Die Schönheit der Morallehre der Kirche

25. November 2010 in Aktuelles


Was man aus der künstlich provozierten "Kondomkrise" lernen kann. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Wie die jüngste Auseinandersetzung um die „Aussagen des Papstes zum Präservativ“, wie dies von den Mainstreammedien gerne verkürzt zusammengefasst wurde, gezeigt hat, scheint es unumgänglich zu sein, dass die katholische Morallehre als ein Sammelsurium von „Verboten“ angesehen wird, das dann – je nach „Erfordernissen der Zeit“ oder kulturellen Umständen entsprechend – „gelockert“ werden könnte. Das ist ein Missverständnis.

Zum einen sind die Gebote Gottes, nach denen sich die katholische Morallehre im einzelnen gestaltet, keine Verbote, sondern Ausdruck und Aufruf zu einer großen Bejahung:

„Wir könnten auch sagen, dass das Antlitz Gottes, das der Inhalt dieser Kultur des Lebens, der Inhalt unseres großen Ja ist, in den zehn Geboten zum Ausdruck kommt, die keine Bündelung von Verboten sind, in denen nur das Nein zum Ausdruck käme, sondern die in Wirklichkeit eine große Lebensvision aufzeigen. Sie sind ein Ja zu einem Gott, der dem Leben Sinn gibt (die drei ersten Gebote), ein Ja zur Familie (viertes Gebot), ein Ja zum Leben (fünftes Gebot), ein Ja zu verantwortungsbewusster Liebe (sechstes Gebot), ein Ja zu Solidarität, sozialer Verantwortung und Gerechtigkeit (siebtes Gebot), ein Ja zur Wahrheit (achtes Gebot), ein Ja zur Achtung anderer Menschen und dessen, was ihnen gehört (neuntes und zehntes Gebot). Das ist die Philosophie des Lebens, es ist die Kultur des Lebens, die konkret, umsetzbar und schön wird in Gemeinschaft mit Christus, dem lebendigen Gott, der mit uns geht in der Gemeinschaft seiner Freunde, in der großen Familie der Kirche“ (Benedikt XVI., 8. Januar 2006).

Da die katholische Morallehre dazu dient, alle menschlichen Umstände und dabei besonders den großen Bereich der Sexualität zu vermenschlichen, um auf diese Weise die Gebundenheit des Einzelnen an den göttlichen Schöpferwillen zum Ausdruck zu bringen, ist sie der Raum wahrer Schönheit und Freiheit und entfacht in dem durch seine endliche Unsicherheit bedrängten Menschen die Kraft, ausgehend von der Anerkenntnis des absoluten Guten dieses zu verwirklichen.

Zum Zweiten bezieht sich die katholische Lehre zur Sexualität auf die Ehe. Allein die Ehe ist der wahre Ort der praktizierten Sexualität: „Die Geschlechtlichkeit ist auf die eheliche Liebe von Mann und Frau hingeordnet. In der Ehe wird die leibliche Intimität der Gatten zum Zeichen und Unterpfand der geistigen Gemeinschaft. Das Eheband zwischen Getauften wird durch das Sakrament geheiligt“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2360). Daraus folgt: Jeder andere Vollzug der Geschlechtlichkeit, sei es außerhalb der Ehe oder in einer homosexuellen Beziehung, ist gegen die gottgegebene natürliche Ordnung. Alles, was diese Ordnung verletzt, nennt die Kirche Sünde; sollte diese Sünde nicht zu reparieren sein, wie im Fall von gleichgeschlechtlichen Beziehungen, ist diese Sünde besonders schwer.

Und zum Dritten: Das Verbot von empfängnisverhütenden Mitteln jeder Art ist in seinem vollen Sinn auf den Vollzug des ehelichen Lebens bezogen, insofern sich alle anderen sexuellen Vollzüge bereits gegen die göttliche Ordnung stellen und daher unmoralisch sind. Empfängnisverhütende Mittel sind somit nicht in sich (das heißt als Objekte physikalisch-chemischer Natur) schlecht, sondern weil sie gegen die göttliche Ordnung unter jeweils schwankenden Gründen verwandt werden. Es ist damit „jede Handlung verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzuges des ehelichen Aktes oder im Anschluss an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel“ (Paul VI., Humanae vitae, 14). Derartige „Handlungen“ also sind „in sich“ schlecht und werden dies durch den Gebrauch eines die Empfängnis verhütenden Mittels, das damit den Willen zur Verhütung verkörpert.

Die Lehre der Kirche handelt also weder von Kondomen noch von Pillen oder anderen Praktiken der Empfängnisverhütung. Sie handelt von der ehelichen Liebe und der wahrhaft menschlichen Sexualität.

Wie aber sieht es außerhalb des eigentlichen Raumes der Verwirklichung der Sexualität (außerehelicher Geschlechtsverkehr, praktizierte Homosexualität) oder im Reich der Pervertierung der Sexualität durch Prostitution aus? Die Lehre der Kirche ist einfach: Sie verurteilt jede Form von Promiskuität und nicht der Ordnung Gottes entsprechende Praktiken, lädt homosexuell veranlagte Menschen zur Enthaltsamkeit ein und erkennt in der Prostitution ein Verhalten, das die Menschenwürde verletzt.

Was aber, wenn diese auf das Gute und Schöne ausgerichtete Lehre ignoriert wird? Es dürfte klar sein, dass es wenig sinnvoll ist, moralische Normen für unmoralisches Verhalten aufzustellen und so zum Beispiel zu „verlangen“, dass ein sich prostituierender Mensch trotz hoher Infektionsgefahr mit vielen Krankheiten auf einen relativen, wenn auch geringen Schutz verzichtet bzw. nicht den anderen, der mit ihm sündigt, schützt. In diesem Sinn ist die Aussage Benedikts XVI. zu verstehen: „Es mag begründete Einzelfälle geben, etwa wenn ein
Prostituierter ein Kondom verwendet, wo dies ein erster Schritt zu einer Moralisierung sein kann, ein erstes Stück Verantwortung, um wieder ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass nicht alles gestattet ist und man nicht alles tun kann, was man will“ (Licht der Welt, S. 146). Wenn ein Individuum den einzig erlaubten und richtigen Weg ablehnt, nämlich den der Enthaltsamkeit, dann solle dieser wenigstens dazu gelangen, diesem Grundübel nicht noch weitere Übel hinzuzufügen, die eventuell sogar zum Tod des Anderen führen können. Was nichts damit zu hat, dass das Grundübel nicht nach wie vor verurteilt wird und es das Hauptanliegen sein muss, dieses Grundübel auszutilgen.

Nihil novi sub sole, also. Bereits der heilige Augustinus betonte die Sündhaftigkeit jeder Form der Unzucht, um danach jedoch zu erkennen, dass Bordelle und ähnliche Einrichtungen unvermeidlich sind, da sich die Menschen ansonsten noch schlimmeren Lastern hingeben würden („Aufer meretrices de rebus humanis, turbaveris omnia libidinibus“, De ordine, Lib. II, 4, 12). Es geht also nicht um die Alternative zwischen einem moralischen und einem unmoralischen Zustand, sondern um jene zwischen zwei unmoralischen Zuständen, von denen einer schlimmer ist als der andere.

Kurz: Wenn Papst Paul VI. schreibt: „Man darf, um diese absichtlich unfruchtbar gemachten ehelichen Akte zu rechtfertigen, nicht als Argument geltend machen, man müsse das Übel wählen, das als das weniger schwere erscheine; auch nicht, dass solche Akte eine gewisse Einheit darstellen mit früheren oder nachfolgenden fruchtbaren Akten und deshalb an ihrer einen und gleichen Gutheit teilhaben“ (Humane vitae 14) und damit den Vorwand des „geringeren Übels“ ausschließt, ist dies deshalb der Fall, weil hier die Wahl der „geringeren Übels“ nie erlaubt sein kann. Aber: „Daher kann das sogenannte ‚Gesetz der Gradualität‘ oder des stufenweisen Weges nicht mit einer ‚Gradualität des Gesetzes‘ selbst gleichgesetzt werden, als ob es verschiedene Grade und Arten von Gebot im göttlichen Gesetz gäbe, je nach Menschen und Situationen verschieden“ (Johannes Paul II., Familiaris consortio, 34).

Das wirklich „Neue“ in den Worten Benedikts XVI. besteht darin, dass er sie in dieser Weise und mit dieser Klarheit ausgesprochen hat. Der Papst nimmt sozusagen all jenen die Waffen aus der Hand, die die gesamte Morallehre der Kirche als absurd, antiquiert oder realitätsfern darstellen wollen. Keiner kann mehr sagen (wie dies an verschiedenen Stellen auf internationaler Ebene immer wieder vorgekommen ist), dass die Lehre der Kirche und der Päpste „kriminell“ sei, da sie zum Beispiel zu einer Verbreitung von Aids beitrage.

Es dürfte somit klar sein: Die Schönheit der Morallehre der Kirche, in deren Zentrum des Gute steht, während der Weg zu ihm oft schwer ist, umfasst die Totalität des Menschseins und ist in der Lage, sich auch mit dem kritischsten Situationen zu konfrontieren. Eine Diskussion über die richtige Methode, der Aids-Epidemie Einhalt zu gebieten, besteht nicht in einer Erklärung zur Moral des Gebrauchs von Präservativen. Vielmehr konzentriert sie sich für die Kirche darauf, wie es am besten und wirksamsten verhindert werden kann, dass Menschen aufgrund ihres unmoralischen Verhaltens katastrophale Folgen produzieren. Die Antwort Benedikts XVI. ändert nichts an der Lehre der Kirche: Der Mensch muss zum Bewusstsein gelangen, dass er nicht alles tun kann, was er will. Das wirklich Wichtige jedoch ist die „Vermenschlichung der Sexualität“, das heißt: ihr Einklang in die Schöpfungsordnung. Genau aus diesem Grund sind und bleiben Kampagnen zur Förderung der Verwendung des Kondoms keine Lösung und verhindern nur den Blick auf die Wahrheit.


Das Buch des Jahres:

Benedikt XVI.
Licht der Welt
Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit.
Ein Gespräch mit Peter Seewald
Verlag Herder
240 Seiten
geb.m.Schutzumschlag
ISBN 978-3-451-32537-3
Preis: 20,50 Euro

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