Kirche von scheinheiligen Selbstbespieglern an den Pranger gestellt

12. Februar 2010 in Deutschland


Bischof Müller: In diesen Tagen entfachen kirchenfeindliche Kreise einen medialen Sturm und stellen Kirche und Priestertum unter einen Generalverdacht. Zölibat ist keineswegs die 'Quelle des Übels' wie es Goebbels vor 20.000 Nazis ausgerufen hat


Regensburg (kath.net/pdr)
Mit mehreren Hundert Gläubigen sowie Priestern und Diakonen feierte der Regensburger Oberhirte vergangene Woche einen Gottesdienst zum traditionellen Priesterdonnerstag. Lesen Sie hier die Predigt im Wortlaut:

Liebe Schwestern und Brüder im gemeinsamen Glauben an Christus, den Herrn!

In diesen Tagen entfachen kirchenfeindliche Kreise einen medialen Sturm und stellen Kirche und Priestertum unter einen Generalverdacht. Den Anstoß hierzu haben die Berichte über den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch zwei ehemalige Jesuitenpatres im Canisius-Kolleg in Berlin gegeben. Kirche, Priestertum, Zölibat und die abscheulichen Straftaten an Jugendlichen werden in einen pauschalen Zusammenhang gestellt. Die Polizeikriminalstatistik des Jahres 2008 spricht von etwa 12.000 erfassten Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs. Der Großteil dieser schrecklichen Übergriffe geschieht im familiären Umfeld; zum priesterlichen Stand gehört nur ein winziger Bruchteil der Täter. Freilich können wir uns aus kirchlicher Sicht damit keineswegs zufrieden geben! Eine derartige Tat verletzt einen jungen Menschen zutiefst an Leib und Seele, missbraucht das Vertrauensverhältnis zu einem Diener Gottes und widerstrebt grundsätzlich, von innen heraus, dem priesterlichen Dienst. Darum ist sie strikt zu verurteilen! Über die schlimme Tat hinaus beschädigt der Täter aber auch den guten Ruf der Priester, die von interessierter Seite schamlos diskreditiert werden.

Darum muss ich ganz deutlich sagen: Unsere Priester tun ihren Dienst, gerade auch für Kinder und Jugendliche, sehr gut und voller Hingabe. Auch die vielen Tausend Erzieherinnen und Lehrkräfte in den kirchlichen Kindergärten und Schulen arbeiten tadellos und hingebungsvoll für eine gute, gesunde Entwicklung unserer jungen Menschen, die wir als Kinder Gottes verstehen.

Sie wissen sich als Priester, Erzieher und Lehrer berufen und befähigt im Zusammenwirken der Generationen füreinander da zu sein. Zudem ist die zölibatäre Lebensform keineswegs die „Quelle des Übels“, Grund für einen durch und durch verdorbenen Klerus – wie es Goebbels in seiner berühmt-berüchtigten Rede aus dem Jahr 1937 im Sportpalast vor 20.000 Nazifanatikern ausgerufen hat.

Gegenüber der Behauptung, der Zölibat hätte keine biblischen Wurzeln, muss betont werden: Der bewusste Verzicht auf das hohe Gut der Ehe, die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen ist von denen, die dazu berufen sind, frei gewählt worden und gründet in Wort und Leben Jesu (vgl. Mt 19). Dieser Verzicht soll kein selbstbezogenes Junggesellenleben ohne Verantwortung ermöglichen. Vielmehr will der Zölibatäre ganz für die Familie Gottes da sein, um die väterliche Güte Gottes zu repräsentieren und Jesus Christus, den Bräutigam der Kirche, in seiner Hirtenliebe konkret erlebbar und sichtbar zu machen.

So sagt es Paulus im Hinblick auf sich selber: Er hätte zwar das Recht verheiratet zu sein; wegen des ungeteilten Dienstes für den Herrn verzichtet er aber darauf (vgl. 1Kor 7). Darum ist es eine legitime Entscheidung der Kirche, vornehmlich nur diejenigen zum priesterlichen Dienst zu weihen, die das Charisma der Ehelosigkeit erfahren und annehmen. Priestertum und zölibatäre Lebensform sind so eng miteinander verknüpft, dass sich in der westlichen Kirche das zölibatäre Priestertum als die Hauptform entwickelt hat. Daneben gibt es auch Ausnahmen: So die katholischen Ostkirchen, die verheiratete Priester kennen, oder die Möglichkeit des Dispenses, wenn etwa verheiratete evangelische Pfarrer konvertieren und dann in der katholischen Kirche um die Priesterweihe bitten.

Keineswegs aber widerspricht die zölibatäre Tradition der westlichen Kirche dem Evangelium. Sie macht den Menschen auch nicht krank, wie oftmals behauptet wird. Vielmehr gibt es heute eine weit verbreitete falsche Sicht von Sexualität, welche die Verlässlichkeit und Treue in der Ehe unterminiert und die Möglichkeit eines Lebens nach den evangelischen Räten – Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam – von vornherein ausschließt. Das Geschenk der Sexualität wird mittels „Dampfkessel-Prinzips“ – irgendwann sprengt der Druck alle Schranken – auf einen unbeherrschbaren, animalischen Trieb im Menschen reduziert. Man leugnet, dass der Mensch in Leib und Seele eine innere Einheit bildet und dass Sexualität nicht nur auf Triebbefriedigung hin angelegt ist.

Das innerliche Zusammengefügtsein von sexus, eros und agape, die dem Menschen freilich als Aufgabe zur Reifung gegeben ist, wird ebenso negiert wie die Wirklichkeit der Ehe als personale Begegnung von Mann und Frau. Derjenige, der um des Himmelreiches willen auf das hohe Gut der Ehe verzichtet, ist darum nicht irgendwie innerlich desorganisiert und desintegriert, sondern stellt eine innere Einheit dar, die auf agape, die hingebende Liebe für andere Menschen, ausgerichtet ist. Darum ist der Priester kein Junggeselle, sondern vergegenwärtigt mit seinem Leben das Für-Sein Jesu Christi und ist den Menschen so Vater, Freund und Begleiter.

Das Evangelium bezeugt, wie Jesus seine Jünger beruft, wie er sie aussendet, wie er ihnen Anteil gibt an seiner Weihe und Sendung und so aus dem Apostolat heraus den priesterlichen Dienst, wie er dann später ausgeübt wird, begründet. Darum ist der priesterliche Dienst kein Beruf wie jeder andere, den man etwa aufgrund eigener Neigung ergreifen könnte. Berufung geschieht einzig und allein von Gott her! Wenn dieses Charisma innerlich zueigen genommen wird, wenn diese Liebe, diese Bereitschaft zur Hingabe des ganzen Lebens da ist, kann sich der Priester ganz für das Heil der Mitmenschen in Pfarrei oder kategorialem Dienst einsetzen. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Dienst an Kindern und Jugendlichen, die durch die konkrete Begegnung mit Eltern und Priestern erleben und erfahren sollen, dass jeder Mensch niemals Mittel zum Zweck ist, sondern über eine Würde verfügt, die ihm Gott gegeben hat.

Dieses Wohlwollen Gottes uns gegenüber – seine „bene“-„volentia“ – muss sakramental verdichtet und vergegenwärtigt werden im unverzichtbaren Dienst des Priesters. So können die Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche erfahren, mit welcher Liebe Christus, der gute Hirte, uns vorangegangen ist, mit welcher Liebe er uns umfängt. Darum brauchen wir nicht zu resignieren, nicht am Leben zu verzweifeln oder gar zynisch zu werden! Wir erfahren vielmehr, dass Gott denen, die ihn lieben durch alles Leiden, durch alle Einschränkungen hindurch alles zum Besten gereichen lässt (vgl. Röm 8,28).

Hierin besteht die Hauptaufgabe, der innerste Sinn unseres Christseins, insbe-sondere aber auch des priesterlichen Dienstes. So können die Menschen die alles besiegelnde und den Menschen beglückende Liebe Gottes erfahren, sie können aufblühen, innerlich reifen und wachsen, lernen, sich selber anzunehmen und den Nächsten nicht als Konkurrenten oder gar Feind zu betrachten, sondern als Bruder und Freund in der einen Familie Gottes. Gemeinsam, als pilgerndes Gottesvolk, gehen wir den Weg hin zur Vollendung, die uns auch gemeinsam geschenkt wird.

Wie wird denn diese Vollendung im Himmel aussehen? – Hier erfahren wir die Familiarität, die Zusammengehörigkeit untereinander, weil wir alle in Gott verwurzelt sind und aus Gott das Leben empfangen! Darum ist die Kirche Familie Gottes. Der Priester betrachtet die Menschen, die ihm anvertraut sind, nach dem Beispiel der Pastoralbriefe: Gleichaltrige wie einen Bruder; Jüngeren begegnet er gleichsam väterlich, älteren Menschen tritt er ehrfurchtsvoll wie den eigenen Eltern entgegen. So verkörpert der Priester – in welchem Lebensalter er auch ist – immer die persönliche Nähe Gottes.

So wollen wir auch in einer solchen Zeit, in der die Kirche von scheinheiligen Selbstbespieglern an den Pranger gestellt wird, in der viele gute Priester persönlich beleidigt, erniedrigt und in den Dreck gezogen werden, uns trotzdem nicht niederdrücken lassen, sondern mutig den Weg des Glaubens gehen. Dennoch stellt sich die Frage: Wie ist all das möglich in einem Staat, dessen erster Grundgesetzartikel lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“? – Auch Jesus, der nur Gutes getan hat, ist verleumdet worden!

Wie könnte es uns dann besser gehen? Aber das soll uns nicht aus der Bahn werfen, sondern nur noch eifriger machen in der Hingabe für die Menschen, im Dienst um ihr Seelenheil. Im himmlischen Vaterhaus, wenn wir alle vereint sind, wird auch Gott diese Bedrückungen, die jetzt auf uns lasten, von uns nehmen. Wir wollen ihm auch dieses Verkannt-Werden aufopfern und uns ermutigen lassen. Obwohl wir immer auch Sünder sind, vertrauen wir auf die größere Barmherzigkeit Gottes! Nicht stehen bleiben, sondern mutig in die Zukunft gehen! Die Welt braucht diesen Dienst der Kirche! Darum schauen wir auf Christus, der uns sagt: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lk 10,2). Amen.

Foto: (c) kath.net


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