Am letzten Platz

25. März 2010 in Aktuelles


Die Folge der Kindesmissbrauchsfälle: Sind Christen das Letzte überhaupt? Ein Kommentar von Bernhard Meuser.


München (kath.net / idea) Mit einem Rekordbesuch (156.000 Besucher, 6% mehr als 2009) ging am Sonntag die Leipziger Buchmesse zu Ende. Auf solchen Messen mit über 2.000 Ausstellern und etwa 3.000 Journalisten kann man feststellen, was „Zeitgeist“ ist, was Bürger gerade denken. Und die Stimmung auf der Leipziger Buchmesse bestätigt eine Umfrage, nach der 64% aller Kirchenmitglieder glauben, dass die Skandale der letzten Wochen die Glaubwürdigkeit ihrer Kirchen dauerhaft beschädigt haben.

Was ich mir alles anhören musste

Denn das musste ich mir als christlicher Verleger – und dann auch noch katholisch – allenthalben anhören: „Ihr mit eurem hohen Anspruch! Packt doch ein! Haltet doch endlich mal das Maul und fordert nicht Dinge von andern, die ihr selbst nicht einhalten könnt.“ Christen waren unter den an sich freundlichen und toleranten Besuchern der Buchmesse die „Parias“ – das Letzte. Und stimmt das nicht auch? Sind wir nicht angesichts der schrecklichen Enthüllungen das Letzte?

Auch wenn es auf Reformschulen noch schlimmer war ...

Der Skandal des sexuellen Kindesmissbrauchs – vor allem in katholischen und in geringerem Maße auch evangelischen Internaten wie Schulen – trifft ins Mark. Die entsprechende Häme war verständlich.

Da hilft auch nicht, mit dem Finger auf die liberale reformpädagogische Odenwaldschule zu zeigen nach dem Motto „Die Humanisten haben sich auf ihrer Eliteschule noch viel schrecklicher verhalten!“. Denn diese Reformschulen messen sich ja bewusst nicht an christlichen Maßstäben. Dazu kommt – wenn auch nicht vergleichbar – der Skandal der volltrunkenen Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzenden.

Nach den katholischen und evangelischen Skandalen …

Der Skandal ist nicht, dass von Christen gesündigt wurde. Das gehört zum Menschsein. Christus ist ja deshalb ans Kreuz gegangen, um Sünder zu erlösen. Der Skandal ist, dass man in angeblicher mitbrüderlicher Solidarität im katholischen, aber auch im evangelischen Bereich lange, zu lange zu Sünden in den eigenen Reihen geschwiegen hat. Wie will man jetzt die Verbrechen, deren Komplize manche Pfarrer und Bischöfe geworden sind, bei den Opfern je wiedergutmachen?

… wer sollte sich noch ändern wollen?

Im Fall der volltrunkenen Bischöfin ist das Schlimme auch nicht die Sünde, sondern der Beifall von der falschen Seite. Nach dem Motto „Sieh mal da, auch Bischöfe sind nur ‚Sünderlein’“. Wir brauchen uns also nicht zu verändern, wenn wir auch in den Kirchen keine veränderten Menschen erleben.

Nicht mit den Säufern saufen!

Hier zeigt sich, dass sich etwas verschoben hat. Es kann nicht die Aufgabe der Kirche sein, mit den Sündern zu sündigen, mit den Säufern zu saufen, mit den Wölfen zu heulen. Christen sind nach dem Neuen Testament Herausgerufene.
Das heißt: Kirche muss anders sein. Das ist nicht einfach, ja oft ein hartes Los, aber es ist notwendig.

Das Gericht Gottes wird uns am Ende der Tage alle treffen, wenn wir uns nicht wenigstens bemühen, anders als die Welt zu leben, uns nach anderen Maßstäben zu verhalten. Ja, wir stehen derzeit als Katholiken wie Protestanten imagemäßig auf dem letzten Platz.

Und unser einziger Trost ist: Hier wartet auf uns unser Retter Jesus Christus! Er möchte uns helfen, aus unserem Christentum der faulen Kompromisse herauszukommen. Lassen Sie uns deshalb bitte alle mit Christus von diesem letzten Platz wegkommen – nicht um eines besseren Images der Kirchen willen, sondern weil wir es unserem Herrn schuldig sind.

Der Autor, Bernhard Meuser (München), ist Leiter des Pattloch-Verlages.



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