Das Siegel des Priesters

15. Dezember 2010 in Spirituelles


Kardinal Mauro Piacenza, Präfekt der Kongregation für den Klerus, über das Priestertum und die Reform des Klerus. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Das Siegel. Christus – Quelle der Identität des Priesters“ lautet der Titel eines Buches, in dem der Kardinalpräfekt der Kongregation für den Klerus, Mauro Piacenza, gesammelte Aufsätze, Vorträge und Predigten herausgibt, in denen sich der ehemalige Sekretär derselben Kongregation von seiner privilegierten Warte aus mit dem Wesen des Priestertums auseinandersetzt. Für den Kardinal ist es in Einklang mit Papst Benedikt XVI. klar, dass das Wort von der Neuevangelisierung ein leerer Begriff bleiben wird, wenn die Grundlage dieses Hauptanliegens der Kirche nicht in einer geistlichen Erneuerung der Priester besteht.

Mit dem Titel des Buches bezieht sich der aus Genua stammende und von Kardinal Giuseppe Siri zum Priester geweihte Piacenza explizit auf das sakramentale Siegel, das dem Priester im Moment seiner Weihe eingeprägt wird. In den Vordergrund stellt Kardinal Piacenza den Versuch und die Notwendigkeit, das Priestersein in einer postmodernen Gesellschaft zu bestimmen. Ausgehend vom wahren Sinn von Berufung werden die Wichtigkeit der Ausbildung und die Treue zum Amt hervorgehoben. Das „Siegel“ des Priesters verschließe dabei nicht die „Schätze der Gnade“, sondern stelle einen Öffnung hin zu einer größeren Wirklichkeit dar: zu der Wirklichkeit, dass jeder Priester zu Gott gehört und demzufolge für keine andere Identität und kein anderes weltliches und profanes Wirken zur Verfügung steht.

Kardinal Piacenza verweist auf die vielen kritischen Punkte und Probleme, die den Priester in den letzten Jahrzehnten besonders bedrängen, was vor allem dadurch zum Ausdruck komme, dass das Priestertum – jenseits des Seins des Priesters als „alter Christus“ – oft zu einer reinen Ausübung eines kirchlichen Amtes werde. Daraus ergibt sich für Piacenza nicht nur die Krise der Berufungen, sondern auch eine gewisse und zu große Lockerung in der Lehre. Dies führe in Verbindung mit der säkularen Mentalität zu einer kulturellen und moralischen Lockerung, innerhalb derer der Missbrauchsskandal einen Höhepunkt mit schwerwiegenden Folgen für die Mission darstelle. Kardinal Piacenza verweist auf das Paradox der „Säkularisierung des Klerus und der Klerikalisierung der Laien“.

Piacenza scheut sich nicht, gewisse „Peinlichkeiten“ wie sich im Fernsehen als Stars produzierende Priester zu erwähnen. Dies verdeutliche unter anderem die Notwendigkeit einer weitergehenden Reflexion über die Verantwortung und Aufsichtspflicht der Bischöfe. Auch ein „skeptischer Rationalismus“, der mit einem gereiften Glauben verwechselt wird, habe in die theologischen Fakultäten Einzug gehalten, die so der ständigen Versuchung ausgesetzt seien, eine „sehr kritische“ und „wenig geschichtliche“ Lesart der Schrift vorzulegen.

Besondere Aufmerksamkeit widmet Piacenza der „betenden Dimension“ des Priesters und dabei vor allem der Feier der heiligen Messe, die der Höhepunkt des Tages des Priesters sein müsse. In diesem Zusammenhang fordert der Kardinal als notwendig und dringend eine Sakramentenpastoral, „die leider für zu viele Jahrzehnte vernachlässigt worden ist“ oder in einer unvollständigen und reduzierten Form angeboten worden sei. Piacenza lädt zu einem Nachdenken darüber ein, ob die Vernachlässigung des „munus sanctificandi“ des Priesters nicht zu einer Schwächung des Glaubens an die Heilswirksamkeit der Sakramente geführt habe.

Zum Thema der Neuevangelisierung betont der Kardinal, dass nur die Radikalität des Glaubens dem „Stoߓ der zeitgenössischen Welt widerstehen könne. Die Priester müssten sich vor den Übeln des Nihilismus und Relativismus hüten. Wo eine echte Berufung gegeben sei, führe diese in Verbindung mit einer soliden Ausbildung zu einer „Blüte des Menschlichen“, während im gegenteiligen Fall die Struktur der Person nicht vor Zusammenbrüchen geschützt sei.

Die gerade im Hinblick auf die Mission und Neuevangelisierung wichtige Reform des Klerus besteht für Kardinal Piacenza in erster Linie in einer geistlichen Erneuerung eines jeden Priesters und erfordert den Rückgriff auf den „Dialog der Wahrheit“, der fähig ist, „demütig die eigenen Grenzen und Irrtümer zu erkennen und Lösungen und Perspektiven zu eröffnen, um so der Versuchung des Funktionalismus und des utilitaristischen Abdriftens der vorherrschenden Kultur zu entgehen“.



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