5. Mai 2010 in Deutschland
Fast ausschließlich wollten diejenigen, die bisher vor einer staatlichen Stelle aus der Kirche ausgetreten sind, die Kirchensteuer nicht mehr zahlen oder waren unzufrieden mit der Verwendung der Gelder. Ein Kath.Net-Kommentar von Prof. Hubert Windisc
Freiburg (kath.net) Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gegen Prof. Dr. Hartmut Zapp entschieden hat, bleibt der Fall Zapp für die katholische Kirche Deutschlands eine Herausforderung. Nach wie vor hat es nämlich trotz aller juristischen Klimmzüge des Verwaltungsgerichtshofs der kleine Vermerk auf einem Formular des Standesamtes Staufen in sich.
Zapp hatte am 5. Juli 2007 seinen Austritt aus der Kirche erklärt, dabei aber diesen Austritt als einen Austritt aus der Kirche als einer Körperschaft öffentlichen Rechts qualifiziert und folglich die damit einhergehende Exkommunikation aus der Kirche als widersinnig erscheinen lassen.
Damit öffnet Zapp die Augen für eine Praxis der katholischen Kirche in Deutschland, die nicht rechtens ist. Bisher wird nämlich der vor einer staatlichen Stelle erklärte so genannte Austritt aus der Kirche von den deutschen Bischöfen generell als formaler Akt des Abfallens von der Kirche gewertet, was immer die Tatstrafe der Exkommunikation nach sich zieht.
Unter Bezugnahme auf die von Papst Benedikt XVI. approbierten Normen des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte vom 13. März 2006 zeigt Zapp, dass dieser Zusammenhang nicht zwingend ist. Denn danach kann ein so genannter Kirchenaustritt vor einer staatlichen Behörde lediglich den Austritt aus einer religionsrechtlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts bedeuten, der mit ausschließlich bürgerlicher Wirkung die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft beendet.
Dadurch entfallen nur alle damit verbundenen Rechte und Pflichten im staatlichen Bereich, vor allem die Zahlung der Kirchensteuer. So ist also ein Austritt aus der Kirche vor einer staatlichen Stelle nicht automatisch mit einem Kirchenaustritt im Sinne des Glaubensabfalls oder des Schismas gleichzusetzen.
Nach den genannten, für die katholische Kirche weltweit verbindlichen Normen müssen zum Akt eines wirklichen Abfallens von der Kirche folgende Kriterien vorliegen:
* die innere Entscheidung zur Trennung von der Kirche,
* die Ausführung und die äußere Manifestation dieser Entscheidung und
* die Entgegennahme dieser schriftlich zu bekundenden Entscheidung durch die zuständige kirchliche Autorität.
Die bisher eintretende automatische Exkommunikation bei einem so genannten Austritt aus der Kirche vor einer staatlichen Stelle verliert dadurch ihre Berechtigung. Auch das am 15. Dezember 2009 als Motu proprio Omnium in mentem veröffentlichte Gesetz bestätigt gemäß dessen Interpretation durch den derzeitigen Präsidenten des Rates für Gesetzestexte, Erzbischof Francesco Coccopalmerio, dass der vor dem Staat erklärte Austritt eines Katholiken aus der Kirche im Sinne einer Körperschaft öffentlichen Rechts keineswegs die automatisch eintretende Exkommunikation zur Folge haben kann. Sollte also die bisherige Praxis der katholischen Kirche in Deutschland andauern, bedeutet dies eine Missachtung päpstlichen Rechts.
Es geht ums Geld
Brisant wird der Fall Zapp für die katholische Kirche in Deutschland vor allem deshalb, weil die Problematik des so genannten Austritts aus der Kirche vor einer staatlichen Stelle mit der Folge einer automatischen Exkommunikation immer mit der Problematik der Kirchensteuer verbunden ist.
Es geht im Fall Zapp letztlich auch um Geld. Denn fast ausschließlich wollten diejenigen, die bisher vor einer staatlichen Stelle aus der Kirche ausgetreten sind, die Kirchensteuer nicht mehr zahlen oder waren unzufrieden mit der Verwendung der Kirchensteuergelder durch die Kirchenleitung.
Allerdings war bisher das nicht auflösbare Ineinander von Kirchensteuer, Kirchenaustritt und Exkommunikation gleichsam ein Drohschutzschild gegen jeden Angriff auf das deutsche Kirchensteuersystem. Die gegen päpstliches Recht verstoßende Verbindung von so genanntem Austritt aus der Kirche als einer Körperschaft öffentlichen Rechts und Exkommunikation stellte so für Gläubige ein massives Hindernis für eine kritische Auseinandersetzung mit dem deutschen Kirchensteuersystem dar.
Eine Reform dieses Systems ist jedoch mehr als überfällig. So ist eine zunehmende Zahl von engagierten Katholiken nicht mit der Notwendigkeit von Kirchensteuerabgaben als solcher unzufrieden, sondern mit der nicht beeinflussbaren Zweckbestimmung der Steuergelder. Ein mündiger Katholik möchte selbst mitentscheiden können, wofür und in welcher Höhe seine Abgaben verwendet werden, um so auch dem Geldfluss in zum Teil kirchenzerstörerische Personal-, Verwaltungs- und Aktivitätenaufblähung wehren zu können.
Kurz gesagt möchte ein mündiger Katholik auf der Basis der Freiheit eines Christenmenschen den Geldfluss in seiner Kirche mitbeeinflussen können. Nicht die Verpflichtung zur materiellen Unterstützung für die Aufgaben der Kirche, also für den Gottesdienst, die Werke des Apostolats und der Caritas sowie für einen angemessenen Unterhalt der in ihrem Dienst Stehenden nach can. 222 § 1 CIC steht also zur Debatte, wenn sich mit Zapp plötzlich (für viele) die Möglichkeit auftut, Exkommunikation und Kirchensteuer nicht nur voneinander trennen zu können, sondern sogar trennen zu müssen. Es bietet sich vielmehr die große pastorale Chance für eine neue kirchliche Glaubwürdigkeit im Umgang mit dieser Pflicht.
Das deutsche Kirchensteuersystem reformieren
Was ist vor diesem Hintergrund zu tun? Vertrauen ist angesagt. Vertrauen in die Katholiken Deutschlands. Sie werden doch ihre Kirche auch materiell nicht im Stich lassen, wenn sie ihre Kirche lieben. Eine neue Freiheit jenseits der bisherigen zwanghaften Verbindung von Kirchensteuer, so genanntem Kirchenaustritt und automatischer Exkommunikation könnte sogar zu einer neuen Kirchenidentifikation und damit auch zu einer neuen Kraft der Kirche in der Gesellschaft von heute führen.
Die deutschen Bischöfe sollten daher den Fall Zapp nicht reaktiv, sondern produktiv aufgreifen und das deutsche Kirchensteuersystem reformieren. Für eine solche Reform könnte zunächst das Modell der Diözese Chur in der Schweiz, längerfristig sogar die italienische Regelung Pate stehen. Es bleibt zu hoffen, dass Zapp in Rom Recht bekommt.
Dr. Hubert Windisch ist Priester und Professor für Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.
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