in Spirituelles
Er schlug in seiner Sorge über die Stränge: Tertullian fürchtete, das Christentum könnte zu billig gegeben, Christsein zu leicht genommen werden.
EinBeitrag von Prälat Johannes Nedbal in der Wiener KirchenZeitung
Von Tertullian, dem sprachgewaltigen Theologen der frühen Kirche, stammt derÜberlieferung nach der oft zitierte Spruch "Seht, wie sie (die Christen)einander lieben; wie sie bereit sind, füreinander zu sterben!" Die zitiertenHeiden meinen es wohl anders ("Schaut, wie die Bande zusammenhält!") undTertullian antwortet ihnen: "Ihr hasst einander und seid eher bereit, einander zutöten."
Für die Glaubensgenossen ist er streng. Die Mädchen haben nicht nur imGottesdienst, sondern immer in der Öffentlichkeit, Schleier zu tragen. HeidnischesTheater darf nicht besucht werden. Die Kirche kann einmal Sünden vergeben,doch nicht öfter, weil das ja (nach der Taufe) schon das zweite Mal ist. Wenner "über die Geduld" schreibt, weiß er allerdings, dass er dem Krankengleicht, der den Wert der Gesundheit preist.
Für seine Frau schreibt Tertullian, sie möge nach seinem Tod besser nichtmehr, oder doch nur einen Christen heiraten. Kinder sollte man nur inLebensgefahr vor Erlangung des Vernunftgebrauches taufen. Tertullian steht voll an derWende von der Kirche als "kleiner Herde" zum "Volk Gottes". Er sieht dieGefahr, dass alles billiger gegeben werden könnte. Von einem Bischof hört er:"Ich vergebe auch die Sünden des Ehebruches und der Unzucht, wenn Bußegeleistet wurde." "Das kann man doch keine ,Wohltat' nennen", schreibt er dazu. Erhat die Nachlässigkeit der wachsenden Kirche nicht ertragen und ist zur Sekteder Montanisten (wie man sie später nannte) übergetreten. Auch diese scheinenihm zu lax gewesen zu sein. Der heilige Augustinus hat zweihundert Jahrespäter noch einige "Tertullianisten" mit der Katholischen Kirche versöhnt.
In der Sekte hat Tertullian ab 207 gegen die katholische Kirche polemisiert.Der Bischof, der auch Ehebrecher zur Buße zugelassen hat, ist wohl seineigener (Agrippinus von Karthago). Gegen seine frühere Meinung hält Tertullianjetzt auch die Flucht vor der Verfolgung für unmoralisch und verteidigt diestrenge Fastenpraxis der Montanisten gegen die ihren Lüsten frönenden"Psychiker" (bedeutet Katholiken). Wegen seines Abfalls und seiner überzogenen Strengeist Tertullian bald in Vergessenheit geraten und erst von den Humanisten neuentdeckt worden.
Die Kirche verehrt ihn nicht als Heiligen, hat aber doch Grund, ihm dankbarzu sein. Er hat mitgeholfen, das Dogma der "Trinität" auszuformen (das Wortfindet sich erstmalig bei ihm), auch der Begriff "Sakrament" hat bei ihm(fast) die heutige Bedeutung. Augustinus nennt ihn zwar nicht, benützt ihn aber.Tertullian prägte das Wort von der "von Natur aus christlichen Seele". "Credoquia absurdum" (ich glaube, weil es unmöglich ist) hat er nicht gesagt(obwohl es ihm zugeschrieben wird), aber doch die Grenzen der Vernunft aufgezeigt,wenn sie über den Glauben nachdenkt. Gestorben ist er im hohen Alter nach220.
Tertullian: Was Christen keinesfalls können
"Augustus, der Gestalter des Imperiums, wollte nicht einmal "Herr" genanntwerden. Denn auch das ist ein Beiname Gottes. Ich könnte allerdings den Kaiser"Herr" nennen, aber nur im allgemein üblichen Sinne, wenn ich nichtgezwungen werde, ihn "Herr" an Gottes Statt zu nennen. Im übrigen bin ich vor ihmfrei; denn nur einen Herrn habe ich, den allmächtigen, ewigen Gott - denselben ,der auch sein Herr ist. Wer "Vater des Vaterlandes" ("pater patriae") ist,wie wäre der sein Herr? Obendrein ist eine Bezeichnung der kindlichenErgebenheit freundlicher als eine solche der Macht und Hoheit: auch in der Familiespricht man eher vom "Vater" als vom "Herrn". Umso weniger ist daran zu denken,dass der Kaiser "Gott" genannt werden muss, wofür man ihn unmöglich haltenkann - mit einer nicht nur ganz würdelosen, sondern zugleich verderblichenSchmeichelei... Lass ab, einen anderen für einen Gott zu halten und dabei auchden "Gott" zu nennen, dem Gottes Beistand nötig ist!
Tertullian (160-220)
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