Walter Brandmüller: Kardinal der Heiligen Römischen Kirche

20. Oktober 2010 in Aktuelles


‚Oportet alere flammam’ – die Flamme des Glaubens nähren. Ein Portrait des neuen Kardinals. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Zu den neuen Kardinälen der Römischen Kirche, die während des heute von Papst Benedikt XVI. angekündigten ordentlichen Konsistoriums am 20. November 2010 kreiert werden, gehört auch der aus Bayern stammende Theologe, Kirchengeschichtler und emeritierte Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften Walter Brandmüller.

Der am 5. Januar 1929 in Ansbach geborene Offizierssohn Brandmüller ist Priester des Erzbistums Bamberg. Er promovierte 1963 an der Universität München, an der er sich dann 1967 mit einer Schrift über das Konzil von Pavia und Siena habilitierte. Nach seiner Berufung an die später aufgelöste philosophisch-theologische Hochschule von Dillingen lehrte er von 1971 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1997 als Lehrstuhlinhaber für Neuere und Mittelalterliche Kirchengeschichte an der Universität Augsburg.

Im Mittelpunkt der Forschungsarbeit Brandmüllers steht seit seiner Habilitation die Konziliengeschichte. Er ist Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift „Annuarium historiae conciliorum“ (Paderborn, seit 1969, mit einigen Supplementen) und der Serie „Konziliengeschichte“ (2 Reihen, seit 1979, bislang 37 Bände) sowie Herausgeber des „Handbuchs der bayerischen Kirchengeschichte" (St. Ottilien, 1991 – 1999).

Im Jahr 1981 wurde Brandmüller Mitglied des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften, zu dessen Präsidenten ihn Papst Johannes Paul II.1998 ernannte. Im selben Jahr wurde er zum Präsidenten der Internationalen Kommission für vergleichende Kirchengeschichte gewählt. In diesen Stellungen koordinierte er die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Historiker- und Wissenschaftsakademien, die sich mit kirchengeschichtlichen Themen beschäftigen.

Prälat Brandmüller ist Kanoniker des Domkapitels der Petersbasilika. Zu seinen wichtigen Veröffentlichungen gehören folgende Werke:
- Galilei und die Kirche: Ein „Fall“ und seine Lösung. MM-Verlag, Aachen 1994
- Wer ist Jesus Christus? Mythen, Glaube und Geschichte. [zusammen mit Karlheinz Dietz, Leo Scheffczyk, Peter Stuhlmacher, Luise Abramowski, Franz Courth], MM-Verlag, Aachen 1995.
- Das eigentlich Katholische. MM-Verlag, Aachen 1997.
- Christus in den Sakramenten der Kirche. MM-Verlag, Aachen 1998.
- Das Konzil von Konstanz, 1414-1418. Verlag Schöningh, Paderborn. - Bd. 1: Bis zur Abreise Sigismunds nach Narbonne, 2. Aufl. 1999; Bd. 2: Bis zum Konzilsende, 1997
- Das Konzil von Pavia-Siena 1423-1424. Verlag Schöningh, Paderborn 2002.
- Briefe um das I. Vaticanum. Verlag Schöningh, Paderborn 2005.
- Der Fall Galilei und andere Irrtümer : Macht, Glaube und Wissenschaft [zusammen mit Ingo Langner], Sankt-Ulrich-Verlag, Augsburg 2006.
- Licht und Schatten. Sankt-Ulrich-Verlag, Augsburg 2007.

Walter Brandmüller ist einer jener katholischen Gelehrten, bei denen wissenschaftliche Kompetenz in Forschung und Lehre, theologische Vertiefung als Grundlage allen Schaffens sowie eine ganz auf Christus und sein Heilswerk ausgerichtete, liturgisch fundierte Spiritualität zusammengehen. Brandmüller ist das Bild eines Intellektuellen, dessen Gelehrsamkeit – wie es heutzutage so schön heißt – „ganzheitlich“, das heißt katholisch im eigentlichen Sinne ist. Die befreienden Gebote Gottes, der hohe Anspruch, der sich aus ihnen an den Menschen stellt, das Eintauchen in das universale Heilsmysterium, dessen Verkündigerin die Kirche ist, bilden den Kern des betenden Priesterlebens einer der bedeutenden Gestalten der aktuellen Kirchengeschichte.

So ist als wichtigstes Element der Brandmüllerschen Geschichtsschreibung festzuhalten, dass er präzise und stilistisch elegant Gemeinplätzen ihre Unbeständigkeit nachweist und oft das „allgemein Gewusste“ als Scheinwissen zu enthüllen vermag. Dies gilt für Galileo Galilei ebenso wie für einen mittelalterlichen Papst wie Johannes XXIII.: Der „Macht des Klischees“ sind für Brandmüller immer Schranken zu setzen, dies durch die Erarbeitung des wohl dokumentierten historischen Zusammenhangs. Kennzeichnend ist die Haltung Brandmüllers, dass aus den Wissenschaften der Sinn der göttlichen Gebote offenbar wird und es somit keine Trennung zwischen wissenschaftlichem Tun und Leben aus dem Glauben gibt.

„Die Macht der Medien“, so heißt es in seinem Buch „Licht und Schatten“ (2007) im Kapitel „Fieberanfälle des deutschen Katholizismus“, „denen die große Masse der Katholiken ausgeliefert ist, der Ausfall geistiger Führung durch einen theologisch desorientierten und verunsicherten Klerus – das alles macht die Katholiken anfällig für die Propheten des Zeitgeistes. Und die haben angesichts einer Fernsehgesellschaft, die ihr Kritikvermögen weithin verloren hat, ein gar leichtes Spiel. Hinzu kommt der nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfassende kulturelle Zusammenbruch, der sich auch in einer akuten Glaubenskrise des deutschen Katholizismus äußert. Was diesen in den Erschütterungen der jüngeren Vergangenheit so widerstandsfähig gemacht hatte, war die enge Verbindung der Bischöfe mit dem Papst, war die geistige Geschlossenheit des Klerus und die Einigkeit der Gläubigen mit Papst, Bischöfen und Priestern.“

Aus dieser Erkenntnis ergibt sich für den neu ernannten Kardinal auch der Weg, wie der aktuellen Kirchenkrise entgegenzuwirken ist. Die Kirchenkrise ist für Brandmüller keine „Strukturkrise“ eines in der modernen säkularen Gesellschaft unter anderen vorkommenden sozialen Konstrukts. Kirchenkrise ist Glaubenskrise, das heißt eine Krise des katholischen Glaubens und seiner Wesenselemente, was besonders in Deutschland zutage tritt: „Wenn der deutsche Katholizismus aus seiner gegenwärtigen Krise ebenso neu gekräftigt hervorgehen soll wie aus den vergangenen Stürmen, dann allerdings ist ein hoher Einsatz gefordert. Der aber wird nur möglich sein, wenn jener enge Schulterschluss zwischen Bischöfen und Papst, Priestern und Bischof, zwischen Gläubigen und Priestern wieder hergestellt wird, der sich bisher bewährt hat – und wenn man aus dem Wahn erwacht, am deutschen Wesen müsse die Kirche genesen“.

Die Leidenschaft des Mannes, der ganz Priester ist

Walter Brandmüller ist ein leidenschaftlicher Mensch: Leidenschaft für die Sache Gottes, für die Kirche, die er liebt, Leidenschaft für die Wissenschaft, Leidenschaft für das Menschliche, dies stets im Rahmen der wahren „Kritik“, das heißt der gezügelten Urteilsfähigkeit, der es abhold ist, sich in der Analyse des Einzelnen zu verlieren. Das Wesentliche für das Denken Brandmüllers ist die Suche nach dem universalen Sinngefüge, innerhalb dessen die Teile des sich oft chaotisch präsentierenden Wandels der Welt zusammenfinden können. Als Geschichtswissenschaftler ist Walter Brandmüller selbst Teil der jüngsten Kirchengeschichte, der deren Wendungen, Dramen und Schönheiten aufmerksam verfolgt hat und dies unermüdlich weiter tut. Und er tut dies als ein Mann, in dem gleichsam materiell das „unauslöschliche Siegel“ sichtbar wird, mit dem Christus ihn ganz sich selbst gleichgestalten wollte. Dies ist eine Lehre, die Prälat Brandmüller allein durch sein Dasein all jenen gibt, die das Glück haben, ihm begegnen zu dürfen: Der Priester ist wahrer Mensch dadurch, dass das Geheimnis des den Menschen liebenden Christus diesen erst ganz Mensch und ganz wirklich werden lässt, indem Christus ihn in allem zu sich zieht und daher nichts einfachhin neutral betrachtet werden kann. Christus nichts vorziehen: das lehrt und lebt der Theologe, Historiker, Kulturwissenschaftler und Seelsorger.

Prälat Walter Brandmüller wurde von seinem Landsmann und ehemaligen Kollegen Benedikt XVI. zum Kardinal ernannt. Es dürfte sicher sein, dass er seinen neuen Dienst an Gott, der Kirche und den Menschen in bedingungsloser und äußerster Hingabe
„usque ad sanguinis effusionem“ – bis zum Vergießen des eigenen Blutes – fortsetzen wird.

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Foto: (c) Paul Badde


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