Fasten, Beten und Almosen

23. Februar 2010 in Deutschland


Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode bei Predigt vor der Deutschen Bischofskonferenz am Dienstag am Morgen: Er bleibt der immer Größere in seinem Namen, in seinem Reich und in seinem Willen.


Freiburg (kath.net)
Kath.Net dokumentiert die Predigt von Bischof Dr. Franz-Josef Bode (Osnabrück), während der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am Dienstag, 23. Februar 2010

Lesung: Jes 55,10-11
Evangleium: Mt 6,7-15

Vor fast einer Woche, mit dem Aschermittwoch, haben wir, liebe Mitbrüder, liebe Jugendliche, liebe Schwestern und Brüder, nach dem Treiben der Fastnacht die große Vorbereitungszeit auf das Osterfest begonnen, die Fastenzeit. Jeder zweite Deutsche hält eine solche Zeit für sinnvoll, so war in diesen Tagen zu lesen. Sicher aus sehr unterschiedlichen Motiven. Aber eben doch verbunden mit der tief menschlichen Suche danach, von falschen Abhängigkeiten loszukommen, bewusst auf Leib und Seele zu achten und Zeiten des Abstandes zu gewinnen, um dann die Wirklichkeit wieder besser annehmen zu können.

Auch vielen jungen Leuten geht es nicht nur um das ideale Körpergewicht, das sie freilich manchmal mit durchaus gesundheitsgefährdenden Methoden erzwingen wollen. Steht nicht auch dahinter eine Suche nach Anerkennung, Wertschätzung, Angesehensein und nach mehr als allem, was man haben, machen, kaufen kann?

Jesus gibt uns für eine solch bewusst gelebte Zeit eine schlichte Formel mit auf den Weg, wenn er von Fasten, Beten und Almosen geben spricht, das wir ohne große Öffentlichkeit persönlich und in aller Einfachheit üben sollen:

Fasten – die Dinge wieder richtig ordnen: Was ist im Leben wichtig und was unwichtig?

Beten – den Draht zu Gott wieder finden oder wieder verstärken

Teilen – alles, was uns gegeben ist an Gaben und Möglichkeiten so einsetzen, dass auch andere besser leben können

Heute geht es in den Texten dieses Tages besonders um das Beten. Ich denke, nicht nur junge Menschen tun sich mit dem Beten nicht immer leicht. Ja selbst der heilige Paulus spricht davon, dass wir nicht immer wissen, wie wir in rechter Weise beten sollen (vgl. Röm 8,26). Meistens bitten wir in schwierigen Situationen am ehesten, so dass manche sagen, Not lehre beten. Und tatsächlich: Vor schwierigen Entscheidungen, in Notlagen, in Momenten der Angst oder auch nach schweren Verlusten drängt es uns eher, uns bittend und flehend an Gott zu wenden, als ihm im normalen Alltag oder in schönen Stunden zu danken.

Vielleicht würden wir darum das Vaterunser, das Jesus uns selbst als Gebet gelehrt hat, eigentlich lieber von hinten anfangen: „Rette uns vor dem Bösen!“, rette mich aus meiner misslichen Lage; hilf, dass es mir oder meinen Freunden wieder gut geht; gib, dass ich die Prüfung bestehe und den Anforderungen der Zukunft gewachsen bin. Gib uns Brot und Frieden, einen Arbeitsplatz und gute Gemeinschaft und Freundschaft.

Denn – so werden wir es gleich auch in den Fürbitten hören, die Jugendliche von Euch hier formuliert haben – Zweifel, Angst, Unsicherheit, Leistungsdruck, Schwierigkeiten mit dem Glauben und der Kirche, die Fragen: Welche Wege und Werte sind tragfähig für mich? Wie sollen mein Leben, meine Beziehungen, meine Zukunft gelingen? Hat das alles, was ich erlebe, einen Sinn? Gibt es dich überhaupt, Gott? Warum so viel Leid und Krieg? – das alles bewegt junge Leute, und nicht nur junge. Damit möchten wir Gott manchmal bestürmen und ihn auf unsere Seite ziehen, ja ihn vielleicht gnädig stimmen wie eine Gottheit, die wir erst mit vielen Worten für uns gewinnen müssen. – Vielleicht meint Jesus das mit dem „Plappern der Heiden“.

Es steckt eben in uns, das alles auszusprechen, es uns von der Seele zu reden, es herauszuschreien. Und wir dürfen es auch tun. Aber eben nicht vor einem ,fremden‘ Gott, einem irgendwie göttlichen Wesen oder gar dem Schicksal, das ich für mich gnädig stimmen muss, sondern vor Gott, der mir Vater und Bruder und Freund ist.

„Macht es anders“, sagt Jesus, „denn euer Gott, der euer Vater ist, weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet.“ Ihr müsst ihn nicht erst großartig informieren. Euer Gebet soll schon mehr ein vertrautes Besprechen der Dinge mit ihm sein. Ihr sollt und könnt darauf vertrauen: Vor allem, was ihr ansprecht, ist er schon Vater für euch, und nicht nur für dich persönlich, sondern für alle. Und er ist Vater „im Himmel“, das heißt nicht nur Vater nach menschlichem Maß, sondern in der Einheit von Macht und Liebe, von Können und Sich-Zuwenden, die Väterliches und Mütterliches miteinander verbindet. „Du bist für uns wie ein guter Vater und eine liebende Mutter“, betet die Kirche in einem ihrer großen Gebete (vgl. Hochgebet „Jesus, der Bruder aller“).

Deshalb fängt Jesus mit dieser Anrede an: „Vater unser im Himmel“. Und es folgt eindringlich und klar: dein Name, dein Reich, dein Wille. Im Hinterkopf haben wir doch oft bei allem Beten: mein Name – soll wichtig sein; mein Reich – das ich durchsetzen möchte; mein Wille – soll geschehen. Hier aber fordert Jesus uns heraus, uns ganz loszulassen auf Gott hin; und selbst wenn sich unser Wunsch und Wille nicht erfüllt, wird Sein Wille für uns doch der beste sein.

In solcher Haltung dürfen wir Gott, unserem Vater, dann wirklich alles ohne viele Worte und Erklärungen anvertrauen, unsere Bitten um das, was wir brauchen:

• was wir zum Leben brauchen: Brot
• wie wir wieder Frieden finden: Vergebung
• wo wir von Zweifeln geplagt werden: Versuchung
• wo wir Befreiung brauchen von Abhängigkeiten, Besetztheiten, ja manchmal Besessenheiten: Erlösung

Und selbst wenn wir in unserem Beten tatsächlich erst einmal ganz menschlich und vielleicht etwas unbeholfen mit dem Bitten, Schreien, Hadern, Bestürmen anfangen, dann wird Gott auch das aushalten. Umso mehr gelangen wir schrittweise dorthin, uns seinem Willen, seinem Reich und seinem Namen zu überlassen, bis wir nur noch „Vater“ sagen – und er weiß schon Bescheid.

Solches Beten darf also ganz persönlich sein, ganz konkret und aus dem Leben, ganz selbstverständlich und freundschaftlich, in großer Offenheit und Ehrlichkeit, mit allen Gefühlen, Fragen, Zweifeln, mit Hadern und Bitten, mit Loben und Preisen – und immer und immer wieder, denn Wiederholung ist auch Wieder-Holung unserer Freundschaft mit ihm. Gott wird es nicht leid, uns zu hören; auch wir sollten es nicht leid werden, mit ihm umzugehen!

Dann wird er uns weder zum launischen Tyrannen, um dessen Gnade wir sklavisch werben müssten, weil er uns nicht wohlgesonnen sei, noch zum ,Taschengott‘ oder ,Automatengott‘, den ich in bestimmten Situationen sozusagen „aus der Tasche“ ziehe, oder der mir durch Einwerfen der Münze eines Gebetes meinen Wunsch erfüllen muss.

Er bleibt der immer Größere in seinem Namen, in seinem Reich und in seinem Willen. Nur so kann er uns wirklich helfen. Und er ist doch zugleich der immer Kleinere, der uns bis in unsere tiefsten Abgründe und Nöte nahe bleibt, denn sein Name ist „Ich bin da“, sein Reich ist die Gemeinschaft mit uns Menschen, und sein Wille ist es, uns zum richtigen Ziel gelangen zu lassen.

Nichts anderes meint ja die Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja, wo Gott spricht: Mein Wort kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht das, wozu ich es ausgesandt habe. Das gilt auch für unser Gebet, wenn wir uns diesem Gott anvertrauen: Es kehrt nicht leer zu uns zurück, prallt nicht ab an Gott, sondern hat seine Wirkung. Und sei es „nur“ die einer inneren Wandlung und Veränderung. Denn wer seine Anliegen noch vor Gott bringt, hat schon eine neue Einstellung dazu, weil keine Not, keine Schwierigkeit dann so übermächtig wird, dass Gott nicht noch größer wäre, eben Gott als Vater und Mutter, als Bruder und Schwester, als Freund und Freundin – wie im Himmel, so auf Erden.

Ein aus dieser Diözese Freiburg stammender Priester, Andreas Knapp, hat diese Überlegungen sehr gut auf den Punkt gebracht in einem dichten Text unter dem Titel „Bittgebet“:

Beten ist das Dach der Welt
das bis in den Himmel reicht
denn Gott lässt mit sich reden
in der Erstickungsgefahr deines Innern
kannst du hörbar aufatmen
bis zu Gott hinauf
das Unerhörte deines Lebens
findet ein offenes Ohr
und dein Bittgebet ist schon Erhörung
denn bittend bist du doch bereits
mit deinem Gott
auf du und du
und ist nicht
ER
dein alles

(Andreas Knapp, Brennender als Feuer. Geistliche Gedichte, Würzburg 2004, S. 41)

Meine lieben Jugendlichen, ich möchte Euch ermutigen, das Beten im Sinne Jesu zu wagen, das gewaltige Netzwerk der Beter und Beterinnen um die ganze Welt mitzuknüpfen und auch heute morgen mit uns Bischöfen und allen, die gekommen sind, die Stimme zu Gott zu erheben: zum Vater, dem Gott über uns; mit dem Sohn, dem Gott mit uns; im Heiligen Geist, dem Gott in uns und mitten unter uns.

So sind wir gemeinsam Kirche und stehen ihr nicht gegenüber, kritisieren oder loben sie nur aus einer Zuschauerperspektive, sondern bilden und bauen Kirche mit zu einer großen Familie in unserem Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe; zu einer Familie, durch die die Menschen mitten in allen Bedrängnissen Ermutigung und Aufrichtung erfahren. Gerade Ihr als junge Menschen könnt dieses Gesicht der Kirche mitprägen für eine gemeinsame gesegnete Zukunft. Amen.

Foto: (c) Bistum Osnabrück


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