Die Sterndeuter folgten der 'Handschrift Gottes in der Schöpfung'

8. Jänner 2011 in Aktuelles


Am Ende konnte ihnen aber nicht die Schöpfung, sondern nur das Wort Gottes den Weg weisen. 'Gehen wir mit der Kirche, wo das Wort sein Zelt aufgeschlagen hat.' Die Predigt von Papst Benedikt XVI. zum Hochfest der Erscheinung des Herrn.


Rom (kath.net/ZENIT.org) „Der heutige Festtag betont insbesondere die universelle Bedeutung und Sinngebung dieser Geburt Jesu.“ Papst Benedikt XVI. feierte am Hochfest der Erscheinung des Herrn die Heilige Messe im Petersdom.

"Wahrscheinlich waren sie weise Männer, die den Himmel erforschten, aber nicht, um in den Sternen die Zukunft zu 'lesen', und um dafür vielleicht Geld zu erhalten. Sie waren vielmehr Menschen 'auf der Suche' nach etwas Größerem, auf der Suche nach dem wahren Licht.

Wir müssen davon ausgehen, dass die Sterndeuter auf der Suche nach den Spuren Gottes gewesen sind; sie wollten seine „Sprache" in der Schöpfung entziffern. Sie waren sich sicher, dass es in der Schöpfung eine Handschrift Gottes gibt - eine Handschrift, die sich entziffern läßt.

Aber: "Die Sprache der Schöpfung gibt uns nicht das endgültige Licht. Am Schluss ist es für die Weisen notwendig gewesen, das Wort Gottes zu hören: Nur sie konnte ihnen den Weg weisen." Daher: "Gehen wir mit der Kirche, wo das Wort sein Zelt aufgeschlagen hat."

Für Herodes war Gott ein Rivale, "der die Menschen ihres Lebensraums, ihre Autonomie und ihre Macht berauben will; eine Art Rivale, der den Weg, den man im Leben einschlagen soll, vorgibt und so verhindert, dass man alles das tut, was man will." Und wir sollten uns fragen: "Gibt es vielleicht nicht auch etwas von Herodes in uns selbst?"

"Wir sollten diese Idee der Rivalität aus unserem Verstand und unserem Herzen ausradieren, die Vorstellung, dass wenn wir Gott Raum geben, dass dies eine Begrenzung für uns selbst bedeutet.

Wir sollten uns der Gewissheit öffnen, dass Gott die allmächtige Liebe ist, die nichts weg nimmt, die nicht bedroht, sondern im Gegenteil er der Einzige ist, der uns die Möglichkeit bietet, in Fülle zu leben und die wahre Freude zu erfahren."

Die Predigt des Papstes im Wortlaut (die Zwischenüberschriften sind redaktionelle Ergänzungen):

Liebe Brüder und Schwestern,
am Hochfest der Erscheinung des Herrn betrachtet und feiert die Kirche weiterhin das Geheimnis der Geburt Jesu, unseres Erlösers. Der heutige Festtag betont insbesondere die universelle Bedeutung und Sinngebung dieser Geburt Jesu.

Der Sohn Gottes wird Mensch im Schoß der Jungfrau Maria und kommt nicht nur zum Volk Israel, vertreten durch die Hirten von Bethlehem, sondern zur ganzen Menschheit, vertreten durch die Sterndeuter. Und es sind die Sterndeuter und ihre Reise auf der Suche nach dem Messias (vgl. Mt 2,1-12), über die Kirche uns heute einlädt, zu meditieren und zu beten.

Die Sterndeuter

Im Evangelium haben wir gehört, dass Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem gekommen waren und fragten: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen." (Vers 2).

Welche Art von Persönlichkeiten waren sie und was für ein Stern war das? Wahrscheinlich waren sie weise Männer, die den Himmel erforschten, aber nicht, um in den Sternen die Zukunft zu „lesen", und um dafür vielleicht Geld zu erhalten. Sie waren vielmehr Menschen „auf der Suche" nach etwas Größerem, auf der Suche nach dem wahren Licht, das fähig ist, den Weg aufzuzeigen, den es im Leben voranzuschreiten gilt.

Es waren Persönlichkeiten, die wussten, dass es in der Schöpfung das gibt, das wir als die „Handschrift" Gottes bezeichnen können, eine Handschrift, die der Mensch entdecken und entschlüsseln kann und auch versuchen sollte.

Die beste Weise vielleicht, um diese Weisen und ihren Wunsch, sich von den Zeichen Gottes leiten zu lassen, kennenzulernen, ist innezuhalten und darüber nachzudenken, was sie auf ihrem Weg in der großen Stadt Jerusalem vorfanden.

Herodes

Zuerst trafen sie dort auf den König Herodes. Natürlich war dieser an dem Kind interessiert, von dem die Sterndeuter sprachen, aber er hatte nicht die Absicht, es anzubeten, wie er es fälschlicherweise zu verstehen gab, sondern er wollte es vernichten.

Herodes ist ein Mann der Macht, der im anderen nur einen Rivalen sehen kann, den es zu bekämpfen gilt. Wenn wir es richtig betrachten, erscheint ihm am Ende Gott auch als ein Rivale, ein besonders gefährlicher Rivale, der die Menschen ihres Lebensraums, ihre Autonomie und ihre Macht berauben will; eine Art Rivale, der den Weg, den man im Leben einschlagen soll, vorgibt und so verhindert, dass man alles das tut, was man will.

Herodes hörte von seinen Experten der Heiligen Schrift die Worte aus dem Buch des Propheten Micha (5,1), aber sein einziger Gedanke gilt seinem Thron. Deshalb muss Gott selber verdunkelt werden und die Menschen müssen reduziert werden auf einfache Figuren, die man auf dem großen Schachbrett der Macht beliebig bewegen kann.

Herodes ist eine Person, die uns nicht sympathisch ist und die wir instinktiv wegen seiner Brutalität negativ beurteilen.

Aber wir sollten uns fragen: Gibt es vielleicht nicht auch etwas von Herodes in uns selbst? Sehen wir manchmal nicht auch Gott als eine Art Rivale? Sind wir nicht auch blind für seine Zeichen und taub für seine Worte, weil wir denken, dass er unser Leben eingrenzt und uns nicht erlaubt, über die Existenz nach unserem eigenen Ermessen zu verfügen?

Liebe Brüder und Schwestern, wenn wir Gott auf diese Art und Weise sehen, dann werden wir uns letztlich unzufrieden und unglücklich sein, weil wir uns nicht von dem führen lassen, der die Grundlage aller Dinge ist.

Wir sollten diese Idee der Rivalität aus unserem Verstand und unserem Herzen ausradieren, die Vorstellung, dass wenn wir Gott Raum geben, dass dies eine Begrenzung für uns selbst bedeutet.

Wir sollten uns der Gewissheit öffnen, dass Gott die allmächtige Liebe ist, die nichts weg nimmt, die nicht bedroht, sondern im Gegenteil er der Einzige ist, der uns die Möglichkeit bietet, in Fülle zu leben und die wahre Freude zu erfahren.

Die Gelehrten

Die Sterndeuter treffen dann auf die Gelehrten, die Theologen, die Experten, die alles über die Heilige Schrift wissen, die die verschiedenen Interpretationen kennen, die aus dem Gedächtnis alle Passagen zitieren können und sind somit eine wertvolle Hilfe für jeden sind, der auf den Wegen Gottes gehen will.

Aber wie der heilige Augustinus sagt, sie wollen Führer für die anderen sein, ihnen den Weg zeigen, aber sie selbst gehen nicht, verharren unbeweglich. Für sie sind die Heiligen Schriften eine Art Atlas, den man aus Neugier liest, eine Ansammlung von Wörtern und Begriffen, die es zu studieren gilt und über die man gelehrt diskutieren kann.

Aber auch hier sollten wir uns erneut fragen: Gibt es nicht auch in uns die Versuchung, die Heilige Schrift, diesen reichen und lebendigen Schatz für den Glauben der Kirche, eher als Gegenstand des Studiums und der Diskussion der Fachleute zu sehen, als vielmehr als das Buch, das uns den Weg zum Leben weisen möchte?

Wie ich im Apostolischen Schreiben Verbum Domini erwähnt habe, denke ich, dass in uns immer wieder neu die tiefe Bereitschaft wachsen sollte, das Wort der Bibel, im Licht der lebendigen Überlieferung der Kirche (Nr. 18), als die Wahrheit anzusehen, die uns sagt, was der Mensch ist und wie er sich in seiner Ganzheit entfalten kann; die Wahrheit, die der Weg ist, den wir täglich zu gehen haben, zusammen mit anderen, wenn wir unser Leben auf Fels und nicht auf Sand aufbauen wollen.

Der Stern - Handschrift Gottes in der Schöpfung

Und jetzt kommen wir zum Stern. Was für eine Art von Stern war es, dem die Weisen folgten? Was für ein Stern das war, wurde für Astronomen zu einer wichtigen Frage, die viele Debatten nach sich gezogen hat. Kepler meinte zum Beispiel das es sich hier um eine "Nova" oder sogar einer "Supernova" handelte, also um einer dieser Sterne, die normalerweise ein schwaches licht entsenden, aber dann plötzlich und überraschend eine gewaltige Explosion auslösen können, die ein außerordentliches Licht auslöst.

Das sind interessante Fragen, aber sie führen uns nicht zu dem, was an diesem Stern wesentlich ist.

Wir müssen davon ausgehen, dass die Sterndeuter auf der Suche nach den Spuren Gottes gewesen sind; sie wollten seine „Sprache" in der Schöpfung entziffern. Sie waren sich sicher, dass es in der Schöpfung eine Handschrift Gottes gibt - eine Handschrift, die sich entziffern läßt; sie wussten, dass „die Himmel die Herrlichkeit Gottes rühmen" (Ps 19,1) Sie wussten, dass Gott sich in seiner Schöpfung offenbahrt.

Aber als Weise, die sie waren, haben sie gewusst, dass es nicht möglich ist, Gott durch irgendein Teleskop zu begegnen, sondern mit den tiefen Augen der Vernunft auf der Suche nach dem letzten Sinn der Wirklichkeit und mit dem durch den Glauben bewegten Verlangen nach Gott.

Ja, so wird es sogar möglich, dass sich Gott uns zuwendet. Das Universum ist nicht durch Zufall entstanden, wie einige uns glauben machen wollen. Wenn wir es tiefer betrachten, können wir darin eine einzigartige Tiefe wahrnehmen: Die Weisheit des Schöpfers, die unerschöpfliche Phantasie Gottes, seine unendliche Liebe zu uns.

Wir sollten den Geist nicht von Theorien begrenzen lassen, die immer nur bis zu einem gewissen Punkt vordringen und mitnichten mit dem Glauben in Konkurrenz stehen, doch nicht den letzten Sinn der Wirklichkeit erklären.

Hinter der Schönheit der Welt, in ihrem Geheimnis, ihrer Größe und ihrer Rationalität nehmen wir eine ewige Vernunft wahr.

Wir können nicht umhin, uns hin zum ewigen Gott leiten zu lassen, dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Wenn wir diese Blickrichtung einnehmen, dann werden wir sehen, das Derjenige, der die Welt geschaffen hat und Derjenige, der in einer Krippe zu Bethlehem geboren wurde und weiterhin unter uns in der Eucharistie weilt, ein und derselbe lebendige Gott sind, der uns ruft, uns liebt und uns zum ewigen Leben führen möchte.

Herodes, die Schriftgelehrten, der Stern. Aber folgen wir ruhig dem Weg der Weisen nach Jerusalem.

Gott wählt nicht Macht, sondern Demut

Über der großen Stadt verschwindet der Stern - man sieht ihn nicht mehr. Was bedeutet das? Auch hier müssen wir tiefer blicken. Die Sterndeuter hatten den neuen König im königlichen Palast gesucht, doch zu ihrer Verblüffung mußten sie feststellen, dass er nicht an diesem Ort der Macht und der Kultur war, obwohl man ihnen dort mit ausgezeichneten Informationen über ihn dienen konnte.

Sie mußten feststellen, dass die Macht - auch die des Wissens - manchmal den Weg zur Begegnung mit dem gesuchten Kind verbauen kann.

Als der Stern sie dann nach Betlehem führt, finden sie den König der Welt bei den Armen und Einfachen. Die Kriterien Gottes sind andere als die der Menschen.

Gott zeigt sich nicht in der Machtfülle dieser Welt, sondern in der Demut seiner Liebe. Diese Liebe wird zum Bittsteller unserer Freiheit, sie will Einlass finden, um uns zu verwandeln und uns zu befähigen, zu dem zu gelangen, der die Liebe ist.

Aber auch für uns ist die Lage der Dinge nicht viel anders als für die Weisen damals. Wenn man uns fragen würde, wie Gott die Welt hätte retten sollen, dann würden wir doch vielleicht auch antworten: Indem er seine Macht zeigt und der Welt ein gerechteres Wirtschaftssystem gibt, in dem jeder das hätte, was er will!

Aber in Wirklichkeit würde das dem Menschen Gewalt antun - es würde ihn wesentlicher Elemente, die ihn ausmachen, berauben. Weder unsere Freiheit noch unsere Liebe wären noch gefragt.

Nein, Gottes Macht zeigt sich ganz anders: In Betlehem, in der scheinbaren Machtlosigkeit seiner Liebe. Dorthin müssen wir gelangen und dort werden wir den Stern wieder finden.

Das Wort Gottes in der Kirche als letzte Wegweisung

So wird uns auch ein Letztes in der Erscheinung der drei Weisen klar: Allein durch die Naturbeobachtung kommt man ein gutes Stück des Weges hin zu Gott, aber die Sprache der Schöpfung gibt uns nicht das endgültige Licht. Am Schluss ist es für die Weisen notwendig gewesen, das Wort Gottes zu hören: Nur sie konnte ihnen den Weg weisen.

Das Wort Gottes ist der wahre Stern, der uns inmitten der Unsicherheit des menschlichen Redens das Licht der göttlichen Wahrheit anbietet.

Liebe Brüder und Schweistern, lassen wir uns von diesem Stern, dem Wort Gottes führen; folgen wir ihm in unserem Leben, gehen wir mit der Kirche, wo das Wort sein Zelt aufgeschlagen hat.

Unser Weg wird so immer erleuchtet von einem Licht sein, das uns niemand sonst schenken kann. Auch wir können so zu Sternen für andere werden, ein Abglanz dieses Lichtes, das Christus über uns aufgehen ließ. Amen.

[ZENIT-Übersetzung des italienischen Originals © Copyright 2011 Libreria Editrice Vaticana]



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