Der lange Weg bis zur Seligsprechung

31. Mai 2010 in Buchtipp


Am 19. September 2010 wird John Henry Kardinal Newman selig gesprochen. P. Paul Bernhard Wodrazka, Oratorianer wie Newman, hat ein lesenswertes Büchlein über den neuen Seligen verfaßt. Lesen sie exklusiv auf kath.net einen Auszug.


Augsburg (kath.net)
Kardinal Newman - von dem schon Pius XII. zu Jean Guitton sagte, er werde zweifellos eines Tages zu den Kirchenlehrern gezählt werden – legte am 11. August 1890 sein Leben in die Hände Gottes zurück. Personen aller gesellschaftlichen Klassen, insbesondere jedoch die Armen von Birmingham, kamen, um ihn zu sehen, zu beten und seinen Leichnam mit religiösen Gegenständen zu berühren. Die Armen erinnerten sich daran, wie er einigen eine Arbeitsstelle verschafft hatte, manchen Kohlen im Winter hatte zukommen lassen und Kranken die benötigte Medizin bezahlt hatte. Das Freeman‘s Journal schrieb damals: „Kein Adliger, kein Prinz, kein Priester oder Kaufmann, der je über die bevölkerungsreichen Straßen Birminghams spaziert ist, wird so vermisst und betrauert wie der Römische Kardinal“. Bischof Clifford, der als Student in der Ewigen Stadt bei Newmans erster Heiligen Messe ministriert hatte, hielt die Predigt beim Requiem am 19. August. Er musste von Zeit zu Zeit innehalten, weil ihn die Gefühle überwältigten. Der Bischof sprach von Newmans heiligem Leben, seiner Verteidigung der Religion und des weltweiten positiven Echos auf seine Apologia pro vita sua. Er schloss die Predigt mit den Worten: „Und jetzt ist das Ende gekommen. Ein großer und heiliger Mann ist aus unserer Mitte hinweggenommen worden, ein treuer Diener und machtvoller Vorkämpfer für Gottes Kirche ist zu seinem Lohn heimgegangen, einer der vornehmsten und edelsten Charaktere dieses Zeitalters und Landes ist aus unserem Blick geschieden.“. Fünfzehn- bis zwanzigtausend Menschen säumten die Straßen von Birmingham, als der Kondukt seinen Weg zu dem acht Meilen entfernten Rednal nahm, wo Newman im selben Grab wie einer seiner engsten Gefährten, Ambrose St. John beigesetzt wurde.

Es war ein amerikanischer Dominikaner, Pater Charles Callan, der die Frage der Heiligkeit Newmans 1941 offen in einem Artikel im America magazine aufwarf. Das Echo war überwältigend und positiv. Bereits 1942 gab der Erzbischof von Toronto sein Imprimatur auf das erste Gebet für die Seligsprechung Newmans. Papst Pius XII., der ein glühender Verehrer von John Henry Newman war, würdigte dessen Bedeutung anlässlich der Hundertjahrfeier seiner Konversion (1845-1945). Im Jahr 1952 schrieb der spätere Vizepostulator, H. F. Davis einen Beitrag über ein mögliches Seligsprechungsverfahren für Kardinal Newman. Schon 1955 wurde in Rom aufgrund der Petitionen ungezählter Newmanverehrer aus aller Welt der Seligsprechungsprozess für John Henry Newman eröffnet. Da es kaum mehr lebende Zeugen, die für ein ordentliches Verfahren notwendig sind, gab, entschied man sich einen historischen Prozess zu starten. Immer wieder kam es zu Verzögerungen. Gutachten wurden nicht fristgerecht fertiggestellt, was bei dem umfangreichen Schrifttum des Kardinals – man denke nur an die bis auf den Index vor wenigen Monaten fertiggestellte über dreißig bändige Ausgabe der Briefe und Tagebuchaufzeichnungen – nicht weiter verwundert, so dass eine für das Heilige Jahr 1975 zunächst ersehnte Seligsprechung nicht mehr zu halten war.

Im Mai 1986 konnte der Diözesanprozess abgeschlossen und die Daten nach Rom weitergeleitet werden. P. Vincent Ferrer Blehl S.I. (1921-2001), der damalige Postulator der Causa, hat 1989 in einer zweibändigen Positio ein Lebensbild von John Henry Newman gezeichnet, aus dem hervorgeht, dass die Voraussetzungen für eine Seligsprechung gegeben sind. Dieser Prozess wurde mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit und Einstimmigkeit abgeschlossen. Papst Johannes Paul II. stellte am 22. Jänner 1991 den heroischen Tugendgrad fest und erklärte Newman zum „ehrwürdigen Diener Gottes“. Das bedeutet, dass die Gutachten ergeben hatten, dass Newman in heroischer Weise sein Leben nach den christlichen Tugenden gelebt hatte. Nun fehlte für die Seligsprechung noch das obligate Wunder, das auf die Fürsprache des Seligzusprechenden erwirkt worden sein muss.

In diesem Fall nun, dem Wunder, das für die Seligsprechung Voraussetzung ist, handelt es sich in der gegenständlichen Causa um eine wissenschaftlich nicht zu erklärende Heilung, die im Jahr 2001 bei Jack Sullivan eingetreten ist. Der heute 70-Jährige ständige Diakon, der in der Nähe von Boston (US-Bundesstaat Massachusetts) lebt, hatte aufgrund eines schweren Rückenmarksleidens seine theologischen Studien abbrechen müssen. Außerdem musste er mit dem Risiko einer Lähmung rechnen. Um sich von dieser Diagnose, seinen Schmerzen und seiner Verzweiflung abzulenken, schaltete er zu Hause den Fernseher ein und verfolgte auf EWTN eine Sendung über das Leben und Werk Kardinal Newmans. Die Dokumentation endete mit der Aufforderung, sich an das Oratorium von Birmingham zu wenden, für den Fall, dass man auf seine Fürsprache hin einen besonderen Gunsterweis erhalten habe. Daraufhin betete Sullivan ein kurzes Gebet – und am nächsten Morgen waren seine Schmerzen verschwunden. Fortan war es ihm möglich, die Studien wiederaufzunehmen. Jedoch kehrten nach achten Monaten, im April 2001, die Schmerzen zurück. Erneut betete Sullivan auf die Fürsprache Kardinal Newmans, und als die Schmerzen am 15. August 2001 wieder verschwanden – diesmal vollständig –, bestätigten die Ärzte, dass es für diese spontane Genesung keine menschliche Erklärung gebe. Schließlich konnte Sullivan im September 2002 zum Ständigen Diakon geweiht werden.

Nach vielen Jahrzehnten des Betens um ein Wunder für die Seligsprechung des großen Lehrers der Kirche, wie Joseph Ratzinger Newman einmal bezeichnete, hat Papst Benedikt XVI. am 3. Juli 2009 das für die Seligsprechung notwendige Wunder rekognosziert. „Die Gebete von Gläubigen auf der ganzen Welt sind erhört worden“, so P. Paul Chavasse C.O., Newmans heutiger Nachfolger als Präpositus des Oratoriums von Birmingham. Schon 2001 hatte Papst Johannes Paul II. seine Hoffnung auf eine baldige Seligsprechung des Kardinals bekanntgegeben: „Lasst uns beten, dass bald die Zeit komme, in der die Kirche offiziell und öffentlich die beispielhafte Heiligkeit von Kardinal John Henry Newman verkünden kann, einem der besonderen und berühmtesten Meister der englischen Spiritualität.“. Dem steht nun nichts mehr im Wege. Am 19. September 2010 nimmt Papst Benedikt XVI. John Henry Kardinal Newman in das Verzeichnis der Seligen auf.

Aus: Paul Bernhard Wodrazka – Ulrike Wick-Alda: „John Henry Newman Ein neuer Seliger und großer Oratorianer“, Augsburg 2010. 40 Seiten.DIN A 6. geheftet.
ISBN 978-3-940879-08-0, 1,50 € www.dominus-verlag.de


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