Mosebach: Nachkonziliare Praxis Schuld an gehäuftem Missbrauch

31. März 2010 in Weltkirche


Schriftsteller Mosebach: "Die nachkonziliare Theologie tat alles, um das überlieferte Priesterbild vergessen zu lassen. Was Wunder, wenn viele Priester in diesen Jahren sich nicht mehr in überlieferter Weise als Priester empfinden konnten."


Berlin (kath.net/KNA/red) Der Schriftsteller Martin Mosebach sieht manche Veränderungen, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) eingeführt wurden, als Grund für die Häufung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Gerade in den Jahren unmittelbar nach dem Konzil sei es gehäuft zu Sexualstraftaten von Priestern gekommen, sagte Mosebach in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview des Online-Magazins «The European». Damit sei die angestrebte «Angleichung» der Kirche an die säkularisierte Welt «auf furchtbare Weise gescheitert».

„Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil legten die meisten Priester die Priesterkleidung ab, sie hörten auf, täglich die Heilige Messe zu feiern und sie beteten nicht mehr täglich das Brevier. Die nachkonziliare Theologie tat alles, um das überlieferte Priesterbild vergessen zu lassen.“

Alle Institutionen, die einem Priester auf seinem Lebensweg, den Mosebach als «schwierig und einsam» bezeichnet, Hilfe geleistet hätten, «wurden in Frage gestellt», meinte er. «Was Wunder, wenn viele Priester in diesen Jahren sich nicht mehr in überlieferter Weise als Priester empfinden konnten.» Der Schriftsteller, Träger des Büchnerpreises 2007, gehört zu den schärfsten Kritikern der Liturgiereform von 1970.

Dem Konzil von Trient (1545-1563) „war es darum gegangen, einer Verkommenheit des Klerus zu wehren und das Bewusstsein von der Heiligkeit des Priesteramtes neu zu wecken“. Nach dem Zweiten Vaticanum sei diese Disziplin „gezielt verdrängt“ worden. Noch wichtiger als die jetzige Bitte um Verzeihung, die Amtsträger der Kirche formulierten, sei es deshalb, «die Zügel der Disziplin im Sinn des Konzils von Trient wieder anzuziehen und zu einem Priestertum der katholischen Tradition zurückzukehren», sagte Mosebach.

Auch Papst Benedikt hat in seinem Schreiben an die Kirche Irlands über die Missbrauchsfälle eine falsche Interpretation des Konzils als einen Grund genannt: "Bedeutsam war während dieser Zeit ebenfalls die Tendenz vieler Priester und Ordensleute, Weisen des Denkens und der Einschätzung säkularer Realitäten ohne ausreichenden Bezug zum Evangelium zu übernehmen.

Das Programm der Erneuerung, dass das Zweite Vatikanische Konzil vorgelegt hat, wurde häufig falsch gelesen; im Licht des tiefen sozialen Wandels war es schwer, die richtigen Weisen der Umsetzung zu finden. Es gab im Besonderen die wohlmeinende aber fehlgeleitete Tendenz, Strafen für kanonisch irreguläre Umstände zu vermeiden. In diesem Gesamtkontext müssen wir das verstörende Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu verstehen versuchen, das nicht wenig zur Schwächung des Glaubens und dem Verlust des Respekts vor der Kirche und ihre Lehren beigetragen hat."

Weiter wies Mosebach in dem Interview den Vorwurf antisemitischer Tendenzen gegenüber Papst Benedikt XVI. zurück. «Diesem Papst Antisemitismus nachzusagen, verrät eine Unkenntnis und Inkompetenz, die vom öffentlichen Diskurs ausschließen müsste», sagte er. Gelegentlich könne man den Eindruck haben, wenn Benedikt nicht Christ wäre, wäre er Jude. Wie vielleicht kein Papst nach dem Apostel Petrus begreife das jetzige Kirchenoberhaupt das Christentum derart eng aus dem Judentum heraus.

Benedikt XVI., so der Autor, habe sich die schwerstmögliche Aufgabe gestellt, die «schlimmen Folgen der innerkirchlichen 68er-Revolution auf nichtrevolutionäre Weise heilen» zu wollen. Dabei sei er kein päpstlicher Diktator. Schon jetzt sei der Mut des Papstes erkennbar, mit dem er Versöhnung über die Grenzen des Kirchenrechts hinaus stifte, etwa gegenüber den großen Kirchen der Orthodoxie.

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Foto: (c) Paul Badde


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