über den Kreuzestod Christi ) sowie das Kathpedia: Theologen-Memorandum 2011
sind zwei weitere Faktoren, die das bestätigen.

Würde mich jemand fragen, an welche Fakultät er oder sie zum Theologiestudium gehen sollte, dann würde ich dieser Person raten nach Heiligenkreuz, Gaming oder Trumau zu gehen. Eine Alternative dazu wäre den deutschen Sprachraum zu verlassen und etwa in die USA zu gehen. Mittlerweile bereue ich es, an dieser österreichischen Fakultät studiert zu haben und viel Zeit und Energie an häretische Lehrende in einem katastrophalen System verschwendet zu haben. Wirklich theologisch zu denken habe ich andernorts gelernt.

Es sind mir auch Fälle von glaubenstreuen Studierenden bekannt geworden, die wegen der massiven Häresien aus diesem Studiensystem ausgestiegen sind, und deren Glaube durch diese Art der Lehre in Bedrängnis gekommen ist. Diese Situation vergrault also sogar glaubenstreue Studierende, was bei den geringen Studierendenzahlen fatal ist, und zersetzt den Katholischen Glauben.

Den Regenten und Studienpräfekten der Priesterseminare sowie den Orden möchte ich wärmstens empfehlen sich genau zu überlegen, ob sie es verantworten können ihre Seminaristen und Novizen in einer derartigen Situation studieren zu lassen. Es gilt sich mehr um die Lehre an den Fakultäten zu kümmern.

Hauptsächlich verantwortlich für diese Situation zeichnen allerdings die Bischöfe. Als Ortsordinarien sind sie verantwortlich dafür, was im Lehrbetrieb geschieht, und für die Erteilung der Lehrerlaubnis. Die theologische Fakultäten bilden kirchliche Mitarbeiter (Priester, Bischöfe, Pastoralassistenten, Seelsorgeamtsleiter, Religionslehrer, Diakone, Kardinäle, ...) aus und sollten damit einen wichtigen Dienst für das Weiterbestehen der Kirche erbringen. Wie soll das verwirklicht werden, wenn Lehrende sich gegen die Kirche und ihre Lehre wenden?

Es ist auffallend, dass trotz ungeheuren Kirchensteuereinnahmen, einem riesigen System von diözesanen Einrichtungen und Institutionen, hoch qualifizierten Jobs und vom Staat bezahltem Religionsunterricht und Fakultäten der Glaube verdunstet. Ein gewichtiger Grund dafür ist in der Situation der theologischen Fakultäten zu finden: Sie sind vielfach nicht mehr in der Lage die Katholische Wahrheit intelligibel zu machen und sie sind vielfach Horte der Kirchenkritik geworden.


Joachim Kardinal Meisner in seiner deutlichen Stellungnahme gegen das Memorandum „Kirche 2011“: „Meine größte Sorge kann ich nicht verschweigen: Wie kann ich künftige Priester, Diakone, Religionslehrer und seelsorglich Tätige Lehrern anvertrauen, deren Leben in und mit der Kirche defizitär ist!“

Der Grundsatzbeitrag von Walter Kardinal Kasper zum Theologenmemorandum: “Die Gotteskrise und das Theologenmemorandum“

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